Parteien verlangen richtige Interpretation der Restitutionsgesetzgebung

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Einige Rechtsurteile, die mit den sog. Benes-Dekreten in Zusammenhang stehen, beherrschen seit einigen Tagen die tschechische Innenpolitik. Der Hintergrund ist eine Klagewelle des in Argentinien lebenden Frantisek Oldrich Kinsky. Kinsky will Immobilien und Grundstücke im Wert von etwa 1,3 Milliarden Euro zurückbekommen, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf Grund der Dekrete konfisziert worden waren. 157 Klagen hat er bereits eingereicht und einige davon auch schon gewonnen. In diesen Urteilen sehen Parteienvertreter einen "Bruch der Dekrete" und forderten daher einen gesetzlichen Schutz der Enteignungen. Silja Schultheis fasst zusammen.

Regierungschef Vladimir Spidla,  Foto: CTK
Vertreter aller Parteien beauftragten bei einem Treffen am Freitag Justizminister Pavel Rychetsky, beim tschechischen Höchsten Gericht eine Richtlinie für Rückgabefälle zu beantragen, die von Gerichten niedrigerer Instanzen behandelt werden. Eine Verfassungsänderung solle es entgegen ursprünglicher Spekulationen hingegen nicht geben. Denn nach Meinung des tschechischen Regierungschefs Vladimir Spidla ist die bestehende tschechische Legislative ausreichend und müsse nur richtig ausgelegt werden. Und eine solche Auslegung für Rechtsstreite um die Benes-Dekrete soll jetzt eben das Höchste Gericht vornehmen. Einverstanden mit dieser Initiative der Regierung zeigte sich auch der Vorsitzende der größten Oppositionspartei, der Demokratischen Bürgerpartei (ODS), Mirek Topolanek:

"Wir sind willens, uns an allen Lösungen zu beteiligen, die zur Rechtssicherheit unserer Bürger und Institutionen führen und in diesem Sinne begrüßen wir das Vorgehen der Regierung."

Der Rechtsanwalt Tomas Sokol hält es hingegen für unvorstellbar, dass das Höchste Gericht die Entscheidung von Gerichten in niederer Instanz beeinflussen sollte. Für ihn gibt es bislang keinen Grund für eine solche Forderung der Regierung:

"Ich begreife nicht, was für einen Standpunkt das Höchste Gericht einnehmen sollte, wenn ein Kreisgericht in einem Fall, der noch nicht rechtskräftig entschieden ist, ein Urteil fällt und dies der Regierung nicht gefällt. Ich halte es für unabdingbar, erst einmal abzuwarten, wie dieser Streit tatsächlich endet und erst dann, sofern es dagegen Einwände gibt, zu entscheiden, wie man weiter verfährt."

Zusätzlich zu der Richtlinie des Höchsten Gerichts sollen nach dem Beschluss der Parteien vom Freitag jetzt Rechtsexperten Verhandlungen aufnehmen, um Argumente und Vorschläge zum weiteren rechtlichen Vorgehen in dieser Frage zu sammeln.

Premier Spidla geht daher davon aus, dass das freitägliche Treffen nicht das letzte zu diesem Thema war. Für Mittwoch hat Staatspräsident Vaclav Klaus den Regierungschef sowie die Vorsitzenden beider Parlamentskammern zu weiteren Beratungen über die Restitutionsgesetzgebung und ihre Auslegung geladen.