Oben Konzertsaal, unten Eisengroßhandel: die Verwandlungen des Palais Fürstenberg
Palais Palffy, Palais Ledebour, Palais Waldstein, Palais Thun – so heißen nur einige der Herrensitze auf der Prager Kleinseite. Am bekanntesten und größten ist zweifelsohne das Palais, das Feldherr Waldstein erbauen ließ und in dem heutzutage das Oberhaus des tschechischen Parlaments tagt. Die Mehrheit der einstigen Herrensitze erhielt ihr heutiges Aussehen erst im 18. Jahrhundert. Dies gilt auch für das Palais, zu dem ein herrlicher Terrassengarten gehört und das unweit der U-Bahn-Haltestelle Malostranská gegenüber dem Waldstein-Garten steht. Über dem Palais flattert heutzutage die polnische Fahne. Denn im Palais Fürstenberg, wie diese Barockresidenz heißt, hat seit der Ersten Republik die polnische Botschaft ihren Sitz.
Die Grundstücke unter der Prager Burg, wo in der Zeit von Karl IV. Wein angebaut wurde, gehörten im Mittelalter dem St. Georg-Kloster. Nach den Hussitenkriegen ist das Stift ärmer geworden und vermietete einige seiner Besitzungen, erzählt der Leiter des Archivs der Hauptstadt Prag, Václav Ledvinka:
„Nach dem Jahr 1541, nach dem Großbrand, dem ein Teil der Prager Burg und mehrere Gebäude auf der Kleinseite zu Opfer fielen, hat das Kloster seine Grundstücke allmählich verkauft. Die ersten Besitzer waren die Prager Stadtbürger.“Der erste adelige Besitzer des Grundstücks war der kaiserliche Rat Václav Berka von Dubá / Dauba, der Ende des 16. Jahrhunderts die Grundstücke samt den dazu gehörenden Gärten kaufte. Er ließ dort den ersten Renaissancepalast erbauen. Das Palais gehörte der Familie Berka von Dubá bis 1714.
„Interessant ist, dass schon vor dem Bau des Waldstein-Palais unter der Burg eine Residenz mit so großen Gärten erbaut wurde. Denn in der Renaissancezeit waren diese eigentlich noch nicht in Mode. Berka von Dubá kaufte den ganzen Abhang unter der Burg und legte dort einen Garten an, der Jahrhunderte lang erhalten geblieben ist.“
Nachdem die Familie Berka ausgestorben war, erbten die Grafen von Vrbno den Palast. Sie ließen das bis heute erhaltene prunkvolle Tor im Gebäude errichten. Bald verkauften die Grafen das Palais aber weiter. Den endgültigen Umbau des Palastes ließen erst seine nächsten Besitzer durchführen, sagt Václav Ledvinka:
„Graf Václav Kazimír Netolický von Eisenberg verwandelte um 1740 den Palast in jene Barockresidenz, die bis heute hier steht.“1822 kaufte aber der Mann das Palais, der ihm seinen Namen verliehen hatte: Der Staatsmann Fürst Karl Egon II. von Fürstenberg. Der Fürst war ein großer Kunstmäzen und Mitglied der Königlichen Gelehrtengesellschaft.
„Als Ziergarten gestaltete Fürstenberg erstaunlicherweise den Terrassengarten auf dem Abhang unter der Burg. Den unteren Teil des Parks nutzte der Fürst eher zu wirtschaftlichen Zwecken. Fürstenberg besaß Eisenwerke in Nižbor unweit der Burg Křivoklát / Pürglitz. Der untere Garten sowie das Erdgeschoss des Palastes dienten zu seiner Zeit als Magazin und zugleich dem Großhandel mit Produkten aus der Fürstenbergischen Hütte.“
Fürstenberg trug maßgeblich zur Entwicklung der Industrie in Böhmen bei. Er betrieb auch die Pferdebahn, die aus den Wäldern von Křivoklát nach Prag führte. Als Mäzen beteiligte er sich finanziell an der Gründung des Nationalmuseums. In seinem Palais hatte er jedoch nicht nur ein Lager mit Metallprodukten, sondern auch eine große Bibliothek eingerichtet. Den prunkvollen Barocksaal im ersten Stock nutzte Kunstmäzen Fürstenberg für Konzerte und Empfänge. Eine Tradition, die der heutige Mieter des Palastes, die polnische Botschaft, fortsetzt. Kurz nach der Entstehung der Tschechoslowakei verkauften die Fürstenbergs das Gebäude dem tschechoslowakischen Staat. Zuvor ließen sie aber die umfangreiche Bibliothek nach Křivoklát übersiedeln. Seit 1934 hat die polnische Botschaft im Palais Fürstenberg ihren Sitz. Eine polnische Vertretung gab es in der Tschechoslowakei bereits 1919: Die Botschaft war damals im Palais Kinski auf dem Altstädter Ring untergebracht; dort, wo heutzutage die Nationalgalerie einen Teil ihrer Sammlungen ausstellt.Bevor die Fürstenbergische Residenz an Polen vermietet wurde, diente sie verschiedenen Zwecken. In den 1920er Jahren gehörte der Palast dem Sozialministerium. Aus dieser Zeit sind einige Fotos erhalten geblieben. Darauf sind Beamte zu sehen, die im Barocksaal unter der mit Fresken verzierten hohen Decke wie in einem modernen Großraumbüro arbeiten.
Auch wenn die polnische Botschaft heutzutage die meisten Konzerte im Polnischen Kulturinstitut in der Altstadt veranstaltet, lädt sie von Zeit zu Zeit zu Konzerten auch in das Palais Fürstenberg oder den großen umliegenden Garten ein. Ein großes Happening mit Hunderten von Teilnehmern spielte sich im Palais und Garten beispielsweise im Juni 2009 ab: anlässlich des 20. Jahrestags der ersten freien Wahlen in Polen wurde unter der Prager Burg ein Freiheitsfest mit zahlreichen Bands und Sängern aus Tschechien und Polen veranstaltet. Das Tor des Gartens war ausnahmsweise für die Bürger geöffnet. Den polnischen Diplomaten gefällt die Fürstenbergische Residenz auf der Kleinseite sehr gut. Polen hat schon sein Interesse bekundet, den Fürstenberg-Palast von Tschechien zu kaufen. Darüber haben vor kurzem die Außenminister der beiden Länder beraten. Ein Verkauf ist jedoch vorläufig unmöglich, unter anderem aus dem einfachen Grund, weil das Kulturministerium und der Stadtbezirk Prag 1 einen Rechtstreit über die Eigentümerschaft an dem Gebäude führen.Damit sind wir fast am Ende des heutigen Spaziergangs durch Prag angelangt. Anfangs haben wir erwähnt, dass die Grundstücke unter der Prager Burg einst dem St. Georg-Kloster gehörten. Falls Sie wissen, in welchem Jahrhundert dieses Kloster, das auf der Burg steht, gegründet wurde, können Sie es uns schreiben. Denn so lautet unsere heutige Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Ihre Zuschriften richten Sie bitte an Radio Prag, Vinohradská 12, PLZ 120 99 Prag 2.
In unserer Sendung vom August über das Salesianerzentrum in Prag fragten wir Sie danach, welche Diözese Bischof Štěpán Trochta leitete, der die Entstehung des Salesianerzentrums in Kobylisy initiiert hatte. Die richtige Antwort ist: Litoměřice / Leitmeritz. Ein Buch geht diesmal an Dr. Franz Hartmann aus München.