Posselt: Die Gesellschaft bewegt sich weiter - der Präsident ist zurückgeblieben

Ludwig Spaenle

Dieser Tage reisten zwei Delegationen aus Bayern durch Böhmen. Eine wurde angeführt durch den bayerischen Kultusminister Ludwig Spaenle, die andere durch Bernd Posselt, EU-Parlamentarier und Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe. Eigentlich hatte man im Herbst einen anderen bayerischen Gast in Prag erwartet.

Horst Seehofer
Schon vor einem halben Jahr war er angekündigt - Ministerpräsident Horst Seehofer. Er sollte im Herbst der erste bayerische Regierungschef werden, der das Nachbarland Tschechien offiziell besucht. So etwas sei kein Alltagsbesuch, auch wenn das wünschenswert sei, meinte Kultusminister Ludwig Spaenle, der seinen Tschechienbesuch nicht als bayerisches Ausweichmanöver sieht:

„Wenn das richtig verstanden ist, in Vorbereitung des Besuches des Herrn Ministerpräsidenten hier einen kleinen Beitrag zu leisten, dann bin ich gern Vorbote.“

Ludwig Spaenle  (Foto: Michael Lucan,  www.wikimedia.org)
Mit dem Seehofer-Besuch sei es „wie mit dem Tod“ - er ist sicher, nur der Zeitpunkt stehe noch nicht fest, hatte vor kurzem der tschechische Außenminister Schwarzenberg gesagt. „Was gibt es hoffnungsfroheres als finale Freundschaft?“, reagierte Kultusminister Spaenle.

Ihren zweitägigen Tschechienbesuch absolvierten Ludwig Spaenle und der Sprecher der Sudetendeutschen, Bernd Posselt, gemeinsam. Die Nachbarschaft in „dauerhafte Freundschaft“ umzuwandeln, das sei das Ziel der Reise, sagte Minister Spaenle. Und so war das Programm vielfältig: Gespräche standen unter anderem im Bildungsministerium, im Collegium Bohemicum und im Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren an. Ein Kranz wurde am Mahnmal für die Studentendemonstrationen vor 21 Jahren niedergelegt, Kränze auch in den Gedenkstätten Lidice und Theresienstadt sowie auf der Aussiger Beneš-Brücke für die deutschen Opfer der wilden Vertreibung. Besonders die Anwesenheit des sudetendeutschen Sprechers Bernd Posselt in Lidice hatten tschechische Medien registriert:

Bernd Posselt  (Foto: www.wikimedia.org)
„Wir sind voll von Scham auch für unsere Mitverantwortung, die es gibt, für das, was im deutschen Namen geschehen ist. Aber das, was in Lidice passiert ist, war schlichtweg die brutale Aktion einer totalitären Besatzungsmacht gegen die tschechische Zivilbevölkerung“, wiederholte Posselt gegenüber Radio Prag.

Nationalsozialismus und tschechische Vertreibungsverbrechen waren am Feiertag des 17. November auch ein Thema für den tschechischen Präsidenten Klaus. Er verwehrte sich gegen Aufrechnung, gegen Vergleich. Mit anderen Worten: Der Nationalsozialismus war weitaus schlimmer als die tschechischen Taten der Nachkriegszeit.

Václav Klaus  (Foto: ČTK)
Eine Gespensterdebatte sei das, meint Bernd Posselt. Kein Sudetendeutscher, der „halbwegs Herz und Verstand“ habe, stelle die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen in Frage, so Posselt:

„Wir hatten nach der Wende 1990 die Situation, dass ein großartiger Präsident, damals Václav Havel, voraus geschritten ist, und die tschechische Gesellschaft war noch nicht soweit und ist zurückgeblieben. Heute bewegt sich die tschechische Gesellschaft großartig weiter, und der Präsident ist zurückgeblieben.“

Václav Havel
Das immer noch angespannte Verhältnis zwischen Bayern und Tschechien hätte eigentlich der Besuch von Ministerpräsident Seehofer ein gutes Stück voranbringen sollen. Doch ein Termin scheint noch nicht festzustehen. Kritiker sehen gerade den engen Schulterschluss zwischen dem Freistaat Bayern und den Sudetendeutschen als Erschwernis für eine bessere Nachbarschaftsbeziehung zwischen Bayern und Tschechien. Bernd Posselt will das nicht gelten lassen:

„Wenn manche Leute sagen, das ganze wäre ein Hindernis für die Beziehungen, dann verkennen sie a.) die Brückenfunktion, die die Sudetendeutschen seit Jahrzehnten zwischen beiden Ländern ausüben. Und b.) unterstellen sie der tschechischen Politik – wenn sie so argumentieren – dass die tschechische Politik Bayern nur wegen der Schirmherrschaft ausgrenzen würde. Und das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.“