„Historische Erfahrungen verpflichten uns, Ukraine zu unterstützen“ – Demo in Prag
Mehrere Tausend Menschen trafen am Sonntagnachmittag auf dem Altstädter Ring in Prag zusammen, um ihre Unterstützung für die Ukraine zu demonstrieren. Denn am Montag jährt sich der Überfall Russlands auf das osteuropäische Land zum dritten Mal.
Viele der Teilnehmer hatten ukrainische und tschechische Flaggen zu der Kundgebung mitgebracht. Zahlreiche Demonstranten hielten auch Transparente in ihren Händen. Darauf war beispielsweise zu lesen: „Gebt die gestohlenen ukrainischen Kinder zurück!“, „Bedingung für die Sicherheit in Europa ist die Sicherheit in der Ukraine“ und „Stoppt Russlands Aggression!“. Einleitend sprach Tschechiens Staatspräsident Petr Pavel. Seine Rede haben wir bereits in einem Artikel am Sonntag zusammengefasst. Der ukrainische Botschafter, Vasyl Zvarych, dankte anschließend Pavel, der tschechischen Regierung sowie allen Bürgern hierzulande für die Unterstützung für sein Land. Er sagte unter anderem:
„Wir lieben die Freiheit genauso wie Sie, wir werden für unsere und für Ihre Freiheit weiter kämpfen. Werte Freunde, in der Ukraine pulsiert derzeit das Herz Europas und der ganzen demokratischen Welt. Dank Ihrer Unterstützung schlägt es immer noch.“
Die tschechische Schauspielerin Jitka Čvančarová begrüßte auf dem Podium drei ukrainische Kinder. Ivan, Maxim und Kyra haben die Belagerung von Mariupol überlebt, waren dann aber in das russisch besetzte Donezk verschleppt worden. Die Schauspielerin:
„Diesen Kindern wurde von den Russen gesagt, es gebe keine Ukraine. Ihnen wurde auch gesagt, dass sie niemand brauche und niemand suchen werde. Dank mehrerer NGOs gelang es uns, die Kinder zurück in die Ukraine zu bringen. Es ist jedoch notwendig, ihre Geschichte zu erzählen, um alle anderen Kinder nicht zu vergessen, die verschleppt worden und bisher nicht zurückgekehrt sind.“
Die ukrainische Lehrerin Liudmyla Korostashevych war nach dem Beginn der russischen Invasion gezwungen, mit ihren Kindern zu flüchten. Sie erinnerte sich in der hiesigen Sprache an die Ankunft in Tschechien:
„Ich will, dass Sie wissen, dass wir Ihre Hilfe nicht vergessen. Ich erinnere mich an den Freiwilligen im Flüchtlingszentrum, der mir Tee anbot, und wie ich Tränen der Dankbarkeit in meinen Augen hatte. Ich merke mir bis heute die Frau, die ohne ein Wort meiner Oma auf der Straße die Hand drückte und ihr eintausend Kronen schenkte. Ich habe es damals nicht geschafft, ihr zu danken… Dieser Krieg ist nicht nur unser Kampf. Es ist ein Kampf für die Menschenrechte und unsere gemeinsame Sicherheit.“
Ähnlich äußerte sich auch die tschechische Ukrainistin Lenka Víchová. Sie betonte, die Russische Föderation kämpfe in der Ukraine nicht nur um Bodenschätze, sondern auch um neue Bevölkerungsgruppen. Bei einer Niederlage der Ukraine, würden auch Moldawien, Georgien sowie Belarus keine Chance mehr haben, sagte die Expertin und fuhr fort:
„Wenn die Ukraine fällt, wird ein 200 Millionen Menschen zählendes Volk voller Sklaven gegen Europa stehen. Und niemand wird diese Sklaven fragen, ob sie gegen das alte Europa kämpfen wollen oder nicht.“
Víchová warnte jedoch davor, in Angst und Panik zu verfallen. Denn die Angst sei eine Waffe des Feindes, so die Ukrainistin. Sie forderte die Kundgebungsteilnehmer auf, sich ein Beispiel an dem Mut und der Ausdauer der Ukrainer zu nehmen:
„Wie wir vor drei Jahren gesehen haben, wurde die zweitgrößte Armee der Welt von einem Volk gestoppt, von dem viele behaupteten, dass es nicht existiere. Es ist wichtig, die Ukraine bei ihrem Kampf nicht zu verlassen.“
Abschließend kamen die Vertreter von Organisationen zu Wort, die die Kundgebung unter dem Titel „Společně za Ukrajinu“ (Gemeinsam für die Ukraine) organisiert hatten. Mikuláš Kroupa ist Begründer des Zeitzeugenprojektes „Paměť národa“ (Memory of Nation). Er merkte an, die eigene historische Erfahrung würde die Tschechen verpflichten, die Ukraine weiterhin zu unterstützen. Kroupa erinnerte an das Ende des Zweiten Weltkriegs und erklärte:
„Die westlichen Armeetruppen brachten Demokratie und Freiheit nach Europa. Mit der Sowjetunion kamen hingegen weiteres Verderben und Sklaverei. Die Sowjetunion hat keine Freiheit gebracht, weder 1945 noch 1948 oder 1968. Das sind die schrecklichen Erfahrungen unseres Volkes.“
Einer der sehr emotionalen Momente während der Demonstration war der gemeinsame Gesang des ukrainischen Volkslieds „Plyve kača“. Das Lied ist seit den Maidan-Protesten zu einer Trauerhymne geworden, die bei den Begräbnissen gefallener Soldaten und aller derjenigen gespielt wird, die für eine freie Ukraine ihr Leben gelassen haben.
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Tschechien und der Krieg in der Ukraine
Radio Prague International berichtet über den Krieg in der Ukraine