Orlova: Bürgerwehr anstelle der Polizei?

Orlova, foto: Lehotsky, Creative Commons 3.0

Nicht alle jungen Tschechen interessieren sich gleichermaßen für Europa. Es gibt natürlich auch solche, die sich für dieses Thema so gut wie gar nicht interessieren oder aber auch als Gegner der europäischen Integration auftreten. Die Zahl der Letzteren ist nicht dramatisch hoch, immerhin, es gibt sie! Hier ein Beispiel aus dem mährisch-schlesischen Orlova / Orlau. Jitka Mladkova berichtet:

Orlova,  foto: Lehotsky,  Creative Commons 3.0
"Domobrana!", auf Deutsch "Bürgerwehr!" Unter dieser Überschrift schlugen dieser Tage mehrere Zeitungen Alarm. In der Bergbaustadt Orlova, genauer gesagt im Stadtviertel Poruba, hat eine Gruppe Jugendlicher, die sich "Nationalwiderstand Schlesien" nennt, beschlossen, unter der Fahne der "heiligen" Nation die Gerechtigkeit in eigene Hände zu nehmen. In der vergangenen Woche verkündete ihr vermummter Sprecher auf einer Pressekonferenz: In Poruba versage die Polizei und das Rathaus kümmere sich nicht darum, dass Roma die anderen Bewohner terrorisierten. Das Fazit: Die rechtsextremen Aktivisten, etwa 20 - 30 Personen an der Zahl, deklarierten ihre Entschlossenheit, jeden Tag für rund 12 Stunden und mindestens bis Ende des Monats, Wachen zum Schutz der Mitbürger in die Straßen zu entsenden. Man wolle sich an das Gesetz halten. Jeder gefasste Täter wie z. B. ein Dieb oder ein Gewalttäter werde anschließend der Polizei übergeben, erläuterte der namenlose Mann. Das von Bürgermeister Vladimir Farana angestrebte Gespräch lehnte die Neonazi-Gruppierung jedoch ab. Die Argumentation des Bürgermeisters, mit solchen Aktivitäten würden unnützliche Emotionen in der Stadt geschürt, kam nicht gut an. Nun aber macht Orlova sogar landesweit Schlagzeilen. Auch im Tschechischen Rundfunk wurde das Geschehen in dieser Stadt thematisiert. Wie wäre die Rechtslage einzuschätzen, wenn sich die Extremisten doch in die Position der Polizei versetzen, lautete eine der diskutierten Fragen. Nach dem Urteil fragte man die Rechtsanwältin Dagmar Raupachova:

"Ihr Vorgehen könnte dann gegebenenfalls strafrechtlich verfolgt werden, da sie nicht über die Kompetenzen der Polizei verfügen. Ihre Taten könnten z.B. als Einschränkung der persönlichen Freiheit, Körperverletzung oder Rowdytum qualifiziert werden. Ich will gar nicht über die mögliche Anwendung von Waffen sprechen, die eventuell einen tödlichen Ausgang hätte."

Nachdem es ein paar Tage tatsächlich so aussah, als ob am vergangenen Samstag Möchtegern-Schutzpatrouillen in Orlova-Poruba ausrücken würden, hat man landesweit die weitere Entwicklung abgewartet. Letzten Endes ist jedoch in Poruba ein Aufgebot von rund 100 Polizisten ausgerückt. Sie haben die Rechtsextremen daran gehindert, ihren Plan umzusetzen. Doch damit ist die Sache noch nicht vom Tisch. Die Stadtväter von Orlova werden sich jetzt den Kopf über die Probleme des Stadtviertels Poruba zerbrechen müssen: Die Kriminalität, aber nicht nur die der Roma, das Aufkommen des Rechtsextremismus und natürlich die Unzufriedenheit der Stadtbürger, von denen etwa 500 vor drei Wochen eine Petition zur Errichtung einer Polizeistation in Poruba unterschrieben haben.