OECD-Studie: Schlechte Noten für tschechische Schüler bei der praktischen Anwendung von Wissen

Die Schule

Von Silja Schultheis.

Die sog. "Pisa"-Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), deren Ergebnisse in den vergangenen Tagen in Deutschland für heftige Aufregung sorgte, ist auch für tschechische Schulspezialisten nicht gerade schmeichelhaft. Ergab die im Jahr 2000 durchgeführte Untersuchung von weltweit mehr als 260.000 Schülern im Alter von 15 Jahren doch, dass die tschechischen Pennäler Schwierigkeiten haben, unbekannte Texte in ihrer Muttersprache zu erfassen und zu interpretieren. Im Vergleich zu Schülern aus 31 anderen Ländern belegten die tschechischen Schüler hier lediglich den 19. Platz - schnitten damit jedoch besser ab als ihre deutschen Altersgenossen. Schulminister Eduard Zeman führt dies in erster Linie auf die mangelnde Ausbildung der Lehrer zurück - ein Erklärungsansatz, der nach Auffassung der tschechischen Koordinatorin der OECD-Umfrage, Frau Dr. Strakova aus dem tschechischen Schulministerium, zu kurz greift:

"Ich denke, daran ist im wesentlichen unser gesamtes Bildungssystem an den Schulen schuld, das - wie wir alle gut wissen - vor allem auf den Erwerb von viel Wissen ausgerichtet ist und nicht auf dessen praktische Anwendung in unbekannten Situationen oder im täglichen Leben. Und das ist bei der Umfrage besonders dort zum Ausdruck gekommen, wo die Schüler beispielsweise in einem unbekannten Text irgendwelche Informationen suchen oder eine eigene Meinung einnehmen und diese verteidigen sollten."

Dass das tschechische Schulwesen stark auf den Erwerb von Wissen ausgerichtet ist und dabei dessen praktische Anwendung häufig zu kurz kommt, ist bei weitem keine neue Erkenntnis. Frau Dr. Strakova betont in diesem Zusammenhang, dass bereits 1995 in einer Umfrage die tschechischen Schüler auf ihre Fähigkeit geprüft wurden, fremde Texte zu verstehen. Die Ergebnisse seien denen der jüngsten OECD-Umfrage äußerst ähnlich gewesen. An der Praxis in tschechischen Schulen habe sich seitdem dennoch wenig geändert. Gibt es im tschechischen Schulministerium Anzeichen dafür, dass aufgrund der jetzt veröffentlichten Umfrage-Ergebnisse Veränderungen ins Haus stehen?

"Sicherlich wird darüber diskutiert. Denn gegenwärtig ist ein neues Bildungsrahmenprogramm für Grund- und Mittelschulen in Arbeit. Es wird sehr darauf ankommen, ob dieses Programm tatsächlich den Schwerpunkt auf die Anwendung von Kenntnissen legt. Und darauf, dass dann auch die Lehrer in Einklang mit diesem Programm Hilfestellungen erhalten, wie sie konkret die praktische Anwendung von Kenntnissen im Unterricht fördern können."

Bislang liegt noch keine definitive Version des geplanten neuen Bildungsrahmenprogramms vor. Und da über die Notwendigkeit von Veränderungen im Bildungswesen in Tschechien in den letzten Jahren immer viel geredet wurde, ohne dass dies praktische Folgen gehabt hätte, lässt Frau Dr. Strakova bislang nur sehr vorsichtig die Hoffnung erkennen, dass dies diesmal anders wird.

Interessant wäre - nebenbei bemerkt - sicherlich auch eine Antwort auf die Frage, warum deutsche Schüler im Verstehen und Interpretieren fremder Texte deutlich schlechter abschneiden als ihre tschechischen Altersgenossen - obwohl doch das Schulsystem in der Bundesrepublik deutlich stärker auf die Anwendung von Kenntnissen ausgerichtet ist.