Präsident Klaus lässt vor Ende der Amtszeit noch einmal die Muskeln spielen
In fast auf den Tag genau fünf Monaten verlässt Tschechiens Staatsoberhaupt Václav Klaus das Präsidentenamt. Doch Klaus denkt nicht daran, so ohne weiteres abzudanken.
Angesichts der unsicheren Mehrheitsverhältnisse im Abgeordnetenhaus ist es nicht sicher, ob beide Gesetze überhaupt noch eine Chance haben. Denn für das Überstimmen des Präsidenten-Vetos bedarf es einer absoluten Mehrheit in der Kammer. Und gerade dieser Mehrheit kann sich die gegenwärtige Regierung nicht sicher sein.
Neben Klaus´ Vetopolitik sorgen in der letzten Zeit aber auch seine persönlichen Stellungnahmen für ziemliches Aufsehen. Zum einen glaubt sich der scheidende Präsident wachsenden Anfeindungen von Seiten der Medien ausgesetzt und sieht darin sogar eine der Ursachen für die physische Attacke auf ihn. Ein Mann aus der Menge hatte vor gut zwei Wochen mit Plastikpatronen auf ihn geschossen. Den Vorgang hat Klaus seitdem in verschiedenen Interviews immer wieder als Attentat bezeichnet.
Für Furore sorgten aber auch die öffentlichen Unterstützungserklärungen für zwei völlig unterschiedliche Präsidentschaftskandidaten, wobei keiner von beiden von seiner früheren Partei, der rechtsliberalen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) nominiert wurde. Zum einen begrüßte Klaus die Kandidatur von Ladislav Jakl, der seit Jahren zu den engsten Vertrauten und Beratern des Präsidenten gehört. Und zum anderen sprach Klaus sein Wohlwollen für die Kandidatur eines früheren Rivalen und zeitweiligen politischen Partner aus – für den einstigen sozialdemokratischen Premierminister Miloš Zeman.Der Politikwissenschaftler Ladislav Mrklas von der Hochschule CEVRO versucht das Verhalten von Václav Klaus zu erklären:
„Václav Klaus wird das Präsidentenamt als jemand verlassen wollen, der bis zuletzt Einfluss auf die Politik hatte und auch im Stande war, die Karten immer wieder neu zu mischen. Eine Erklärung kann sein, dass er eben der Politik nicht ganz den Rücken kehren will, auch wenn dessen weiteres politisches Engagement sich nur auf der Ebene eines öffentlichen Kommentators abspielen sollte. Eines Kommentators, der insbesondere Vertretern des bürgerlichen Lagers wie ein Schiedsrichter gelbe oder rote Karten verteilen wird.“
Ähnlich sieht das ein weiterer Politikwissenschaftler, Lukáš Jelínek von der Denkfabrik Masarykova demokratická akademie:
„Wir sollten beachten, dass es Zeiten gab, wo Václav Klaus keine starken Aussagen von sich gab, wo er nicht immer und mit allem an die Öffentlichkeit ging, sondern mehr hinter den Kulissen mit Politikern und deren Parteien verhandelt hat. Er hat sie dabei zu sich auf die Prager Burg eingeladen. Er hat sogar mehrmals versucht, Regierungskrisen zu schlichten. Diesmal hat er aber niemanden zu sich geladen, seine Meinungen teilt er umgehend über die Medien mit. Dies muss offenkundig irgendeinen Grund haben. Entweder bereitet er sich jetzt schon auf eine künftige politische Rolle vor, oder er versucht sich in den Augen der Bürger noch schnell ein besseres Image zu verpassen, indem er sich als Staatsoberhaupt präsentiert, dessen Schritte im Einklang mit der Bevölkerungsmehrheit stehen.“Es könnte aber noch einen anderen, tiefgreifenderen Grund geben für die gegenwärtigen Scharmützel zwischen Regierung und Präsident, der dem bürgerlichen Kabinett gegenüber eigentlich zugeneigt sein müsste. Der Politikwissenschaftler Lukáš Jelínek erklärt dazu:
„Ich denke, dass für diese Situation sowohl der Präsident als auch die Regierung einen gewissen Teil der Verantwortung tragen. Auch nach zwanzig Jahren, in denen das Land von Koalitionsregierungen geführt wurde, haben die Politiker und ihre Parteien immer noch nicht gelernt, wie man sich in solchen Koalitionen verhalten sollte. Man führt Kleinkriege um Dinge, die eher unwichtig sind, sieht aber nicht die gemeinsame Verantwortung. Und ebenso wenig die Notwendigkeit, die einmal gefassten Beschlüsse auch nach außen zu tragen und dort dafür einzustehen. Die politische Auseinandersetzung findet dann nicht nur zwischen Regierung und Opposition statt, sondern auch innerhalb des Regierungslagers wie auch im Rahmen der jeweiligen Parteien.“
Tatsächlich spricht Vieles dafür, dass Regierungskoalitionen von vielen Spitzenpolitikern in Tschechien in den vergangenen zwei Jahrzehnten als notwendiges Übel angesehen wurden. Praktisch alle Premierminister seit der Wiedereinführung der Demokratie mussten in Mehrparteienkoalitionen regieren. Je stärker dann die Persönlichkeit des jeweiligen Regierungschefs war, desto stärker bekamen das die kleineren Bündnispartner zu spüren. Und umso öfter versuchten diese Partner aus der Kabinettsdisziplin auszuscheren und sich auf Kosten der größten Regierungspartei zu profilieren.Einzig die Regierung des Sozialdemokraten Miloš Zeman war in den Jahren 1998-2002 eine Einparteien-Regierung. Auch wenn es ein Kabinett ohne eigene Mehrheit im Parlament war, konnte es wegen des so genannten Oppositionsvertrags die gesamte Legislaturperiode überleben. Dieses Abkommen schlossen damals die Vorsitzenden der beiden größten Parteien des Landes, Miloš Zeman und Václav Klaus. Sie sicherten sich darin die gegenseitige Unterstützung zu.
Auf der einen Seite entstand damals eine Atmosphäre, in der diese beiden Parteien geneigt waren, das ganze Land unter sich aufzuteilen. Auf der anderen Seite hätten sie die Gelegenheit gehabt, im Konsens weitreichende Entscheidungen zu treffen, wie zum Beispiel in der Frage der künftigen Sicherung der Sozialsysteme.
So etwas ist heutzutage praktisch ausgeschlossen, wie der Politikwissenschaftler Ladislav Mrklas ausführt:
„Wenn ich mir die wichtigsten Parteien ansehe, die im Abgeordnetenhaus sitzen, dann sind deren Meinungen darüber, wie die Rentenreform gestaltet werden sollte, derart unterschiedlich, dass hier keine Chance auf einen Konsens besteht. In dieser Hinsicht betrachte ich die Begründung von Klaus, weshalb er die Rentenreform zurückwies, als sehr wässrig.“
Wer kann nun aus den jüngsten politischen Schritten des Präsidenten am meisten profitieren? Einige tschechische Kommentatoren sehen darin einen offenen Vorteil für Klaus´ einstigen Widersacher und späteren Vertragspartner Miloš Zeman. Dessen Partei verspürt gegenwärtig in den Umfragen einen ziemlichen Aufwind und könnte nach den bevorstehenden Regionalwahlen ein fester Bestandteil der politischen Landschaft werden. Politikwissenschaftler Ladislav Mrklas warnt in dieser Hinsicht allerdings vor zu großen Erwartungen:„Miloš Zeman kann davon profitieren. Aber auch jener Teil der politischen Landschaft, der noch nicht so fest etabliert ist. Auf der anderen Seite ist jetzt alles so offen und in einem hohen Maß konkurrierend, dass es zu einer gegenseitigen Zerrüttung bis hin zu einer totalen Selbstzerfleischung kommen kann. Vielleicht wird sich das schon bei den bevorstehenden Regionalwahlen zeigen.“