Zahl der mediensüchtigen Kinder in Tschechien wächst

Sie vernachlässigen ihre Hobbys, streiten mit den Eltern und lügen, wenn sie über ihre Verweildauer im Internet sprechen. Die Rede ist von medienabhängigen Kindern. Auch in Tschechien steigt ihre Zahl weiter an.

Immer jünger sind die tschechischen Kinder, die medienabhängig sind. Das zeigt die neueste Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO mit dem Titel „Health Behaviour in School-aged Children“ (Gesundheitsverhalten von schulpflichtigen Kindern). Den Teil über Tschechien hat das Institut für psychologische Forschung an der Masaryk-Universität in Brno / Brünn ausgearbeitet. Befragt wurden Kinder im Alter von 11, 13 und 15 Jahren. Demnach können sich zehn Prozent der jüngsten Heranwachsenden bereits nicht mehr bei der Nutzung von Social Media selbst kontrollieren. Diese Erkenntnis erstaunt selbst die Wissenschaftler.

Lukáš Blinka | Foto: Tomáš Berný,  Tschechischer Rundfunk

„Früher haben wir gedacht, dass das Problem in der Phase des Heranwachsens entsteht. Aber es hat sich immer weiter nach vorne im Lebensalter verschoben. Wenn sich also schon zehn Prozent der Elfjährigen nicht mehr kontrollieren können, dann beginnt das Problem bereits früher – mit zehn, neun oder acht Jahren“, so Lukáš Blinka, einer der Autoren des tschechischen Teils der WHO-Studie.

Insgesamt wurden für die Erhebung fast 280.000 Kinder befragt – in 44 Ländern Europas und Zentralasiens sowie in Kanada.

Während bei den Mädchen das Surfen auf Social-Media-Plattformen überwiegt, spielen die Jungs häufiger zu viel Videospiele. Eine kleine Umfrage des Tschechischen Rundfunks in einer Mittelschule mit Orientierung auf Sport in Prag konnte dies nur teilweise bestätigen…

„Ich scrolle häufig durch TikTok, zwei bis drei Stunden am Tag“, sagt einer der Jungen.

Und ein Mädchen meint:

„Ich texte viel mit meinen Freunden oder schaue Filme und Videos im Handy.“

Einem weiteren Jungen ist das bereits zu viel geworden:

Illustrationsfoto: Andi_Graf,  Pixabay,  Pixabay License

„Früher habe ich viel gespielt. Aber mittlerweile bin ich darüber hinweg, ich habe jetzt wegen der Schule und dem Sport keine Zeit mehr dafür.“

Von den tschechischen Kindern gaben mehr als ein Drittel an, dass sie mit ihren Freunden ständig online in Kontakt stünden. Am höchsten war der Anteil bei den 15-jährigen Mädchen, da waren es 44 Prozent. Zeichen von Online-Spielsucht wiederum wiesen nur sieben Prozent der Mädchen auf, aber 16 Prozent der Jungs.

Für eine Medienabhängigkeit hat die Weltgesundheitsorganisation neun Kriterien aufgestellt. Wenn sechs von ihnen erfüllt sind, gilt das bereits als risikoreiches Verhalten. Lukáš Blinka nennt einige dieser Kriterien:

„Das Aufgeben von Hobbys, die Verschlechterung der Schulleistungen und fast keine soziale Eingliederung. Letzteres heißt, dass jemand keine Freunde hat, mit den Eltern streitet und seine Aufgaben nicht erledigt. Solche Kinder sind nervös und unruhig, wenn sie nicht online sein können, oder aggressiv, wenn die Eltern dies einschränken.“

Dennoch sind die Kinder in Tschechien nicht so medienversessen wie ihre Altersgenossen aus anderen Ländern…

„Die Tschechische Republik ist im besseren europäischen Durchschnitt gelandet. In Europa sind die schlechtesten Ergebnisse in Osteuropa, auf dem Ostbalkan und im ganzen Mittelmeerraum erzielt worden. Dahingegen haben Mittel- und Nordmitteleuropa am besten abgeschnitten – außer Großbritannien, wo die Lage schlechter ist“, so Blinka.

Aneta Zápotocká | Foto: Jan Jaskmanický,  Tschechischer Rundfunk

Die Behandlung von Mediensucht verläuft ähnlich wie bei anderen Abhängigkeiten. Allerdings gebe es ein Problem dabei, sagt die Psychotherapeutin Aneta Zápotocká. Sie ist fachliche Direktorin von „Magdaléna“, der Gesellschaft für Prävention und Bildung:

„Die Behandlung ist nicht einfach im Vergleich zum Beispiel mit Alkoholismus. Während man da abstinent bleiben kann, ist es irreal, das Handy oder den Computer für immer beiseite zu stellen. Wichtig ist, dass die Betroffenen das Endorphin, das bei der Nutzung von Medien ausgeschüttet wird, anderswo finden.“

Zápotocká betont zudem, dass Social Media in vernünftigem Umfang auch zu besseren sozialen Kontakten beitragen könnten und die Heranwachsenden auch in Medienkompetenzen schulen würden – etwa im Drehen von Videos.

Autoren: Till Janzer , Lucie Pávová
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