Weinberger, Zemlinsky, Mozart: Blick auf die neue Spielzeit der Prager Opernhäuser
Das Prager Nationaltheater und die Staatsoper haben vor kurzem ihre Pläne für die Spielzeit 2022/2023 vorgestellt. Denn jetzt im April wurde der Vorverkauf für die Saison in beiden Häusern gestartet. Per Boye Hansen ist künstlerischer Leiter für das Opernensemble des Prager Nationaltheaters und der Staatsoper. Martina Schneibergová hat mit dem Opernchef gesprochen.
Herr Hansen, mit welcher Premiere eröffnet die Oper die nächste Spielzeit?
„Wir werden mit einer Operette anfangen – zum ersten Mal seit vielen Jahren. Es ist eine wunderbare Operette von Paul Abraham mit vielen Intrigen, Missverständnissen und Liebesbeziehungen. Regie hat Martin Čičvák. Ich glaube, es könnte eine sehr unterhaltsame Vorstellung werden.“
Es ist schon etwas ungewöhnlich, dass eine Operette in der Staatsoper aufgeführt wird. Wie entstand die Idee?
„Da haben sie Recht, dass in diesem Theater lange keine Operetten mehr gespielt wurden. Wenn man sich aber die Geschichte der Staatsoper beziehungsweise des früheren Neuen Deutschen Theaters oder auch des Nationaltheaters ansieht, findet man, dass bis zum Zweiten Weltkrieg dort sehr viele Operetten aufgeführt wurden. Und das Publikum hat sie begeistert aufgenommen. Es gab sogar Jahre, in denen mehr Operetten als Opern gespielt wurden.“
Wegen der Corona-Pandemie musste die Premiere einer Neuinszenierung der Oper „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ von Jaromír Weinberger einige Mal verschoben werden. Nun soll sie im Oktober aufgeführt werden. Die Oper ist hierzulande nicht sehr bekannt, vermutlich wurde sie zuletzt vor etwa 15 Jahren in der Oper in Opava / Troppau gespielt. „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ gilt jedoch als die meist aufgeführte tschechische Oper im Ausland…
„Genau. Und diese Oper gehört zu uns, denn sie wurde 1927 im Nationaltheater uraufgeführt. Gleich danach hat man sie überall in Europa gespielt. Es war eine der meistgespielten Opern überhaupt in der damaligen Zeit. Und sie wurde sogar in der Metropolitan Opera in New York inszeniert.“
Wer wird Regie haben?
„Vladimír Morávek. Ich habe seine wunderschöne und phantasievolle Inszenierung der Zauberflöte gesehen, und es freut mich sehr, dass er wieder bei uns arbeitet.“
Im Herbst vergangenen Jahres wurde im Rahmen der Reihe „Musica non grata“ unter anderem ein Zemlinsky-Festival veranstaltet. In der kommenden Spielzeit soll seine Oper „Kleider machen Leute“ einstudiert werden. Das Werk ist hierzulande mittlerweile so gut wie unbekannt. Handelt es sich um eine Rückkehr zum Repertoire des früheren Neuen Deutschen Theaters?
„Es handelt sich sozusagen um eine ,Ausgrabung‘ aus unserer eigenen Vergangenheit. Zemlinsky war hier 16 Jahre Operndirektor, also eigentlich mein Vorgänger im Neuen Deutschen Theater. Er hat seine Oper selbst 1922 hier zur Aufführung gebracht. Das Werk hat er für Prag umgearbeitet – es wurde gekürzt und ein wenig gestrafft. In Wien wurde es vor dem Ersten Weltkrieg uraufgeführt. Ich finde die Musik wunderbar, dramatisch und sehr theatralisch.“
Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass Zemlinsky in Tschechien sehr wenig zu hören war?
„Ich wundere mich da selbst, muss ich sagen. Zemlinsky gehört heute zum Standardrepertoire. Es gibt zwei, drei Stücke von ihm, die überall gespielt werden, aber ,Kleider machen Leute‘ eher weniger. Es ist eine Komödie, und ich halte diese Oper für ein Schlüsselwerk von Zemlinsky.“
Im Prager Ständetheater wurde im vergangenen Jahr ein Da-Ponte-Zyklus eröffnet, in dessen Rahmen Mozarts Opern inszeniert werden, die nach einem Libretto von Lorenzo da Ponte entstanden sind. Wird der Zyklus nun abgeschlossen?
„Der Opernzyklus entstand in Zusammenarbeit mit dem Nationaltheater Mannheim. Mozart kam öfter nach Mannheim und hat das dortige Orchester geliebt. Den Zyklus schließen wird mit ,Le nozze de Figaro‘ ab. Inszeniert wird die Oper von der jungen tschechischen Regisseurin Barbora Horáková.“
Nach Jahren steht auch der Rosenkavalier von Richard Strauss wieder auf dem Spielplan…
„Es ist ein sehr schwieriges Werk, das sehr viele Proben und ein großes Ensemble verlangt. Das bedeutet eine große Herausforderung für das Orchester. Wir haben den bekannten Regisseur Andreas Homoki, den jetzigen Intendanten des Opernhauses Zürich dafür gewinnen können, die Regie zu führen. Er hat die Oper schon inszeniert, aber für Prag hat er ein neues Bühnenbild geschaffen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Strauss ist natürlich auch ein Komponist, der mit Prag verbunden ist. Er war Anfang des vergangenen Jahrhunderts mehrmals in der Stadt und hat hier dirigiert.“
Nach ein paar Jahren kehrt Dirigent Robert Jindra ins Nationaltheater zurück. Er ist der neue Musikdirektor des dortigen Opernensembles geworden. Was war der Impuls?
„Ich habe Robert Jindra hier kennengelernt, er hat schon einige Vorstellungen dirigiert, darunter den Lohengrin. Ich war von ihm sehr begeistert. Wir haben uns getroffen, und ich fragte ihn, ob er den Chefposten übernehmen würde. Ich bin sehr froh, dass er dieses Angebot angenommen hat. Nach sechs erfolgreichen Jahren mit Jaroslav Kyzlink ist es meiner Meinung nach gut, hier eine Neuerung zu haben.“
Das Prager Nationaltheater unterstützt auf verschiedene Weise seit Wochen ukrainische und belorussische Künstlerinnen und Künstler. So werden beispielsweise Studien- und Arbeitsaufenthalte angeboten sowie Möglichkeiten des Trainings für Tänzerinnen und Tänzer. Wie kommt diese Unterstützung für die Ukrainer in der Oper zum Ausdruck?
„Wir sind von den vielen menschlichen Tragödien, die wir jeden Tag erleben, tief betroffen. Bei uns hat aber auch ein russisches Team gearbeitet, das die Inszenierung von Franz Schrekers Oper ,Der ferne Klang‘ einstudierte. Sie haben sich sofort gegen Putin ausgesprochen und können nun nicht mehr in ihre Heimat zurückreisen. Russlands Krieg gegen die Ukraine ist eine Tragödie. Es ist nur zu hoffen, dass dieser Albtraum bald vorbei ist.“
Mehr über den Kartenverkauf erfahren Sie unter: https://www.narodni-divadlo.cz/en/tickets-and-subscriptions.