„Phänomen Baťa“ in der Prager Nationalgalerie
Sie gilt als eines der bedeutendsten Beispiele der Industriearchitektur des 20. Jahrhunderts: Die ostmährische Stadt Zlín. Ab 1910 entwickelte sich das kleine Dorf innerhalb weniger Jahre zu einem der wichtigsten Wirtschaftsstandorte der Tschechoslowakei. Hinter diesem rasanten Aufschwung steht ein Name: Tomáš Baťa. Gemeinsam mit seinem Stiefbruder Jan Antonín und seiner Schwester Anna gründete er die weltbekannte Schufirma Baťa. Eine Ausstellung in Prag präsentiert das ebenso reiche wie jahrzehntelang vernachlässigte architektonische Erbe der Baťas.
Es gibt wohl kaum einen passenderen Ort für eine derartige Ausstellung als den Prager Messepalast (Veletržní palác). Das von den Architekten Bohuslav Fuchs und Oldřich Tyl entworfene und 1928 fertig gestellte Gebäude ist eines der wichtigsten Bauwerke des tschechoslowakischen Funktionalismus. Dieser Baustil, der die Funktion des Gebäudes in den Vordergrund rückt ohne jedoch seine ästhetische Wirkung außer Acht zu lassen, hat auch viele von Baťas Bauten in Zlín maßgeblich beeinflusst. Doch in der mährischen Industriestadt geht es nicht um einzelne Gebäude, sondern um die Konzeption einer ganzen Stadt nach diesen beinahe revolutionären Grundsätzen des Funktionalismus.
„Die Stadt Zlín selbst, das ganze Phänomen Baťa ist ein Unikat. Es gibt nichts Vergleichbares auf der Welt. Immer wenn ich nach Zlín komme, spüre ich diese Kraft. Diesen unglaublichen Willen Baťas, etwas zu erreichen, etwas zu verwirklichen", betont der Leiter der Nationalgalerie, Milan Knížák.
Tomáš Baťa und seine Nachfolger bauten in Zlín nicht nur Fabriks- und Lagerhallen, sondern auch ganze Wohnsiedlungen, Schulen und Freizeiteinrichtungen. Das 1932 errichtete „Große Kino“ („Velké kino“) war mit rund 2500 Sitzplätzen eines der größten in Europa. Und die 1938 errichtete Bat’a-Firmenzentrale, das so genannte Gebäude 21, war mit einer Höhe von 77,5 Metern das erste Hochhaus in der Tschechoslowakei. Während das Hochhaus und das Kino in den letzten Jahren saniert wurden, stehen viele der ehemaligen Fabrikgebäude leer und verfallen langsam. Viel zu lange sei man sich ihres Wertes nicht bewusst gewesen und habe sie jahrzehntelang vernachlässigt, beklagt auch die Bürgermeisterin der Stadt Zlín, Irena Ondrová:
„Die ganze Stadt ist ein Ausstellungsobjekt. Leider ein an vielen Stellen beschädigtes: Durch unsachgemäße Eingriffe, durch rücksichtsloses Verhalten. Wir kämpfen mit der Erneuerung unserer Baudenkmäler. Das ist eine finanziell sehr aufwändige Sache. Da muss ich auch den Staat ein wenig kritisieren: Die Unterstützung zum Erhalt von moderner Architektur ist nicht ausreichend. Die Verantwortlichen müssten einen anderen Blick haben für die moderne Architekturgeschichte und sie mehr unterstützen.“
Die Ausstellung im Prager Messepalast läuft noch bis zum 31. Mai. Nähere Informationen finden Sie auf den Internetseiten der Tschechischen Nationalgalerie: http://www.ngprague.cz/ Bereits Anfang Mai steht die Stadt Zlín und ihr einmaliges architektonisches Erbe im Mittelpunkt eines mehrtägigen internationalen Symposiums unter dem Titel "Utopie der Moderne: Zlín": http://www.projekt-zipp.de/de/zlin/zlin/
Fotos: Nationalgalerie