Prager Aufstand 1945 – militärisch nicht entscheidend, aber wichtig für die Moral

Český rozhlas v roce 1945

Das Ende des Zweiten Weltkriegs wird in Tschechien jedes Jahr gefeiert. Den Auftakt hat am Wochenende Plzeň / Pilsen gemacht – denn die westböhmische Stadt wurde als erste befreit. Zudem erinnerten am Samstag tschechische Politiker an den Beginn des Prager Aufstandes am 5. Mai 1945. Der Gedenkakt fand am Hauptgebäude des Tschechischen Rundfunks statt. Im Folgenden mehr über den Prager Aufstand und die Gedenkfeier.

Am 5. Mai 1945 begann der Tschechische Rundfunk wieder auf Tschechisch zu senden. Allerdings ohne Erlaubnis des deutschen Rundfunkintendanten Ferdinand Thürmer. Der Intendant war alarmiert und rief Soldaten und SS zum Rundfunkgebäude. Der Moderator schickte darauf einen Notruf über den Äther:

„Wir rufen die tschechische Polizei, die tschechische Gendarmerie und die staatliche Armee auf, dem Tschechischen Rundfunk zu helfen.“



Am Aufstand beteiligen sich bis zu 30.000 Prager,  sie errichten 2000 Barrikaden
Auf diesen Aufruf griffen die Prager zu den Waffen. Vratislav Doubek ist Historiker an der Prager Karlsuniversität. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte er:

„Der Kampf um den Rundfunk ist das Fanal zum Aufstand. Und die deutsche Protektoratsführung ist sich dessen bewusst. Die Reaktion kommt dann sehr schnell und ist sehr hart. Die Deutschen konzentrieren sofort alle Militärtechnik in diesem Gebiet.“

Am Aufstand beteiligen sich in den folgenden Tagen bis zu 30.000 Prager, sie errichten 2000 Barrikaden. Ihnen steht aber eine Übermacht von 80.000 Soldaten der Heeresgruppe Mitte gegenüber. Die Wende zugunsten der Aufständischen bringt erst die russische Wlassow-Armee, eine von den Nazis aufgebaute Einheit, die die Seiten wechselt. Bei den Kämpfen kommen insgesamt 1700 Menschen ums Leben.

Obwohl der Aufstand bei Weitem nicht kriegsentscheidend war, spielt er eine wichtige Rolle im Selbstverständnis der Tschechen.

Vratislav Doubek | Foto: Archiv der Palacký-Universität
„Der Aufstand hatte keinen bedeutenden Einfluss auf die militärischen oder politischen Ereignisse in einem breiteren europäischen Kontext. Das schmälert aber nicht seine Bedeutung für die tschechische Bevölkerung und ihre Moral. Auf sie wirkte die offene Äußerung von Widerstand reinigend“, so Vratislav Doubek.

Sechs Jahre lang waren Böhmen und Mähren zuvor unter deutscher Besatzung gewesen. Zwar hatte formell eine eigene tschechische Verwaltung bestanden, doch die wirkliche Macht hatte in den Händen der Nazis gelegen.

Der Bedeutung des Aufstandes trugen am Samstag vergangener Woche auch hochgestellte Politiker Rechnung. Vor dem Rundfunkgebäude erinnerten sie bei einer Gedenkfeier an die Ereignisse vom Mai 1945 -, so unter anderem die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Miroslava Němcová:

Miroslava Němcová  (Foto: ČTK)
„Ich glaube, uns wurde die Bedeutung von Freiheit genügend eingeimpft. Ich bin mir sicher, dass jene, die vor 67 Jahren hierherkamen und für die Freiheit starben, uns ausreichend Beispiel sind.“

Der Senatsvorsitzende Milan Štěch wies auf die gesamtstaatliche Bedeutung des Aufstandes hin:

„Den Aufstand sollten wir uns alle ins Bewusstsein rufen. Und das vor allem, da es nicht gerade viele vergleichbare Ereignisse in der modernen tschechischen Geschichte gibt.“

Milan Štěch
Wie Štěch weiter ausführte, seien die überlebenden Teilnehmer des Aufstandes bisher nicht ausreichend ausgezeichnet worden. Diese Lücke soll aber eine Gesetzesvorlage des Senats füllen, die auch Štěch unterstützt.

Autor: Till Janzer
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