Poradna - Beratungsstelle für Staatsbürgerschaft, Bürger- und Menschenrechte

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Gegründet wurde die Poradna 1996 unter dem Dach des tschechischen Helsinki-Komitees als Beratungsstelle für Fragen der Staatsbürgerschaft. Aktueller Hintergrund war die durch die Teilung der Tschechoslowakei Anfang 1993 entstandene Situation, dass sich viele ehemals tschechoslowakische Staatsbürger aufgrund einer komplizierten Gesetzeslage plötzlich mit dem Problem einer ungeklärten Staatsbürgerschaft konfrontiert sahen. Die Poradna drängte hier auf eine systematische Lösung, die schließlich 1999 mit der Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes auch eintrat. Das Problem der Staatsbürgerschaft war damit gelöst, seine Ursachen blieben jedoch bestehen. Pavel Cizinsky, einer der zehn Mitarbeiter der Poradna:

Seit das Staatsbürgerschaft 1999 novelliert wurde, richtete sich der Fokus der Poradna zunehmend auch auf Bürger- und Menschenrechte. Eines der Haupttätigkeitsfelder ist heute die Beratung von Menschen, die sich als Opfer von Diskriminierung fühlen und bei der Poradna Rechtsbeistand suchen. Pavla Bouckova, Vize-Vorsitzende der Beratungsstelle:

"Die meisten Fälle kommen aus der Roma-Kommunität, etwa 100 pro Jahr. Und auch wenn hier Diskriminierung vielfach leicht nachzuweisen ist, sind die Betroffenen nicht immer willens, ihren Fall vor Gericht zu bringen. An zweiter Stelle folgen Fälle von Frauen-Diskriminierung, um die 50 pro Jahr. Hier ist die Bereitschaft der Betroffenen, vor Gericht zu gehen, noch geringer. Und dann folgen Diskriminierungen körperlich Behinderter und Homosexueller. Und auch hier gilt: die betreffenden Personen haben kein Interesse, ihr Problem auf dem Gerichtsweg zu lösen."

Doch erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an zwei Fälle aus den letzten Monaten, in denen die Betroffenen vor Gericht zogen. Die Gerichtsurteile sorgten in den tschechischen Medien für Schlagzeilen: In beiden Fällen mussten sich die Firmen bei den betroffenen Roma-Angehörigen für ihr diskriminierendes Vorgehen bei der Besetzung einer ausgeschriebenen Stelle entschuldigen.

Doch nicht alle Betroffenen wünschen sich eine solche Öffentlichkeit. Es scheint paradox : So wichtig Medien und Öffentlichkeit sind, um in der Gesellschaft ein Bewusstsein für Bürger- und Menschenrechte zu schaffen, so beschwerlich und kontraproduktiv können sie für die Betroffenen sein, wenn diese sich durch die Reaktionen der Öffentlichkeit erneuter Diskriminierung ausgesetzt fühlen.

Persönliche Rechtsberatung für Opfer von Diskriminierung ist ein wichtiges Tätigkeitsfeld der Poradna, gleichzeitig wollen deren Mitarbeiter jedoch auch Grund legende Änderungen im System bewirken. Ein wichtiger Teil ihrer Tätigkeit besteht daher darin, dem Staat Vorschläge für eine bessere Verankerung von Bürger- und Menschenrechten in der tschechischen Legislative zu unterbreiten. In dieser Hinsicht biete die Entwicklung der letzten Jahre durchaus Grund für vorsichtigen Optimismus, meint Pavel Cizinsky:

"Wenn man einen Blick auf die Menschenrechtspolitik der Tschechischen Republik wirft, muss man sagen, dass es in den letzten Jahren unter der sozialliberalen Regierung sicher zu großen Verbesserungen gekommen ist. Die rechten Regierungen vorher waren den Menschenrechten gegenüber eher skeptisch."

An eine konkrete Verbesserung neben der oben erwähnten Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes von 1999 erinnert Pavel Cizinsky:

"Ein anderes Thema waren die Frauen mit kleinen Kindern in den Gefängnissen. Da hat sich ein Kollege von mir sehr dafür stark gemacht, dass die Frauen ihre Kinder bei sich haben können, dass die Kinder also nicht automatisch in ein Kinderheim kommen. Uas ist auch gelungen."

Generell kämen viele legislative Verbesserungen jetzt über den Weg der Europäischen Union, so Cizinsky. Allerdings stieße man auch auf Skepsis bei der Übernahme von EU-Richtlinien. Aktuelles Beispiel: das Antidiskriminierungsgesetz, das derzeit dem tschechischen Abgeordnetenhaus vorliegt:

"Und da versuchen wir auch den Abgeordneten zu erklären, dass es nicht nur von der EU befohlen ist, sondern dass es auch wirklich gut ist. Es ist die Implementierung von zwei oder mehr Richtlinien der EU, die festsetzen, was Diskriminierung bedeutet, was eine direkte und was eine indirekte Diskriminierung ist, welche Rechtsmittel der Diskriminierte zu seinem Schutz hat. Und es muss ein Zentrum oder ein Amt geschaffen werden, welches gegen die Diskriminierung in Tschechien kämpfen wird. Denn Diskriminierung ist ein großes Thema in der Gesellschaft."

In einer Gesellschaft, die sich nicht selten selber als xenophob charakterisiert. Und dennoch: das eigentliche Problem bestehe nicht daran, dass es in Tschechien häufiger als anderswo zu Diskriminierung von Minderheiten komme, meint Pavla Bouckova von der Beratungsstelle für Bürger- und Menschenrechte:

"In dem Ausmaß der Diskriminierungen hierzulande sehe ich nichts typisch Tschechisches. Auffallend ist eher, dass hier seit Beginn der 1990er Jahre nicht über die Probleme der Diskriminierung gesprochen wird. Man behauptet hier, dass das eine Erfindung, ein Import aus dem Ausland ist, dass es bei uns keine Diskriminierung gibt. Und wenn es etwas geben sollte, was für Diskriminierung gehalten wird, dass das dann eher sozial bedingt ist. Darin besteht der Unterschied zu anderen Staaten, wo es natürlich Diskriminierung im selben Ausmaß gibt wie hier, da gibt es, meine ich, keinen große Unterschied. Aber anderswo weiß man viel mehr, in welcher Form Diskriminierung auftritt und deshalb kann man in den konkreten Fällen auch viel besser dagegen vorgehen."

www.poradna-prava.cz