Prager Stadtpolitiker ziehen ins Feld gegen geplante Nationalbibliothek
Der Blob wird woanders sein, die Letna-Ebene ist aus dem Spiel. So titelt die Tageszeitung Lidove noviny in ihrer jüngsten Ausgabe. In gutem Deutsch gesagt, die geplante Dominante des Prager Teils Letna, die neue hypermoderne Nationalbibliothek, wird es nicht geben. Gegen den kontroversen Entwurf wollen einflussreiche Politiker in der Stadtvertretung ins Feld ziehen.
Future System, vertreten durch Jan Kaplicky. So feierlich verkündete der Direktor der Nationalbibliothek in Prag, Vlastimil Jezek, am 2. März dieses Jahres den Namen des britisch-tschechischen Architekten und seines Londoner Büros als Sieger der internationalen Ausschreibung für den Bau einer neuen Nationalbibliothek. Ein ganzes Jahr war die internationale Jury mit über 350 eingereichten Entwürfen beschäftigt. Da die neue Bibliothek oberhalb der Altstadt stehen sollte, musste u.a. auch berücksichtigt werden, wie sich das neue Gebäude in das Prager Panorama einfügt.
Nach heftigen Diskussionen war es soweit, die Wahl fiel auf das futuristische Projekt von Jan Kaplicky. Irene Wiese von Ofen, die für die UNESCO als Jurymitglied über die Einhaltung aller vorgegebenen Kriterien wachte, meinte damals gegenüber Radio Prag, dass es gelungen sei, die Gegner von Kaplickys Entwurf davon zu überzeugen:
"Moderne Architektur kann sehr wohl aus dem Rahmen fallen und sich trotzdem einfügen. Und vor allem das verspricht dieses Projekt."
Diese Meinung teilten dann allerdings nicht viele. Zunächst musste sich eine Unesco-Kommission mit der Beschwerde des Tschechischen Architektenverbandes befassen. Zu Worte meldeten sich aber auch Personen aus anderen Bereichen, auch Politiker waren keine Ausnahme. Die öffentliche Debatte, getragen von Begeisterung auf der einen und Kritik auf der anderen Seite, riss bis heute nicht ab. Vor einiger Zeit schloss sich auch Präsident Vaclav Klaus den Bibliothekgegnern an, indem er seine Bereitschaft erklärte, sich an der künftigen Bibliothekbaustelle höchstpersönlich anzuketten, um den Bau des seiner Meinung nach unpassenden Objektes zu verhindern.
Dieser Tage hallt es ähnlich aus dem Prager Magistrat. Der bürgerdemokratische Fraktionschef Pavel Zdarsky ließ verlauten, er wolle alles dafür tun, dass die "Krake", so einer der Beinamen der noch nicht existierenden Bibliothek, im Stadtviertel Letna nicht entstehen wird.Ähnlicher Meinung wie Zdarsky sind etwa drei Viertel seiner Parteikollegen in der Stadtvertretung. Ihm zufolge wolle man sich im Januar oder Februar kommenden Jahres mit der Frage der neuen Nationalbibliothek befassen. Wenn die Stadtvertreter gegen den Bau seien - so Zdarsky für die Zeitung Lidove noviny - dann werde es ihn auch nicht geben. Der Bau sei eine Katastrophe!
Nun scheint auch der anfängliche Optimismus von Jan Kaplicky, in dessen Werkstatt das umstrittene Projekt zur Welt kam, nachgelassen zu haben. "Aus Kultur ist Politik geworden. Es ist sehr traurig," zitiert Lidove noviny den Stararchitekten. Vielleicht weiß er auch mehr als diejenigen, die schon jetzt über den Grund des Vorgehens der ODS-Stadtpolitiker spekulieren. Die Rede ist von den Olympischen Winterspielen, die man im Jahr 2016 in Prag ausrichten möchte. Dann werden wir attraktive Grundstücke brauchen, heißt es!