Prag und seine Glockenspiele: Musikalisches Juwel im Loreto und größtes mobiles Carillon der Welt
Im Loreto, einem Kloster mit Kapelle im Prager Burgviertel, gibt es seit 330 Jahren ein Glockenspiel. Das historische Instrument kann auch manuell bedient werden. In der tschechischen Hauptstadt ist zudem das größte mobile Carillon der Welt beheimatet.
Zu den Öffnungszeiten des Prager Loretos spielt das dort installierte Glockenspiel stündlich ein Marienlied. Die Hämmer der 27 Glocken werden über einen Automaten bewegt. Das besondere Instrument kann aber auch manuell bedient werden. Bei den Konzerten spielt etwa Radek Rejšek. Im Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagt er:
„Ein Glockenspiel ist eine Kombination aus Klavier, Orgel und vielleicht Xylophon. Der Anschlag ist ähnlich dem des Klaviers, nur dass man nicht mit einem Finger, sondern mit der ganzen Handfläche spielt. Wie bei einer Orgel gibt es zudem ein Pedal. Und der Abstand der einzelnen Stocktasten zueinander ist wie bei den Klangstäben des Xylophons.“
„Carillon“ wird ein solches spielbares Turmglockenspiel auch genannt. Im Unterschied zu einem klassischen Piano wird die Klaviatur dabei mit der Handkante bedient, häufig tragen die Musiker deshalb Handschuhe. Rejšek hat das Spielen des Instruments vor über 35 Jahren gelernt – auch hier im Loretokloster.
„Auf viele Dinge bin ich einfach nur durch Ausprobieren gekommen. Mitunter drangen auch furchtbare Klänge aus dem Turm. Manchmal hat es aber besser geklappt. Ich spiele dort schon seit 1989, und mittlerweile weiß ich, wie man mit dem Instrument umgehen muss und was man von ihm erwarten kann.“
Heute ist Rejšek der einzige Tscheche, der regelmäßig zu den Treffen des europäischen Verbandes Eurocarillon eingeladen wird. Mit diesem Festival ist auch ein weiteres besonderes Glockenspiel verbunden. Denn als das Treffen 2001 in Prag stattfand, wurde ein neues, fahrbares Carillon vorgestellt.
„Das ist etwas ganz anderes. Das historische Instrument im Loretokloster stammt aus dem 17. Jahrhundert, das mobile Carillon ist hingegen sehr modern. Es ist wohl so, wie wenn man nicht mehr in einem schönen Oldtimer hinter dem Steuer sitzt, sondern in der Kabine eines supermodernen Audi.“
Das mobile Glockenspiel aus Prag hat mehr als doppelt so viele Glocken wie das im Loretokloster. Entwickelt wurde es von Petr Rudolf Manoušek – dem vielleicht bekanntesten Glockengießer Tschechiens.
„Mein Carillon hat 57 Glocken. Die schwerste wiegt 860 Kilogramm, die leichtesten bringen um die fünf Kilo auf die Waage. Wegen der großen tonalen Bandbreite gibt es kaum musikalische Einschränkungen. Der Interpret kann fast alles spielen.“
Manoušeks Prager Glockenspiel gilt als das größte fahrbare Carillon der Welt – transportiert werden kann es allerdings nur mit einem Lkw. Beim Gießen musste Manoušek vor allem bedenken, dass der Nachklang der einzelnen Glocken nicht zu lang sein darf – anders als bei den Glocken, die sonst in Kirchtürmen läuten.
„Wenn man mehrere Töne schnell hintereinander spielt, könnte es ansonsten zu einer Überlappung kommen. Das Profil der Glocke musste also ganz anders aussehen, um den Nachhall zu unterbinden. Der Klang darf aber auch nicht unnatürlich sein.“
Radek Rejšek schätzt das fahrbare Instrument vor allem, da es ihm einen ganz anderen Kontakt zum Zuhörer ermöglicht.
„Man fühlt sich ein bisschen wie auf einer Bühne. Im Turm hingegen schließe ich mich in meiner Kabine ein und bin abgeschottet. Aber manchmal klatscht auch jemand, und das bekomme ich da oben dann schon mit.“
Das mobile Glockenspiel von Petr Rudolf Manoušek tourt immer wieder durch Tschechien – bei verschiedenen Ereignissen kann man das Instrument erleben. Das Carillon im Loreto wird fast jeden Sonntagnachmittag live gespielt. Erstmals angeschlagen wurde es am 28. September 1695. Da es im Laufe der Jahrhunderte nicht modernisiert wurde, gilt es heute als eines der letzten barocken Glockenspiele Europas.