Armee fehlen Material und Personal – Verteidigungsministerin und Generalstabschef warnen

Dieses Jahr soll der tschechische Verteidigungshaushalt erstmals die von der Nato geforderten zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erreichen. Beim Treffen der Armeeführung am Dienstag wurde jedoch ein tristes Bild der Truppe gezeichnet: Wachsende Aufgaben treffen auf einen Mangel an Material und Personal.

Immer im Spätherbst kommt die Führung der tschechischen Armee zu Beratungen zusammen. Dann werden die Aufgaben für das folgende Jahr formuliert. Diese Zusammenkunft fand am Dienstag in Prag statt, aber sie hat vor allem schwere Defizite beim aktuellen Zustand offenbart. Präsident Petr Pavel als Oberbefehlshaber der Streitkräfte war aus Australien zugeschaltet, wo er gerade bei einem Staatsbesuch ist. Er betonte, dass die EU-Staaten in Zukunft noch mehr für ihre eigene Verteidigung unternehmen müssten. Daran knüpfte Generalstabschef Karel Řehka in seiner Rede an. Unter anderem sagte er:

Jana Černochová und Karel Řehka bei der Jahresversammlung der Armeeführung | Foto: Jan Schejbal,  Tschechische Armee

„Die künftigen Anforderungen an die Verteidigungsfähigkeit werden viele weitere Finanzen verlangen, dabei haben wir noch nicht einmal die alten Anforderungen erfüllt. 18 Jahre Unterfinanzierung holen wir nicht ein, indem wir in einem Jahr zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausgeben.“

Denn nach den Berechnungen der Regierung von Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) sollen in diesem Jahr die Ausgaben für Verteidigung in Tschechien erstmals bei eben jenem Nato-Ziel von zwei Prozent des BIP liegen.

Allerdings gibt es durchaus ein Konzept, um die tschechische Armee entsprechend den Anforderungen des Nordatlantik-Paktes zu modernisieren. Doch dies trifft auf Mangelzustände in der Truppe. Jiří Šedivý ist ehemaliger Generalstabschef und leitet heute an der privaten Hochschule Cevro in Prag den Lehrstuhl für Sicherheitsstudien. Im Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks betonte er, dass die Modernisierung stocke…

Jiří Šedivý | Foto: Věra Luptáková,  Tschechischer Rundfunk

„Das betrifft zum Beispiel die Qualität unserer Artillerie, unserer Flug- und Raketenabwehrsysteme, aber auch der Logistik. Unsere Lager sind leer, es fehlen materielle Reserven in nötigem Umfang. Würde die Armee aktuell eingesetzt, dann hätte sie nicht die Effizienz, die sie bräuchte. Und in einem großen Teil der Kampftruppen gibt es weniger als 90 Prozent des erforderlichen Personals, teilweise fehlt ein hoher prozentualer Anteil“, so Šedivý.

Dabei wollen die Verteidigungsminister der Nato im kommenden Jahr neue Ziele für die Verteidigungsfähigkeit formulieren. Laut dem Sicherheitsexperten dürfte dies die Selbständige mechanisierte Brigade der tschechischen Armee betreffen sowie die schnellen Einsatzgruppen.

Generalstabschef Řehka leitet aus den Nato-Vorhaben einen deutlich höheren Personalbedarf ab, als bisher vorgesehen:

Karel Řehka bei der Jahresversammlung der Armeeführung

„Vorläufige Schätzungen aufgrund unserer Analysen sprechen von 37.500 Berufssoldaten, was 7500 mehr sind als das bisherige Ziel, das wir uns im aktuellen Konzept für den Ausbau der tschechischen Armee gesteckt haben.“

Schon jetzt aber fehlen der Armee mehrere Tausend Soldaten. Ein Grund sind die hohen Eignungsvoraussetzungen für eine Anwerbung durch die Streitkräfte, die bis vor kurzem noch bestanden. Seit September können für bestimmte Truppenteile aber auch jene Bewerber, die zuvor beispielsweise wegen Sehfehlern oder körperlichen Einschränkungen ausgemustert wurden, eingestellt werden.

Der andere Grund sind die laut Experten zu niedrigen Gehälter der Berufssoldaten. Auch das soll sich aber ändern. Verteidigungsministerin Jana Černochová (Bürgerdemokraten), die beim Treffen der Kommandoebene wie Řehka vor den Folgen der bisherigen Versäumnisse warnte, hat dazu einen Gesetzesvorschlag ausgearbeitet:

„Der Vorschlag enthält eine Anhebung der Verpflichtungsprämie und unterschiedlicher Vergünstigungen für die Soldaten wie unter anderem der Motivationsprämie, der Wohnbeihilfe oder der Beihilfe beim Auslandseinsatz.“

Die entsprechende Gesetznovelle wird gerade von den anderen zuständigen Ministerien begutachtet und soll demnächst bei der Regierungssitzung behandelt werden. Und nicht zuletzt rechnet Ministerin Černochová damit, dass das tschechische Verteidigungsbudget im kommenden Jahr nicht bei zwei Prozent verharrt, sondern weiter angehoben wird.

Jahresversammlung der Armeeführung | Foto: Jan Schejbal,  Tschechische Armee
Autoren: Till Janzer , Kristýna Vašíčková
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