Prager Frühling

21. August 1968

Der Prager Frühling beendete zwar den politischen Alleingang der Tschechen, konnte aber nicht verhindern, dass im Laufe der folgenden Jahre eine Massenemigration einsetzte. Noch im selben Jahr 1968 flohen über 100 000 Tschechen aus ihrer Heimat. Insgesamt war es fast eine Viertelmillion. Jakub Liska hat sich mit zwei dieser Emigranten über den 21. August 1968 und seine Folgen unterhalten.

21. August 1968
Jana Liskova ist 1969 nach Deutschland geflohen, also ein Jahr nach dem Prager Frühling. Dort lebt sie heute mit ihrer Familie in Köln am Rhein. Pavel Jelinek verließ seine Heimat bereits ein paar Wochen nach dem Einmarsch der Russen. Nachdem er jahrelang in Deutschland und in Österreich gelebt hat, ist er vor 5 Jahren wieder in seine Heimat zurückgekehrt und wohnt seitdem in Prag. Jana Liskova erinnert sich an den 21. August 1968 als wäre es gestern gewesen:

"Damals hatte ich erst Nachmittag Dienst. Hab also, wie junge Menschen gerne lange schlafen, noch gepennt und plötzlich kommt meine Mutter und sagt die Russen sind hier, die Russen sind hier. Sofort habe ich zu meiner Mutter gesagt, dass ich in die Arbeit gehen muss, egal was. Ich bin wirklich in das Zentrum gekommen und bin in die Arbeit, bevor die Russen uns entdeckt hatten und die sind dann rein in die Büros, haben mit den Maschinengewehren auf uns, wir sollen sitzen bleiben, uns nicht bewegen. Es war schlimm."

Auch Pavel Jelinek hat die Bilder der einmarschierenden Russen in Prag immer noch vor Augen:

"Da gab es ja Tote, zerschlagene Körper, wo die Panzer drüber gefahren sind. Das Nationalmuseum wurde beschossen, ein paar Leute erschossen."

Nach diesen Erlebnissen war für Pavel Jelinek bereits ein paar Tage später klar, dass er in diesem Land nicht mehr bleiben wollte:

"Für mich war das auch ziemlich schnell vorbei, weil am 4. September habe ich dann gesagt Adieu und habe dieses Land wieder verlassen über die grüne Grenze mit zwei Freunden. Ich bin nur deswegen gegangen, weil die Russen da waren und ich habe da einfach keine rosige Zukunft gesehen in dem Augenblick."

Auf die Frage, ob sie sich jetzt eher als Tschechen oder als Deutsche fühlen, antworteten beide ohne zu zögern: als Europäer.