Prager Nationaltheater startet Reihe von Liedermatineen
Das Prager Nationaltheater und die Staatsoper haben vergangene Woche eine Neuheit vorgestellt: In der bevorstehenden Spielzeit wird im Ständetheater eine Reihe von Liedermatineen veranstaltet. Dabei will die Führung der beiden Opernhäuser der Öffentlichkeit Liederzyklen vorstellen, die hierzulande eher selten erklingen. Martina Schneibergová hat darüber mit den Veranstaltern und den Künstlern gesprochen.
Bei acht Matineen auf der Bühne des Prager Ständetheaters werden Lieder von tschechischen und ausländischen Komponisten erklingen, die selbst das musikinteressierte Publikum in einigen Fällen kaum kennt. Per Boye Hansen ist künstlerischer Leiter der Oper am Nationaltheater. Hier ein Gespräch mit ihm:
Herr Hansen, was war der Beweggrund, auf der Bühne des Ständetheaters Lieder aufzuführen?
„Das Lied als Genre lag mir immer schon sehr nahe, ich habe es schon immer geliebt. Ich bin aufgewachsen mit der Literatur von Dietrich Fischer-Deskau und war damals, als junger Mann, auch ein großer Fan von ihm. Bei einem Liederabend ist für die Sänger wichtig, dass das Publikum ihnen so nahe wie möglich kommt. Auch für die Zuschauer ist das schön. So ein Abend braucht eine besondere Intimität und das bestimmt auch, wie er gestaltet werden sollte. Man wird gezwungen, die Beziehung zwischen Text und Musik als eine Einheit darzustellen. Unser Ensemble ist toll zusammengesetzt – wir haben fantastische Sängerinnen und Sänger. Hier können sie sich in diesem Genre probieren und präsentieren.“
Auf dem Programm stehen auch Lieder von einigen tschechischen Komponisten, die im Ausland kaum bekannt sein werden. Wie wurde das Programm zusammengestellt?
„Unser Dramaturg hat tolle Arbeit geleistet und Lieder von Komponisten gefunden, die ich noch nicht kannte. Diese Literatur ist sehr reich und sie wiederzuentdecken, wird eine Aufgabe für uns bei dem Jahr der tschechischen Musik sein.“
Auf die Idee der Liederkonzerte kam der Operndramaturg Beno Blachut. Er sagte gegenüber Radio Prag International:
„Auf den Bedarf oder sogar die Sehnsucht, Lieder vorzutragen, sind wir gestoßen, als wir in der Vergangenheit bei verschiedenen Konzerten auch mit dem Liederrepertoire in Kontakt kamen. Mehr Zeit, uns mit diesem Genre zu befassen, hatten wir während der Corona-Pandemie. Im Probesaal, der auch als Aufnahmestudio dient, zeichneten wir mit unseren Solisten etwa eine Stunde Musik auf. Die Liedliteratur ist sehr umfangreich. Bei den Vorbereitungen auf die Aufnahmen trugen wir sehr viel hochinteressantes Material zusammen. Und wir wollten es nicht wieder in die Schublade oder die Bibliothek zurückstecken. Per Hansen und ich waren davon überzeugt, dass es gut wäre, Konzerte mit diesen Werken zu veranstalten.“
Da die Konzerte im Ständetheater stattfinden, haben sich die Initiatoren ein besonderes Auswahlkriterium überlegt. So haben alle Kompositionen eine Verbindung zu Prag, dem Ständetheater oder zu Persönlichkeiten, die die heutige tschechische Hauptstadt einst besucht haben oder hier tätig waren. Der Operndramaturg:
„Ein weiteres Kriterium für die Liederauswahl war das tschechische Jahr der Musik, das 2024 begangen wird. Wir fangen mit František Škroup an, der Kapellmeister am Ständetheater war, dann folgen Bedřich Smetana und Richard Wagner. Sie alle drei hatten Beziehungen zu Prag. Von Škroup erklingen keine Lieder, sondern das Streichquartett Nr. 1, das der Komponist dem namhaften norwegischen Violinisten Ole Bull widmete, der in den 1840er Jahren in Prag mehrere Konzerte hatte. Beim darauffolgenden Konzert erklingen unter anderem Kompositionen von Ludwig van Beethoven und Carl Maria von Weber, der auch Kapellmeister am Ständetheater war. Bei den Kammerkonzerten werden chronologisch etwa Werke vom Ende des 18. Jahrhunderts bis hin zu Gegenwartskomponisten aufgeführt. Diese werden im Herbst nächsten Jahres auf dem Programm stehen.“
Bei einer der Matineen tritt die renommierte tschechische Sopranistin Kateřina Kněžíková auf. Sie sagte, sie sei mit Liedern aufgewachsen. Darum habe sie eine enge Beziehung zu dieser Musik, so die Sängerin:
„Ich denke, dass jeder Opernsänger neben Arien auch Lieder in seinem Repertoire haben sollte. Denn das ist etwas völlig anderes. Ich bin davon überzeugt, dass das auch für die Stimme gesund ist und empfehle meinen Schülern von daher, auch Lieder zu singen. Bei diesen Werken kann sich der Interpret hinter nichts verstecken und muss mehr mit dem Text arbeiten. Es handelt sich also fast um ein ganz anderes Fach als der Operngesang. Und so ist das Singen von Liedern viel schwieriger – aber auch viel schöner.“
Den Konzertzyklus eröffnet die tschechische Mezzosopranistin Štěpánka Pučálková, die Mitglied des Opernensembles der Semperoper in Dresden ist. Im Ständetheater singt sie die Wesendonck-Lieder von Richard Wagner. Im Folgenden ein Gespräch mit der Künstlerin:
Frau Pučálková, welche Stellung nimmt Liedgut in Ihrem Repertoire ein?
„Eigentlich eine ganz wichtige. Die Wesendonck-Lieder sind der einzige Liederzyklus von Richard Wagner. So einen Zyklus von Wagner im Repertoire zu haben, ist für eine Sängerin von großer Bedeutung. Ich bin mit Wagners Musik jetzt in Kontakt gewesen – durch den Ring des Nibelungen, den wir mit Christian Thielemann in der Semperoper einstudiert haben. Ich bin also sehr froh, dass ich die Lieder singen werde. Es ist der richtige Zeitpunkt.“
Tragen die Opernsänger in Deutschland öfter Lieder vor als die hierzulande? In Tschechien kommt es ja eher selten vor, dass Opernsänger Liederkonzerte haben, oder?
„Ich habe in den deutschsprachigen Ländern mehrere Kollegen, die sich auf das Liedrepertoire spezialisieren. Sie singen natürlich auch in Opern, aber sie präsentieren oft auch Liederzyklen. In Tschechien ist so etwas sehr selten, würde ich sagen. Ich bin von daher sehr froh, dass ich als tschechische Sängerin Wagners Lieder in Prag präsentieren und dem tschechischen Publikum etwas vom deutschen Liedrepertoire singen darf.“
Kommen wir auf die Oper zurück. In welchen Rollen können Sie die Zuschauer sehen?
„An der Semperoper Ende Oktober in Offenbachs ,Hoffmanns Erzählungen‘. Es folgt die Wiederaufnahme von ,Hänsel und Gretel‘ von Humperdinck und ,Die Fledermaus‘. Ich wurde außerdem speziell nach Leipzig einladen, wo ich Ende März mein Debüt als Octavian im ,Rosenkavalier‘ gebe. Es ist eine Neuinszenierung. Die Rolle der Sophie singt eine weitere tschechische Sopranistin Olga Jelínková. An der Semperoper folgt dann ,Katja Kabanowa‘, die Wiederaufnahme von ‚L’Orfeo‘ und am Ende der Saison Mahlers Sinfonie der Tausend mit Christian Thielemann. Es ist sein Abschlusskonzert. Ich habe die Ehre, mitzusingen.“
Die erste Matinee mit Štěpánka Pučálková findet am Samstag, 23. September, um 11 Uhr im Ständetheater statt. Es gibt noch Restkarten.