Notstandsgesetze statt Castor
Eigentlich hätte man erwarten können, dass die Proteste gegen den Castor-Transport in Deutschland auf Interesse der tschechischen Kommentatoren stoßen. Denn Anti-Atom-Proteste sind hierzulande eher ein Phänomen der dritten Art, etwas völlig Fremdes. Aber so schnell waren die Kommentatoren nicht. Sie kauen auch in den Montagsausgaben noch an der Ausrufung des legislativen Notstandes herum, mittels dessen die Regierung ihre Spargesetze - an der Opposition vorbei - durchgepeitscht hat.
„Für die politische Kultur ist es aber wichtig, auf welche Weise die Regierung mit der Opposition bei den für das nächste Jahr geplanten systematischen Reformen zusammenarbeiten möchte. Eine Politik der kurzfristigen Kürzungen kann man manchmal vielleicht mit Kraft durchsetzen; beim Aufstellen eines Reformkonzeptes für die Rente, das Gesundheitswesen, das Steuersystem, den Arbeitsmarkt usw. muss sich die Regierung aber um einen Dialog mit der Opposition bemühen. Denn sonst droht, dass gleich nach den nächsten Wahlen alles wieder zurückgedreht wird. Und die Abschaffung einer in Kraft getretenen Politik im Rhythmus von vier Jahren kommt die Gesellschaft teuer zu stehen.“
Petr Uhl von der linksliberalen Tageszeitung Právo geht darauf ein, dass die Sozialdemokraten gegen diesen legislativen Notstand Verfassungsbeschwerde einreichen wollen. Zuletzt hatte Präsident Klaus – der ja mit dem Verfassungsgericht langfristig auf Kriegsfuß steht - die Absicht der ČSSD als „Ende der Demokratie“ bezeichnet. Kommentator Uhl meint:„Nicht nur eine Einzelperson, sondern auch eine politische Partei kann mit einer Beschwerde ihre Verfassungsrechte einklagen. Die Ausrufung des legislativen Notstandes, um die parlamentarische Debatte über einen Gesetzesentwurf abzuwürgen, ist undemokratisch, denn nach dem Gesetz hat es sich nicht um einen Notstand gehandelt. Aber sich beim Verfassungsgericht nur über die Ausrufung des legislativen Notstandes zu beschweren, geht nicht. Das Verfassungsgericht befasst sich nicht mit der Missachtung eines Gesetzes, sondern mit der Störung der verfassungsmäßigen Ordnung.“
Erst müssten die betreffenden Gesetze in Kraft treten, damit das Verfassungsgericht eine Verletzung der Verfassung untersuchen kann, schreibt Petr Uhl und konstatiert in Richtung Präsident Klaus:
„(…) seine Berater sollten ihm sagen, dass das Verfassungsgericht nicht alles darf; es kann nur das anfechten, was in Widerspruch zur verfassungsmäßigen Ordnung steht.“