Österreichischer Bundeskanzler zu Besuch auf der Burg

Von links: Alfred Gusenbauer, Mirek Topolanek und Karel Schwarzenberg

Der noch recht frischgebackene österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer war am Dienstag zu Besuch auf der Prager Burg. Man gab sich freundschaftlich. Trotzdem warf das südböhmische Atomkraftwerk Temelin seine Schatten bis nach Prag. Christian Rühmkorf berichtet.

Von links: Alfred Gusenbauer,  Mirek Topolanek und Karel Schwarzenberg
Der Journalist vom Tschechischen Fernsehen hat eben seine Frage nach tschechischen Reaktionen auf kommende Grenzblockaden beendet, da ist Topolanek auch schon verärgert. Ihn überrasche es nicht einmal, dass, obwohl 99,9 Prozent der Streitpunkte zwischen beiden Ländern gelöst bzw. relativ unproblematisch seien, die Jounalisten eher nach Blut spürten, nach dem, was nicht gut laufe. Er wünsche sich sehr, dass man sich mit dem befasse, was funktioniere. Was er natürlich bei Jounalisten nicht voraussetzen könne. Zumal auf einer Pressekonferenz! - möchte man ihm zurufen. Aber sei es drum. Es war jedenfalls heraus. Nicht ganz freiwillig, aber gesagt ist gesagt: Was Temelin betrifft, ist es nicht sonderlich gut gelaufen. Aber immerhin ist man hinsichtlich der Blockaden vorsichtig miteinander umgegangen, wie Topolanek erklärt:

"Wir wollen uns nicht gegenseitig vor einen internationalen Gerichtshof ziehen, sondern Lösungen finden. In dieser Hinsicht nehmen wir diese Aktionen nicht als Aktionen der österreichischen Regierung wahr."

Aber auch Gusenbauers Säckl ist nicht leichter. Im Gegenteil. Ihm sitzen die Grenzblockierer, ein breiter Anti-Atomkonsens im Nationalrat und sein eigenes Wahlversprechen einer so wörtlich "Nullvariante" für Temelin im Nacken - doch er lächelt gebräunt in die Kameras. Man hat Auswege gefunden: Der erste bestand darin, die 99,9 Prozent thematischer Einigkeit zu festigen und zu demonstrieren. Der zweite Ausweg: mehr Transparenz, wie der österreichische Bundeskanzler ausführt:

"Wir haben uns daher auch darauf verständigt, dass es eine interparlamentarische Kommission geben soll zwischen dem österreichischen und dem tschechischen Parlament, die sich vor Ort in Temelin mit den Sicherheitsstandarts des Kernkraftwerkes auseinandersetzt, damit die Parlamente auch die Möglichkeit bekommen, an dem Melker Prozess teilzunehmen."

Eine interparlamentarische Kommission - das ist gar nicht mal so ungeschickt. Ist es doch der Nationalrat, der ihm mit seiner Forderung nach völkerrechtlichen Schritten gegen die Tschechische Republik das Leben schwer macht. Bleibt noch das Wahlversprechen. Aber das lässt sich vielleicht gerade dadurch neutralisieren, dass die Volksvertreter selbst in die Verantwortung genommen werden. Gusenbauer spricht von einer "Parlamentarisierung des Melker Prozesses". Ist es nun erfüllt, das Melker Abkommen, seit Temelin Ende vergangenen Jahres voll in Betrieb ist? Gusenbauer umschifft das Kernproblem. Topolanek hingegen erklärt deutlich:

"Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass alle Punkte des Melker und Brüsseler Abkommens über den Standart hinaus erfüllt worden sind. Auch was die Transparenz hinsichtlich der Unterlagen zur Inbetriebnahme bzw. der Bauabnahme betrifft."

Nun muss man Gusenbauer zugute halten, dass er am Dienstag gleichzeitig seinen Antrittsbesuch in Tschechien absolviert hat. Dass da die Atomkraft nicht das einzige Thema sein kann, ist verständlich. Und dennoch: österreichische Atomkraftgegner haben ein Ultimatum gesetzt und das ist mit der Rückreise des Bundeskanzlers verstrichen. Für Mittwoch wirft man in Österreich schon die Dieselmotoren an und bringt die Traktoren und Lkws an der Grenze in Stellung.

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