Opencard: Polizei ermittelt gegen Prager Stadtrat

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Die Opencard ist ein Stück Plastik in Form einer Kreditkarte. Mit ihr kann man in Prag den öffentlichen Nahverkehr nutzen, in der Stadtbibliothek Bücher ausleihen und bekommt in vielen öffentlichen Institutionen Rabatte auf den Eintritt. Es sollte eine Art Bürgerkarte für die Stadt Prag werden, ist bislang aber nur ein finanzielles Desaster, für das sich die politischen Verantwortlichen gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben. Am Dienstag eröffnete die Polizei nun ein neues Kapitel in dieser Geschichte aus Pleiten und Pannen: sie reichte Klage gegen den kompletten Prager Stadtrat ein.

Bohuslav Svoboda,  foto: ČTK
Als die Prager Ratsfrauen und -herren am Dienstagmorgen in ihren Sitzungssaal wollten, erwartete sie eine Überraschung. Mehrere Polizisten blockierten den Eingang und baten die Mitglieder der Prager Stadtregierung in einen Nebenraum. Dort wurde ihnen mitgeteilt, dass die Polizei nun ein Ermittlungsverfahren gegen sie führt. Auch Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda (ODS) ist unter den Beschuldigten:

„Jetzt wird in der Angelegenheit von der Polizei ermittelt. Nach Verhandlungen mit dem gesamten Rat habe ich entschieden, gegen dieses Ermittlungsverfahren Beschwerde einzulegen, vor allem gegen das Vorgehen der Polizei. Alle Mitglieder des Stadtrates von ODS und Top 09 haben sich dieser Beschwerde angeschlossen.“

Konkret wirft die Polizei der Prager Stadtregierung vor, im vergangenen Jahr einen Auftrag ohne öffentliche Ausschreibung an die Firma Haguess vergeben zu haben. Das Unternehmen ist für die Bereitstellung der Infrastruktur und der Software für die Opencard zuständig. Den Auftrag hatte sie von der vorherigen Koalition aus ODS und Sozialdemokraten (ČSSD) erhalten. Und dieser Vertrag ist laut der Stadträtin für Informationstechnologie, Eva Vorlíčková, die Wurzel des Übels:

Eva Vorlíčková  (in der Mitte),  foto: ČTK
„Wir standen vor der Entscheidung, ob wir die von der Vorgängerregierung geleisteten, absurd hohen Zahlungen von 1,25 Milliarden Kronen (50 Millionen Euro) abschreiben, oder ob wir versuchen, die vertraglichen Bedingungen mit der Firma Haguess zu verbessern. Nach langen und anstrengenden Verhandlungen haben wir einen neuen Vertrag geschlossen, der die Prager Bürger pro Jahr nur 28 Millionen Kronen (1,12 Millionen Euro) kostet. Und dafür erhalten wir Dienste, die für den Betrieb der Karte nötig und unvermeidlich sind.“

Jenen Auftrag, den die Polizei nun beanstandet, habe man aber aufgrund der ursprünglichen Verträge an die Firma Haguess vergeben müssen, so Vorlíčková:

„Die Firma Haguess ist Halter der Urheberrechte und einige Tätigkeiten müssen daher von ihr erledigt werden. Diese Vertragsbedingungen aus dem Jahr 2006 wurden laut einem Rechtsgutachten schlecht geregelt. Ich glaube daher, wenn sich nun bei der laufenden Untersuchung Unregelmäßigkeiten auftun, dann ist dafür die ehemalige Führung verantwortlich. Wir haben das Problem nur geerbt.“

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Mit den ursprünglichen Verträgen ist vor allem ein Name verbunden: Pavel Bém. Der ehemalige Oberbürgermeister von Prag wäscht seine Hände jedoch in Unschuld:

„Heute ist die Opencard siebenmal teuerer als damals. Das stinkt doch! Eine solche Ungeheuerlichkeit hätte ich niemals zugelassen, schließlich ist das extrem unvorteilhaft und teuer für Prag. Das ist nur ein weiterer Schritt, das Projekt Opencard zu diskreditieren und zu demontieren.“

Pavel Bém und der amtierende Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda sind beide Mitglieder der Bürgerdemokraten. Svoboda hatte Bém zunächst als Spitzenkandidaten bei der Stadtratswahl verdrängt und nach seinem Wahlsieg auch noch den Vorsitz der ODS in Prag übernommen – einige Kommentatoren deuten die Ereignisse daher als erneuten Machtkampf in der ODS-Parteiorganisation der Hauptstadt.