Opposition zeigt Krallen: Filibuster-Taktik vor der Vertrauensabstimmung
Zur parlamentarischen Demokratie gehört, dass eine neu gewählte Regierung um das Vertrauen der Abgeordneten bittet. Vor der entsprechenden Abstimmung im Parlament darf die Opposition all ihre Vorbehalte gegenüber dem neuen Kabinett vorbringen. In Tschechien ist die Debatte über das Regierungsprogramm allerdings immer öfter durch eine Filibuster-Taktik der Opposition geprägt.
„Im Einklang mit der Verfassung ersuche ich um die Bekundung des Vertrauens.“
Mit diesen Worten schloss Premier Petr Fiala am Mittwoch vor den Abgeordneten seine Rede zu Beginn der Debatte über die Regierungserklärung. Da ahnte der Bürgerdemokrat noch nicht, dass seine Vertrauensfrage auch 24 Stunden später noch nicht beantwortet sein würde. Die Debatte begann um 9 Uhr und wurde rund 22 Stunden lang intensiv geführt, bevor sie am Donnerstagmorgen auf Antrag der Rechtsaußen-Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) unterbrochen wurde. Damit ist sie bereits jetzt das längste Vorgeplänkel zu einer Vertrauensabstimmung im tschechischen Parlament – und auch länger als die Debatte vor vier Jahren, als der jetzige Oppositionsführer Andrej Babiš (Partei Ano) die Vertrauensfrage stellte.
Dabei bewarb Petr Fiala das Regierungsprogramm mit vielversprechenden Worten:
„Es ist ein realistisches Programm, sowohl was die Erfüllung der Ziele als auch die Finanzen und die gesellschaftlichen Kosten betrifft. Wir sind keine Populisten und wollen auch nichts versprechen, was wir nicht halten können.“
Die Opposition konnte solchen Argumenten indes nichts abgewinnen. Im Gegenteil, in jedem Redebeitrag hagelte es von ihrer Seite Kritik an den Vorhaben der Regierung, beginnend bei Ano-Parteichef Andrej Babiš:
„Wir können wirklich keine Regierung unterstützen, die die Bürger vorsätzlich täuscht. Eine Regierung, die etwas verspricht, was sie nie erfüllen kann, und anstelle von konkreten Lösungen nur abgedroschene Phrasen und nichtsagende Floskeln anbietet.“
Im selben Kontext, nur mit anderen Worten traten auch die anderen Abgeordneten der Oppositionsparteien Ano sowie der SPD vor das Plenum. Und weil ihre Redezeit nicht begrenzt war, zog sich die Debatte bis in die frühen Morgenstunden des Donnerstag. Im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen verwies der Politologe Lukáš Valeš darauf, dass dies durchaus rechtens sei:
„Es ist die ungeschriebene Pflicht der Opposition, es der Regierung so schwer zu machen wie möglich. Und sie muss zeigen, dass sie trotz ihrer schwächeren Position in der Lage ist, dem Kabinett das Leben schwer zu machen. Gleichzeitig muss sie sich auch medial ins Gespräch bringen.“
Laut Valeš war die jüngste Debatte zur Vertrauensabstimmung sogar noch ein „schwacher Aufguss“ parlamentarischer Versammlungen der älteren Vergangenheit, einschließlich jener in der Habsburger Monarchie. Da seien auch schon mal die Fäuste geflogen, so der Politologe.
Auffallend bei der Debatte am Mittwoch war, dass sich die Abgeordneten der Koalitionsparteien bis in die Nachtstunden mit Wortbeiträgen vornehm zurückhielten. Dazu sagte die Abgeordnetenhauschefin und Vorsitzende der Partei Top 09, Markéta Pekarová Adamová, am Abend in einer Live-Schalte des Tschechischen Fernsehens:
„Die Kritik der Opposition ist zumeist unsachlich. Wenn wir dann aber der Vertrauensabstimmung näher kommen, rechne ich damit, dass auch einige Minister ans Rednerpult treten werden.“
Das letzte Wort in der Debatte aber hatte vorerst Tomio Okamura, der Vorsitzende der Partei „Freiheit und direkte Demokratie“. Am Donnerstagmorgen beantragte er eine Unterbrechung des Redemarathons, nachdem er zuvor schon eine Sondersitzung der Abgeordneten erfolgreich beantragt hatte. Bei dieser Sitzung soll die Koalitionspartei Stan ihre Finanzierung offenlegen.
Mit diesen Tricks und Obstruktionen wird der Regierung das Leben tatsächlich schwer gemacht. Und Marek Výborný, der Fraktionschef der Christdemokraten, verabschiedete sich zudem von der Vorstellung, dass Andrej Babiš sein eigenes Wort halten könnte. Dazu sagte Výborný am Donnerstagmorgen in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Die letzten 22 Stunden im Abgeordnetenhaus sprechen nicht dafür, dass er sein Versprechen hält, eine konstruktive Opposition anführen zu wollen. In seiner langen Rede hat er es zudem geschafft, die Tschechische Nationalbank zu beleidigen. Wenn er die Regierungskoalition angreift, ist das verständlich. Aber was er gestern geäußert hat, ist weit entfernt von dem, was er nach den Wahlen versprochen hatte.“
Angesichts der Mehrheit von 108 Mandatsträgern bei insgesamt 200 Abgeordneten besteht kein Zweifel daran, dass das Kabinett von Petr Fiala letztlich das Vertrauen erhält. Doch die Debatte vor der Abstimmung hat bereits gezeigt, dass dem Premier beim Regieren ein harter Wind entgegenblasen wird.