Olympia: Ruderer steuern zweimal Edelmetall zur Medaillenausbeute bei

Miroslava Knapková (Foto: ČTK)

Bevor die Olympischen Sommerspiele in London vor zwölf Tagen eröffnet wurden, hat man sich in Tschechien wiederholt die Frage gestellt: Wie viele Medaillen werden die Sportler mit nach Hause bringen? Sechs bis acht Mal Edelmetall wird es geben, prognostizierte die Mehrzahl der Fachjournalisten in der einschlägigen Tagespresse. Nach 11 von insgesamt 16 Wettkampftagen bleibt festzuhalten: Mit fünf Medaillen liegen die Athletinnen und Athleten im Soll. Radio Prag stellt Ihnen die bisherigen Edelmetallträger aus Tschechien vor.

Kateřina Emmons  (Foto: ČTK)
Als relativ kleine Sportnation hat die Tschechische Republik keine Medaillenchancen im Dutzend wie sie führende Länder wie China, die USA oder Deutschland haben. Deshalb fiebert man hierzulande vielleicht noch ein Stückchen intensiver mit, wenn Sportler antreten, auf denen Medaillenhoffnungen ruhen. Umso größer ist die Enttäuschung dann, wenn die ersten Träume platzen und fast sichere Kandidaten die Medaille nur knapp verfehlen. So wie die Olympiasiegerin von Peking im Luftgewehrschießen, Kateřina Emmons: sie musste sich diesmal mit dem undankbaren vierten Platz begnügen. Auch deshalb mussten die Tschechen bei diesen Spielen ungewohnt lange auf die erste Medaille warten. Erst am fünften Wettkampftag wurde sie in einer Sportart geholt, in der Tschechien seit der Trennung von der Slowakei im Jahr 1993 noch stets mit mindestens einer Medaille von den Spielen zurückkehrte: im Wildwasser-Kanuslalom. Diesmal blinkt sie silbern und wurde von Vavřinec Hradilek im Kajak-Einer der Männer gewonnen. Im Finalrennen musste sich der 25-jährige Prager zwar dem Italiener Daniele Molmenti knapp geschlagen geben, doch das tat seiner Freude keinen Abbruch:

Vavřinec Hradilek  (Foto: ČTK)
„Nun, es ist zwar stets etwas anderes, wenn man gewinnt anstatt Zweiter zu werden, doch bei Olympia ist der Unterschied nicht so groß. Eine olympische Medaille hat ihren Wert, egal in welcher Legierung man sie gewinnt.“

Zudem habe er die Silberne nach einem starken Finallauf erhalten, an dem er wenig auszusetzen habe, so Hradilek:

„Meine gesamte Fahrt war wie aus einem Guss, ich habe keinen groben Fehler gemacht. Entscheidend war zudem, wie man besonders mit den Stromschnellen zurechtkam. Mir ist es gut gelungen, Gott sei Dank.“

Štěpánka Hilgertová  (Foto: ČTK)
Eine weitere Medaille im Kanuslalom konnte Tschechien zwar nicht verbuchen, doch eine Platzierung gilt es noch hervorzuheben: Im Kajak-Einer belegte die Olympiasiegerin von Atlanta und Sydney, Štěpánka Hilgertová, einen tollen vierten Platz. Und das bei ihrer sechsten Olympiateilnahme im Alter von 44 Jahren – Hut ab!

Der größte Applaus aber wurde dieser Tage in Tschechien einer anderen Wassersportlerin zuteil: der Ruderin Miroslava Knapková. Der Grund dafür liegt auf der Hand, denn in ihrer Disziplin, dem Einer der Frauen, hat die Brünnerin die bislang einzige Goldmedaille für das Land erkämpft. Und kämpfen musste sie dabei nicht nur gegen die starke Konkurrenz, sondern auch gegen eine hartnäckige Bauchmuskelverletzung. Auf Rat eines anerkannten Physiotherapeuten sollte sie daher ihre Rudertechnik etwas umstellen – ein Umstand, der letztlich auch zu ihrem Erfolg beigetragen hat, so Knapková:

Miroslava Knapková  (rechts). Foto: ČTK
„Ich habe versucht, mein Handicap zu kompensieren, indem ich meine Technik etwas verändert habe. Weil ich die Riemenruder nicht voll durchziehen konnte, habe ich darauf geachtet, dass sie gut durch das Wasser gleiten und mein Tempo dadurch gleichmäßiger ist. Für einen Laien sah es dann wohl so aus, als ob ich ohne Mühe rudern würde.“

Das aber war ganz gewiss nicht der Fall, versicherte die Olympiasiegerin. Als Beleg dafür, wie viel Kraft ihr das Rennen gekostet hatte, schildert sie den Moment kurz nach ihrer Zieldurchfahrt:

Miroslava Knapková  (Foto: ČTK)
„Als ich die Ziellinie überfahren hatte, wollte ich vor Freude beide Arme in die Höhe strecken. Das habe ich aber schnell gelassen, denn ich hatte mächtig Bammel davor, aus dem Boot zu kippen und baden zu gehen. Das wollte ich aber lieber vermeiden.“

Zur Verblüffung vieler ausländischer Journalisten gab Miroslava Knapková nach der Siegerehrung zu verstehen, dass sie erst mit 19 Jahren zum Rudersport gekommen ist. Das habe sie jedoch nicht davon abgehalten, hart an sich zu arbeiten mit dem Ziel, eines Tages auch den verdienten Lohn dafür zu empfangen. Im vorigen Jahr errang Knapková ihren ersten WM-Titel, nun ist die 31-Jährige auch noch Olympiasiegerin:

„Das ist einfach phantastisch. Ich rudere jetzt schon über zehn Jahre auf einem sehr hohen Niveau, doch mein Traum, einmal ganz oben auf dem Siegerpodest zu stehen, wollte sich lange Zeit nicht erfüllen. Deshalb bin ich überglücklich, es nun geschafft zu haben. Einige sprachen schon davon, dass ich am Ende meiner Karriere sei, doch ich habe gezeigt, dass ich gerade auf ihrem Gipfel angekommen bin.“

Ondřej Synek  (Foto: ČTK)
Den Gipfel besteigen wollte auch der zweite starke Vertreter aus Tschechien im Einer-Rudern, der 29-jährige Ondřej Synek. Wie Miroslava Knapková ist auch Synek schon einmal Weltmeister geworden, der Olympiasieg allerdings war ihm auch diesmal nicht vergönnt. Wie 2008 in Peking gewann Synek Silber und hatte nur auf einen Kontrahenten das Nachsehen – diesmal auf den fünffachen Weltmeister Mahé Drysdale aus Neuseeland:

„Wenn ich nicht Erster werde, bin ich stets unzufrieden. Andererseits bin ich glücklich darüber, die Silbermedaille gewonnen zu haben. Der Neuseeländer war heute einfach besser, das war klar zu sehen. Er war nicht nur um ein paar Zehntel schneller als ich, sondern lag im Ziel eine ganze Bootslänge vor mir, das war deutlich“, sagte Synek.

Nichtsdestotrotz ist der Modellathlet aus Brandýs nad Labem stolz darauf, zum guten Abschneiden der tschechischen Ruderer beigetragen zu haben. Olympiasiegerin Knapková hofft daher jetzt auf den neuen Vorbildeffekt:

Adéla Sýkorová  (Foto: ČTK)
„Ich hoffe, dass unser Sport durch die olympischen Medaillengewinne von Ondra und mir etwas mehr ins Bewusstsein der Leute gelangt, sich ihr Interesse daran erhöht und nun auch wieder mehr Kinder zum Rudern kommen. Ich hoffe also, dass sich die Basis für den Rudersport in Tschechien verbreitert und er von noch mehr Leuten betrieben wird.“

Von der olympischen Medaillenbilanz aus gesehen gehört auch das Schießen zu den erfolgreichen Sportarten in Tschechien. Beim Schießen sind allerdings ganz andere Eigenschaften gefragt als in den meisten anderen Sportarten, allen voran Nervenstärke und Konzentration. In London ist es der 25-jährigen Adéla Sýkorová aus tschechischer Sicht am besten gelungen, diese Vorzüge auch abzurufen. Im Frauen-Wettbewerb Dreistellungskampf mit dem Kleinkaliber-Sportgewehr hat sie die drittbeste Trefferquote erzielt und damit Bronze gewonnen. Um das zu schaffen, legte sie sich im Finaldurchgang dann auch eine ganz bestimmte Taktik zurecht:

Adéla Sýkorová  (Foto: ČTK)
„Ich habe versucht, mich maximal zu konzentrieren und überhaupt nicht daran zu denken, dass ich weit vorn landen könnte. Damit wollte ich eine übermäßige Nervosität vermeiden, und das ist mir dann auch gelungen.“

Dennoch, nach jedem der zehn Finalschüsse wurde es etwas lauter in der Schießhalle und der Hauptkampfrichter gab fortlaufend die Zwischenergebnisse durch. Konnte man sich da wirklich konzentrieren? Adéla Sýkorová hat jedoch auch dafür eine Lösung gefunden:

Andrea Hlaváčková und Lucie Hradecká  (Foto: ČTK)
„Nun, ich habe stets etwas vor mich hergesungen und damit auch versucht, die Ansagen des Hauptkampfrichters einfach zu überhören.“

Mit Erfolg, wie man gesehen hat. Im Tennis wiederum kann man die ständige Durchsage des Zwischenstands nicht überhören. Und im Gegensatz zum Schießen hat man auch seinen sportlichen Gegner ständig im Blickfeld. Erst recht, wenn es sich dabei um zwei Ausnahmespielerinnen wie die amerikanischen Williams-Schwestern handelt, die im Damen-Doppel seit Jahren das Maß aller Dinge sind. Nach ihren Olympiasiegen von Sydney und Peking wollten Serena und Venus Williams in London den Hattrick perfekt machen. Im Finale konnte das nur noch das tschechische Doppel mit Andrea Hlaváčková und Lucie Hradecká verhindern. Die beiden Pragerinnen boten dann auch eine beherzte Leistung, doch am Ende unterlagen sie in beiden Sätzen mit 4:6. Andrea Hlaváčková wusste danach zunächst nicht, ob sie sich nun mehr ärgern oder freuen sollte:

Venus und Serena Williams  (Foto: ČTK)
„Natürlich ist es schade, dass wir nicht Gold gewinnen konnten. Es ist aber Schicksal, dass ausgerechnet die Williams-Schwestern unser Finalgegner waren. Gegen sie haben wir es fünfmal versucht, zu gewinnen, aber ohne Erfolg. Doch das ging vielen anderen genauso. Es ist schade, aber wir haben alles gegeben.“

Lucie Hradecká äußerte dazu nur noch einen kleinen Wunsch:

„Ich denke auch, dass wir unser Maximum gegeben haben, mehr geht leider nicht. Ich weiß nicht, was wir uns im nächsten Spiel gegen die beiden noch einfallen lassen müssen. Das Beste wäre wohl, wenn sie aufhören würden.“

Foto: LOGOS
Die fünf Medaillen, die von tschechischen Sportlern bei Olympia bisher erobert wurden, haben also ganz unterschiedliche Emotionen bei deren Gewinnern ausgelöst. Und wer weiß, vielleicht kommt bis zum Sonntag noch die eine oder andere Emotion hinzu, denn besonders in der Leichtathletik haben zwei, drei Athleten aus Tschechien noch sehr gute Medaillenchancen.

Autor: Lothar Martin
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