Prager Frühling 2011: 100. Todestag von Gustav Mahler und 200. Jubiläum des Prager Konservatoriums

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Das 200. Jubiläum des Prager Konservatoriums, der 100. Todestag des Komponisten Gustav Mahler, Gastspiele der Berliner Philharmoniker und der New Yorker Philharmonie - das sind einige der Highlights des traditionellen internationalen Musikfestivals Prager Frühling. Seit 66 Jahren findet es immer im Mai in Prag statt. Mehr zum diesjährigen Programm erfahren Sie im Kultursalon, dessen Gast der Festivaldramaturg Antonín Matzner ist.

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Der Frühling in Prag ist in vollem Gang, der Prager Frühling hat am Donnerstag begonnen. Gemeint sind damit die internationalen Musikfestspiele „Prager Frühling“, die bereits zum 66. Mal das Kulturleben in der tschechischen Hauptstadt prägen. Zur Tradition des Festivals gehört, dass es mit dem Zyklus symphonischer Dichtungen „Mein Vaterland“ von Bedřich Smetana eröffnet wird. Dieser Tradition ist man auch diesmal treu geblieben. Während aber in den vergangenen Jahren Spitzenorchester aus dem In- und Ausland die musikalischen Dichtungen „Vyšehrad“, „Moldau“, „Šárka“, „Aus Böhmens Hain und Flur“, „Tábor“ und „Blaník“ spielten, wurde die Interpretation am glanzvollen Eröffnungsabend in diesem Jahr den Studenten anvertraut. Nämlich dem Symphonieorchester des Prager Konservatoriums. Die Frage warum gerade diese Wahl getroffen wurde beantwortet der Dramaturg der Musikfestspiele, Antonín Matzner:

„Wir haben das große 200-jährige Jubiläum seit der Eröffnung des regelmäßigen Unterrichts am Prager Konservatorium genutzt. Diese Institution gibt sozusagen den Ton im tschechischen Musik- und Konzertleben an. Denn das Konservatorium entstand vor allem, um Orchestermusiker auszubilden. Daher haben wir das Symphonieorchester dieser Schule ausgewählt. Und unsere Einladung, dieses Studentenorchester zu leiten, hat der Dirigent Jiří Bělohlávek angenommen.“

Bereits seit September letzten Jahres haben die Studenten geprobt, um ihre Rolle mit Würde auszufüllen. 200 Jahre Prager Konservatorium sind aber nicht das einzige Jubiläum, welches das Programm des Prager Frühlings prägt. Antonín Matzner:

„Dieses Jahr steht natürlich im Zeichen des 100. Todestags von Gustav Mahler, der durch unzählige Fäden mit den böhmischen Ländern verbunden ist. Er wurde nämlich in Kaliště bei Humpolec geboren, kehrte oft nach Böhmen und Mähren zurück, war Dirigent des Deutschen Theaters in Prag und gastierte später häufig dort. Der Stadt Prag widmete er die Welturaufführung seiner Siebten Symphonie. Mahlers Todestag am 18. Mai fällt gerade in die Zeit des Festivals Prager Frühling, und so ertönt hier an diesem Abend der Höhepunkt seines Werkes: die Achte Symphonie, genannt auch ´Symphonie der Tausend´. Die Aufführung ist darin einzigartig, dass sich die Tschechische Philharmonie und das hervorragende Norddeutsche Rundfunksymphonieorchester aus Hamburg dabei verbinden. Singen werden der Schleswig-Holstein-Festival-Chor, der Kühn-Chor und weitere Chöre sowie hervorragende Solisten.“

Jiří Bělohlávek  (Foto: ČTK)
Zwei Orchester, sechs Chöre, acht Solisten und ein Dirigent. Mit dieser Aufstellung findet das Konzert statt, für das keiner der Prager Säle groß genug ist, so dass am Ende die O2-Arena als Austragungsort gewählt wurde. Es gibt aber auch kleinere Konzerte im Programm, die weiteren Jubilaren des Jahres 2011 gewidmet sind.

„An erster Stelle soll der 90. Geburtstag des tschechischen Exilkomponisten Karel Husa genannt werden. Er studierte nach dem Krieg in Paris und ging später in die USA, wo er bis heute lebt. Wir werden mit der Aufführung dreier seiner Werke Husas gedenken, unter anderem mit der tschechischen Premiere seines Orgelkonzerts. Nicht zu vergessen den 80. Geburtstag des tschechischen Komponisten Pavel Blatný. Da ergibt sich ein Zusammenhang mit dem 200. Geburtstag des tschechischen Dichters der Romantik Karel Jaromír Erben, der mehrmals Inspiration für den Komponisten war. In einem von Blatnýs letzten Orchesterwerken, das sogar dem Prager Frühling gewidmet wurde, spiegelt sich die Inspiration sogar im Namen Erbeniáda.“

Jiří Bělohlávek und Roman Bělor  (Foto: ČTK)
Ein Magnet für das Publikum sind alljährlich die Konzerte weltberühmter Solisten sowie die Gastspiele namhafter Orchester der Welt. Dies gilt auch für den 66. Jahrgang, besonders was die Orchester angeht:

„An erster Stelle muss ich die Berliner Philharmoniker nennen. Sie sind eines der besten Orchester der Welt und werden mit ihrem Chefdirigenten Sir Simon Rattle kommen, um das Festival am 4. Juni mit der Sechsten Symphonie Gustav Mahlers abzuschließen. Zu nennen ist auch das zweite Gastspiel der New Yorker Philharmonie mit ihrem jetzigen Chefdirigenten Allen Gilbert. Und schließlich das bei uns sehr beliebte San Francisco Symphony Orchestra mit Michael Tilson Thomas an der Spitze, das bereits zum dritten Mal beim Festival gastiert. Auch in ihren Konzerten spiegelt sich das Mahler-Jubiläum, und zwar bei der Aufführung seiner Zweiten Symphonie ´Auferstehung´.“

Gustav Mahler
„Die Leute glauben nicht, dass Malkowich tatsächlich kommt,“ mit diesen Worten kündigte der Festivaldirektor Roman Bělor die Vorstellung an, die im Rahmen der Reihe Genres-Überschreitungen stattfindet. Unter der seltsamen Bezeichnung Krimi-Melodram wird die Infernal Comedy aufgeführt. Das Orchester Wiener Akademie unter der Leitung von Martin Haselböck wird aufspielen, den Text wird der Hollywood-Star John Malkowich vortragen:

„Das ist ursprünglich ein Projekt des Wiener Ronacher Theaters, das die Lebensgeschichte des österreichischen Massenmörders Jack Unterweger in einem Theaterstück umgesetzt hat. Unterweger hatte eine Reihe von Prostituierten ermordet. Er wurde verurteilt, ins Gefängnis gesperrt und später auf Druck der Öffentlichkeit frei gelassen. Er begann aber wieder zu morden. Die Kollegen aus dem Wiener Ronacher Theater haben daraus eine faszinierende Musikvorstellung gemacht. Die Geschichte spielt in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, wird aber von der Musik von Vivaldi, Beethoven und Carl Maria von Weber begleitet, in unüblicher Verbindung mit zwei Koloratursopranistinnen und mit dem Filmstar John Malkowitch an der Spitze. Das Projekt wurde bereits rund um die Erde gespielt und wird weiterhin in Wien aufgeführt. Für uns stellt es eine außerordentliche Gelegenheit dar, einen Filmstar in einer anderen Rolle, nämlich der eines glänzenden Theaterschauspieler zu sehen.“

John Malkovich
Der Festivaldramaturg betont, dass man sich im Programm des Musikfestivals nicht nur auf Musik konzentrieren, sondern auch die bildende Kunst einbeziehen wolle. Dies ermöglicht das Projekt „Hommage à Atonalität und Abstraktion“ im Prager Museum Kampa, in dem es um das Verhältnis zwischen Musik und bildender Kunst geht:

„Das Projekt ´Hommage à Atonalität und Abstraktion´ basiert auf dem 100. Jahrestag des Konzerts in München, bei dem ausschließlich Kompositionen von Arnold Schönberg gespielt wurden. Damals, vor 100 Jahren nahm Arnold Schönberg Kontakt zu avantgardistischen Malern auf, an der Spitze Wassily Kandinsky. In derselben Zeit entstand in München die Künstlergruppe ´Der Blaue Reiter´, womit die Anfänge der abstrakten Kunst in Europa datiert werden. Und so haben wir uns entschieden, dieses Ereignis im breiteren Kontext vorzustellen: wir zeigen Schönberg als Maler und zusammen mit ihm Kandinsky und auch František Kupka, der aus einer anderen Richtung während seines Paris-Aufenthalts zur Abstraktion gelangte. Und der musikalische Teil unseres Projekts bringt eben Kompositionen von Arnold Schönberg sowie Schönbergs Instrumentierung des Lieds von der Erde von Gustav Mahler.“

Soweit die erwarteten Höhepunkte im Programm der 66. Musikfestspiele „Prager Frühling“. Sollten Sie sich entscheiden, sich im Mai noch nach Prag zu begeben, und wohl eines der Festivalkonzerte zu hören, schauen sie bei www.festival.cz nach.