ODS-Gremium berät über Absetzung von Parteichef Topolánek
In solch einer Krise so kurz vor den Wahlen hat sich wohl noch keine Partei in Tschechien befunden, wie jetzt die ODS. Alles ging Schlag auf Schlag. Am Sonntag waren die umstrittenen Äußerungen von Bürgerdemokraten-Chef Topolánek über Verkehrsminister Slameča als Homosexuellen und Premier Fischer als Juden, über die Kirche und über den Charakter der Tschechen an die Öffentlichkeit gedrungen. Am Montag schon hatte der ODS-Politiker und Senatsvorsitzende Přemysl Sobotka vor laufenden Kameras Topoláneks Rücktritt gefordert. Seit dem frühen Dienstagmorgen berät das Parteigremium über das politische Schicksal des ODS-Chefs.
Es war ein Alleingang, den das langjährige ODS-Mitglied, der Senatsvorsitzende Přemysl Sobotka, sich da erlaubt hat. Am Montag trat er auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz vor die Kameras. Das Thema: das politische Schicksal seines Parteichefs Mirek Topolánek.
„Ich habe mich detailliert mit den jüngsten Äußerungen von Mirek Topolánek befasst und bin entrüstet über ihren Inhalt. Dieser Stil steht in grundsätzlichem Widerspruch zu den Idealen und dem Denken der ODS. Solche Äußerungen beschädigen meiner Ansicht nach die ODS und spielen dem zunehmenden Populismus der Sozialdemokraten in die Hände. Deshalb empfehle ich Mirek Topolánek von seiner Kandidatur bei den anstehenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus zurückzutreten und ebenso sein Wirken als Parteichef zu überdenken.“
Sobotka ist zwar nicht Mitglied der engeren Parteiführung, aber er ist alles andere als ein Leichtgewicht in der ODS. Schon seit Mitte der 90er Jahre sitzt er für die Bürgerdemokraten im Senat. Seit 2004 ist der aristokratisch wirkende Sobotka Vorsitzender des Senats. Dem Aufruf zum Rücktritt haben sich andere bekannte Gesichter der Partei angeschlossen. So der frühere Europaminister und heutige Senator Alexandr Vondra und die stellvertretende Chefin des Abgeordnetenhauses Miroslava Němcová.
Der parteiinterne Rivale von Topolánek, der Prager Oberbürgermeister Pavel Bém, bemühte sich um Schadensbegrenzung für die Partei. Vor der Presse erklärte Bém, die Äußerungen seien unglaublich, absolut unglücklich und beschädigten hauptsächlich den ODS-Chef selbst. In der Rücktrittsfrage hielt sich Bém jedoch zurück; auch wenn es ihm vielleicht schwer fiel:
„Der Rücktritt eines Parteivorsitzenden zwei Monate vor den Wahlen kann nichts außerordentlich Gutes bringen – nur Verwirrung, Chaos und Diskussion.“
Um 14 Uhr (Redaktionsschluss) waren die Verhandlungen des ODS-Gremiums noch nicht abgeschlossen. Es gibt noch keine Informationen, ob man sich bereits mit der Nachfolgefrage befasst oder ob man hingegen noch bemüht ist, Mirek Topolánek im Amt des Parteichefs zu retten. Fest steht wohl: Einen ausdruckstarken, integrativen Führungstyp, der die Partei in diesen stürmischen Wahlkampfzeiten unter seinen Fittichen einigen könnte, den haben die Bürgerdemokraten nicht.