Petr Uhl zu Roma-Mord und Rassismus in Tschechien

Petr Uhl

In der Dienstagsausgabe unseres Tagesechos zeigte sich der Roma-Vertreter Jan Horvath nicht nur bestürzt über die Ermordung eines Roma durch einen Skinhead am vergangenen Samstag, sondern äußerte sich auch sehr kritisch bezüglich der Roma-Diskriminierung und des Rassismus in der Tschechischen Republik. Er erhob auch den Vorwurf, ein Teil der Ermittlungsbehörden sei gegenüber Roma negativ eingestellt, worin er den Grund sieht, dass viele rassistische Angriffe auf Roma von der Polizei nicht als solche eingestuft werden. Wir wollten eine weitere Einschätzung zu diesen Feststellungen einholen, deshalb unterhielt sich mein Kollege Olaf Barth mit dem ehemaligen Menschenrechtsbeauftragten der tschechischen Regierung, Petr Uhl. Hier eine Zusammenfassung.

Die tschechische Regierung hatte bereits im April in Person von Innenminister Gross weitere Maßnahmen im Kampf gegen den Extremismus, insbesondere den Neonazismus angekündigt. Was bedeutet dieser Mordfall also für den Kampf gegen den Rechtsextremismus hierzulande, wollte ich von Petr Uhl wissen:

"Also ich denke, das Wort Kampf ist in diesem Zusammenhang ein zu starkes Wort. Es sind doch eher leichte Bemühungen seitens der tschechischen Regierung gegen Neonazis und Skinheads vorzugehen.

Aber aus meiner Sicht ist dieser Fall eine Aufforderung, die Maßnahmen sowohl im Strafrecht als auch seitens der Behörden zu verschärfen. Man darf diese Gruppen und ihre Taten einfach nicht länger tolerieren, denn sie gewinnen auch zunehmend an Stärke."

Und hat der Menschenrechtsbeauftragte der tschechischen Regierung a.D. auch die Erfahrung gemacht, dass die Polizei Angriffe auf Roma viel zu selten als rassistisch motiviertes Delikt verfolge?

"Ja, ganz entschieden sogar. Die Polizei versucht dem auszuweichen. Nach unseren Gesetzen ist eine Straftat strenger zu verfolgen und zu verurteilen, falls sie aus rassistischen Motiven begangen wurde.

Oftmals werden die Ermittlungen wegen eines rassistischen Hintergrundes erst gar nicht aufgenommen, da man die Fälle dann schneller und einfacher ablegen kann, wenn man keinen Täter ermitteln konnte. Sie tauchen dann auch in keiner Polizeistatistik auf.

Es ist also Sache des Innen- und des Justizministeriums diese Methodik zu ändern, denn die bisherige Vorgehensweise, die auch einen Einfluss auf die Entlohnung der Polizeibeamten hat, bewirkt eine Tendenz, den rassistischen Aspekt einer Tat zu vertuschen bzw. nicht zu untersuchen.

Darüber hinaus muss man sagen, dass die ganze Gesellschaft reichlich gegen die Roma eingestellt ist. Diese Aversion zeigt sich allerdings nicht in offener Feindschaft gegen die Roma, das ist eher eine Sache der Skinheads, sondern in einer gewissen Ignoranz, einem Phlegma. Dies gilt auch für die Polizei. Die Leute kümmern sich einfach nicht um diese Probleme und es gibt natürlich auch einige Vorurteile.

Trotzdem würde ich aber keinesfalls sagen, die tschechische Gesellschaft sei rassistisch eingestellt."

Autor: Olaf Barth
abspielen