Roma-Aktivist und Politiker Karel Holomek gestorben
Am Sonntag ist der Roma-Aktivist, Politiker und Begründer des Museums für die Roma-Kultur, Karel Holomek, im Alter von 86 Jahren gestorben.
Karel Holomek wurde am 6. März 1937 in Brno / Brünn geboren. Sein Vater Tomáš war in einer Roma-Siedlung nahe Kyjov in Südmähren aufgewachsen, die Mutter war eine Bauerntochter. Der Vater war vermutlich der erste Rom in der Tschechoslowakei mit einer Hochschulbildung. Er studierte in den 1930er Jahren Jura an der Karlsuniversität. Von den Bewohnern der mährischen Slowakei wurde er sehr geschätzt.
Die Holomeks gehörten zu den größten Roma-Familien in Mähren. 1939 flüchtete Karels Vater vor den Nationalsozialisten in die Slowakei. Karel war damals zwei Jahre alt. Er wuchs im Folgenden in Milotice bei Kyjov auf, um ihn kümmerten sich abwechselnd die Familien seiner Mutter und seines Vaters. Anfang 1942 wurde ein großer Teil seiner Roma-Verwandten ins Konzentrationslager verschleppt. Auch dem Jungen und seiner Schwester drohte, ins KZ geschickt zu werden. Daran erinnerte sich Karel Holomek 2015 in einem Gespräch für das Zeitzeugenprojekt „Paměť národa“ (Memory of Nation):
„In Milotice, wo ich mit meiner Mutter und meiner Schwester lebte, war bekannt, dass wir die Zigeunermischlinge sind, die im KZ landen sollten. Wie ich später erfuhr, standen mein Name und der Name meiner Schwester in der SS-Zentrale in Zlín auf der Liste zu den zehn meist gesuchten Zigeunermischlingen, die ins KZ geschickt werden sollten. Dies ist jedoch nicht passiert – dank der Tapferkeit meiner Mutter und eines Gendarmen. Dieser kam immer zu uns und warnte meine Mutter: ,Frau Holomková, verschwinden Sie, morgen machen hier die SS-Leute eine Razzia.‘ Ich erinnere mich daran, wie meine Mutter mit uns in den Jahren 1942 und 1943 mit der Bahn und mit dem Fahrrad herumreiste. Wir wurden bei Verwandten, aber auch bei wildfremden Leuten untergebracht. Einfach fantastisch war jedoch, dass niemand im Dorf es den Deutschen oder den Gendarmen verriet. Wir gehörten einfach zu den Bewohnern, und so haben auch sie es empfunden. Wir verschwanden mit der Mutter also für eine bestimmte Zeit, und auf diese Weise hat sie uns gerettet.“
In den Konzentrationslagern erwartete die Roma dasselbe Schicksal wie die Juden, sagte Karel Holomek in dem Gespräch und fuhr fort:
„Aus diesem Grund haben wir Roma heute keine besseren Freunde als die Juden. Ich denke, dass die Roma, wenn auch unbewusst, mit ihrem Sterben bewiesen, wie verkehrt die Rassentheorien waren. Wir wurden zu so etwas wie Teilnehmern eines großen Befreiungskampfes. Ich sage das aus dem Grund, weil der Roma-Holocaust unbekannt ist und weil er für eine Angelegenheit ausschließlich der Roma gehalten wird. Dabei sollte ihn die Öffentlichkeit genauso wahrnehmen, wie das Schicksal der Juden.“
Nach 1968 vom Arbeitsplatz rausgeworfen
Die Mehrheit von Karel Holomeks Verwandten väterlicherseits wurde in Ausschwitz ermordet. Sein Vater kehrte bald nach dem Krieg nach Hause zurück. Vor allem nach 1948 machte er Karriere und wurde Militäranwalt. Karel Holomek studierte Maschinenbau an der Militärakademie. Als Offizier arbeitete er dann auch in der Einrichtung. Sein Leben änderte sich grundlegend nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei im August 1968. An diese Zeit erinnerte er sich 2015:
„Ich war damals als Assistenzprofessor beim Lehrstuhl für Fahrzeuge, Panzer und Panzerfahrzeuge beschäftigt. Wir bildeten zukünftige Offiziere aus. Und zu dieser Zeit marschierten die Russen in die Tschechoslowakei ein. Ich unterrichtete damals an der sogenannten ,ersten‘ Fakultät. Einige Monate verhielt man sich dort tapfer, wir ließen die Russen nicht rein. Im Herbst wurde jedoch schon gefragt, wie unsere Meinung über den Einmarsch sei. Und das war für mich ein Wendepunkt. Ich sagte mir: ,Du kannst doch nicht etwas behaupten, wenn du überzeugt bist, dass es eine Lüge ist.“
Holomek erklärte damals also, er stimme dem Einmarsch der sowjetischen Truppen nicht zu, da er ihn für eine Okkupation halte. Bald darauf wurde er aus der Armee geworfen. Holomek lehnte es zudem ab, mit dem kommunistischen Inlandsgeheimdienst StB zusammenzuarbeiten. Darum durfte er 1971 nicht zum Weltkongress der Roma nach England reisen. Er wurde zudem gezwungen, aus dem kurz zuvor in der Tschechoslowakei entstandenen Verband der Roma auszutreten. Fünf Jahre lang arbeitete Holomek dann als LKW-Fahrer. Dank einem Bekannten wurde er später als Bauleiter angestellt.
Holomek: „Die Roma haben ihre Kulturidentität verloren“
In den 1970er Jahren lernte Karel Holomek einige der damaligen Regimegegner kennen. Er begann zudem selbst, Samisdat-Literatur zu verbreiten. 1981 wurde er im Zusammenhang mit der Verbreitung der Exilliteratur verhaftet.
Wie erlebte Karel Holomek die Samtene Revolution von 1989? Er beschrieb es für „Paměť národa“:
„Ich habe zwar in den Zeitungen aufmerksam verfolgt, was los ist, war aber nicht direkt im Mittelpunkt des Geschehens. Es war vermutlich am 19. November, als ich gerade im Bauleiterbüro in Brünn saß und ein Mann von der Chefetage reinkam. Er stellte sich vor mich, salutierte und sagte: ,Herr Ingenieur, ich melde mich zum Dienst.‘ Ich schaute ihn an und sagte: ,Wovon reden Sie?‘ Und er erwiderte: ,Wir werden Revolution machen, nicht wahr?‘ Ich war in dem Betrieb damals nämlich dadurch bekannt, dass ich bei den Gewerkschaftssitzungen die politische Situation und die damaligen kommunistischen Politiker verhältnismäßig offen kritisierte. Zudem wusste man, dass mich die Stasileute vor den bedeutenden Jahrestagen – wie dem 28. Oktober oder dem 21. August – abholten und präventiv einsperrten. In dem Augenblick, als dieser Mann von der Chefetage kam, bin ich Vorsitzender des Bürgerforums des ganzen Betriebs geworden.“
Nach der Wende von 1989 war Karel Holomek zwei Jahre lang Abgeordneter des Tschechischen Nationalrats. Er wurde von der Armee rehabilitiert, lehnte jedoch das Angebot ab, wieder für sie zu arbeiten. Stattdessen begann Holomek, sich auf das politische Thema der Roma zu konzentrieren. Er war dabei, als die Roma-Initiative gegründet wurde. Diese verzeichnete jedoch bei den Wahlen keinen Erfolg. Holomek gründete zudem die Gemeinschaft der Roma in Mähren sowie das Museum für die Roma-Kultur in Brünn. Seine Volksgruppe habe ihre Kulturidentität verloren, meinte er:
„Es ist notwendig, sich dessen bewusst zu werden, dass die Roma vor dem Zweiten Weltkrieg zumeist in Agglomerationen auf dem Lande lebten. Sie sorgten gut für ihren Lebensunterhalt, denn sie arbeiteten oft bei den Bauern. In den Städten lebten früher hingegen nicht viele Roma. Vor allem erst nach 1948 suchten viele Roma, die in der Slowakei lebten, nach Arbeit. Diese fanden sie nur in großen Industriezentren – in Ostrava und in Nordböhmen. Es war einerseits gut, dass sie nun Arbeit hatten. Andererseits zogen sie in die Städte, wo ihnen abhandenkam, was sie zuvor für grundlegend gehalten hatten. Sie verloren ihre Roma-Traditionen, ihre Zusammengehörigkeit, das Wissen über ihre Geschichte und nicht zuletzt auch die Sprachkenntnisse. Im Sozialbereich verloren sie ihr Selbstbewusstsein sowie das Gefühl, ihr Leben selbst gestalten zu können.“
Karel Holomek war zuletzt auch Ehrenvorsitzender der Gesellschaft der Experten und Freunde des Museums für die Roma-Kultur. 2002 wurde er mit einer Verdienstmedaille ausgezeichnet.