Präsident Havel sprach auf der Jahrestagung des IWF und der Weltbank

Vaclav Havel

Am Dienstag Vormittag wurde im Prager Kongresszentrum die 55. Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank eröffnet, zu der Finanzleute aus der ganzen Welt in der tschechischen Hauptstadt zusammengetroffen sind. Bei der Eröffnung der Tagung wandte sich der tschechische Staatspräsident Vaclav Havel in einer Ansprache an die Finanziers. Martina Schneibergova fasst zusammen.

Vaclav Havel
Nach der einleitenden Begrüßung der Tagungsteilnehmer in der tschechischen Metropole ging Vaclav Havel auf die wachsende Armut, in der Milliarden Menschen leben, und wie man ihr entgegenwirken kann, ein. Nach Meinung von Vaclav Havel kann die Armut nicht nur als Unglück der einen und der Kampf dagegen als Aufgabe der anderen empfunden werden. Es stimme nicht - so der tschechische Staatspräsident - dass die Reicheren einfach besser dran seien, dass sie so zu sagen die Welt und ihr Geheimnis bezwungen hätten und dass es reichen würde, wenn die Reicheren etwas von ihren Fähigkeiten den anderen übergeben würden. Die gegenwärtige umfangreiche Armut stelle - so Vaclav Havel - einen der sichtbarsten Ausdrücke unserer widerspruchsvollen Zivilisation dar. Der Präsident betonte weiter:

"Diese Zivilisation bilden sowieso wir alle. In einem gewissen Maße sind wir für ihre guten oder schlechten Seiten mitverantwortlich und es ist unsere gemeinsame Aufgabe, Probleme, die sie mitbringt, zu lösen. Keiner von uns kann sagen, er wisse alles am besten, niemand ist unkritisierbar und niemands Stimme darf im Voraus in Frage gestellt werden. Unser Planet ist heute von einer einzigen globalen Zivilisation umschlungen. Man kann fast mit Sicherheit sagen, dass es zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit so ist."

Vaclav Havel erinnerte weiter daran, was an dieser Zivilisation noch einzigartig ist. Es sei im Grunde eine atheistische Zivilisation und dies bedeute - so Havel - dass die Werte, auf die sie sich stütze, nicht auf die Ewigkeit, auf das Endlose oder Absolute bezogen werden. Deswegen verschwindet oft die Rücksicht darauf, was nach uns kommt sowie die Rücksicht auf wirklich allgemeine Interessen, meinte Vaclav Havel. Er verwies auf den Widerspruch, dass die Zivilisation Möglichkeiten öffnet, die vor kurzem noch für märchenhaft gehalten wurden, sie sei jedoch kaum imstande, zu verhindern, dass diese Möglichkeiten missbraucht werden. Er erinnert u.a. an organisierte Kriminalität und Terrorismus.

Wichtiger als Strukturänderungen in der Wirtschaft der Entwicklungsländer und als die Pflicht der Reichen, ihnen zu helfen, ist nach Meinung von Vaclav Havel eine Restrukturierung des Wertesystems, auf das sich die gegenwärtige Zivilisation stützt. Man kann unzählige Regulierungsinstrumente entwerfen, die z.B. das Klima, die Ressourcen, die kulturelle Identität der Völker schützen würden, sagte der tschechische Präsident und fügte hinzu:

"Das, worum es jedoch geht, ist, das System der allgemein geteilten ethischen Normen grundlegend zu stärken, die wirklich global verhindern werden, dass verschiedene Regeln immer wieder umgangen werden."

Soweit Präsident Vaclav Havel in seiner Eröffnungsrede auf der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank.