Prager Theaterfestival Deutscher Sprache
Vom 6.-16. November findet in Prag das 7. Theaterfestival Deutscher Sprache statt. Neben hochkarätigen Inszenierungen und Lesungen ist in diesem Jahr auch erstmals ein Off-Programm Bestandteil des Festivals, das von einer neuen Generation junger tschechischer Theatermacher gestaltet wird. Zur diesjährigen Auflage des Festivals informiert Sie Martina Zschocke.
"Prag hat eigentlich eine uralte Tradition des deutschen Theaters. Es muß gesagt werden, dass das Deutsche Theater früher in Prag professioneller spielte, als das tschechische Theater Aber dann gab es das goldene 19. Jahrhundert, wo diese beiden Sprachen theatralisch ihren Höhepunkt erreicht haben, nach dem Bau des Nationaltheaters auch die Deutschen in Prag das Neue Deutsche Theater gebaut haben, das ist die heutige Staatsoper. Ich selbst wurde groß in einer Stadt, die zweisprachig war und drei Kulturen beinhaltete, auch die jüdische Kultur. Das hat mir natürlich dann viel, viel, viel später gefehlt. Weil Sie wissen, eigentlich in Prag ...fand der größte Bevölkerungsumschlag statt, nachdem die Deutschen die Juden vernichtet und die Tschechen die Deutschen also aus dem Lande verwiesen haben. Und plötzlich war hier eine Monokultur. Und das ist keine monokulturelle Stadt. Man muß sich die Stadt nur anschauen und man sieht das eigentlich der große Geist dieser Stadt Karl der IV., schon damals vor 600 Jahren nach der Qualität und nicht nach der Nationalität die Aufgaben vergab. Und wir wollten es wieder lebendig machen und es war plötzlich in der Luft, dass so etwas möglich sein kann. Zum Glück ist es gelungen so etwas zu starten und jetzt sind wir dabei alles zu versuchen, dass dieses Projekt nicht stirbt."
Vom 6.-16. November wird das Festival in diesem Jahr stattfinden und wie jedes Jahr lässt es auch diesmal wieder etliche Höhepunkte erwarten. Zum aktuellen Programm und seinen Schwerpunkten fragte ich Festivaldirektorin Jitka Jilková:
"Auf alle Fälle bringen wir dieses Jahr eine Aufführung, die wir uns sehr lange gewünscht haben. Das ist "Rosmersholm" vom Wiener Burgtheater in der Regie von Peter Zadek. Und mit den wunderbaren Darstellern kann man das Stück sicher nicht anders als ein Highlight benennen. Aber die Kinder des Olymp, die wir zum Schluß bringen, das ist natürlich eine, ja man kann ruhig sagen, eine akrobatische Aufführung. Eine wunderbare. Und außerdem soll sie in Prag zum letzten Mal gezeigt werden. So dass mit größter Wahrscheinlichkeit sogar die Kulissen in Prag bleiben und hier zerstört werden sollten."
Außerdem soll es eine Inszenierung zum Thema Fußball geben. "Leben bis Männer" ist die Inszenierung eines Monologs. Es ist das Selbstgespräch eines Fußballtrainers. Der Text des jungen deutschen Erfolgsautoren Thomas Brussig handelt vor allem von Fußball, aber auch von aktuellen Problemen der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart und wird vom Deutschen Theater Berlin auf die Bühne gebracht. Pavel Kohout ergänzt das literarische Rahmenprogramm des Festivals:
"Außerdem haben wir drei große Abende, die zwar als klein genannt werden können, aber im Prinzip sind sie groß, nämlich drei Lesungen. Zwei reine Lesungen: das ist die Senta Berger, die bei uns den Schnitzler liest und Maximilian Schell, der auch bei uns einen Leseabend - sogar mit Diskussion - haben wird. Und der dritte Abend, das ist dann etwas ganz besonderes. Das ist einer der besten Dichter unseres Landes, Ji"i Gru"a, momentan tschechischer Botschafter in Wien, nachdem er schon sieben Jahre tschechischer Botschafter in Bonn und Berlin war und einer der interessantesten Publizisten Deutschlands Jürgen Serke, der die berühmten Bücher "Verbrannte Dichter. Verbannte Dichter" und "Böhmische Dörfer" schrieb. Und die beiden werden einen Abend miteinander gestalten."
Dieser Abend steht unter dem Titel "Hommage, Kollage" und ist als poetische Reminiszenz an die großen tschechischen Dichter Ji"i Kola" und Ivan Blatný angelegt. Gru"a wird eigene Übersetzungen von Kola"-Gedichten lesen, die hier erstmals in deutscher Sprache zu hören sind. Außerdem lesen Serke und Gru"a auch aus eigenen Werken. Beide wurden erst unlängst mit dem Preis Litera ausgezeichnet, einem Preis für die besten literarischen Werke des Jahres.
Neben dem offiziellen Programm gibt es in diesem Jahr erstmals das sogenannte Off-Programm. Hören Sie Näheres dazu von Jitka Jilková:
"Ein Tag soll dem Thema Fußball gewidmet werden, ein Tag dem Thema Nazismus und Sudetendeutschland und die Beziehungen zu den Sudetendeutschen. Und der dritte Tag oder Abend soll dem Thema Rassismus, Neonazismus gewidmet werden mit Videoprojektionen, Vorträgen, aber auch mit Musik."
Dieses Programm wird vor allem improvisatorischen Charakter tragen, wobei der Rahmen und die künstlerische Leitung jedoch feststeht. Pavel Kohout beschreibt es als Experiment:
"Zum ersten Mal nach sieben Jahren beginnt bei uns ein Generationswechsel kann man sagen. Wir haben dieses Programm angeboten, den jüngsten Kollegen, die erst unlängst die Theaterschule beendet haben. Und es ist auch ein Versuch, ob das auch in den nächsten Jahren wirklich ein Bestandteil unseres großen Programms sein kann."
Das Prager Theaterfestival Deutscher Sprache existiert nunmehr seit 1996. Mittlerweile ist es zu einer festen Tradition in der Prager Kulturlandschaft geworden und wird vom Publikum ausgesprochen gut angenommen. Dazu und zur Auswahl der Stücke hören Sie Festivaldirektorin Jitka Jilková:
"Das Festival wird jedes Jahr von dem Publikum schon ziemlich erwartet. Außerdem, oder nicht außerdem es gehört dazu, dass wir uns bemühen, interessante Aufführungen nach Prag zu bringen, natürlich interessante Aufführungen nach Prag zu bringen. Aber interessant in dem Sinne, dass es manchmal so Inszenierungen sind, welche man in Prag noch nicht kennt. Wir sind bemüht neue, entweder ganz berühmte oder junge Regisseure vorzustellen. Regiearbeiten, die vielleicht in Prag nicht üblich sind oder nicht sehr oft gesehen werden können. Und wir bemühen uns auch neue Theaterstücke vorzustellen, das heißt neue deutschsprachige Autoren dem Publikum vorzustellen."
In der bisherigen Geschichte des Festivals gab es immer wieder namhafte Regisseure und brilliante Inszenierungen zu sehen. Einige herausragende Stücke und die Entwicklung des ganzen Projekts schildert Pavel Kohout:
"Also zunächst als wir begannen im Jahr 1996, da mussten wir eine Lücke füllen, nämlich eine Lücke von 50 Jahren, wo das deutschsprachige Theater so gut wie unbekannt war. Und deswegen begannen wir mit den großen Regiestars der Zeit und mit den großen Theatern der Zeit. Also wir begannen, wenn ich mich richtig noch erinnere, in den ersten Jahren waren hier das Burgtheater, Thalia Theater Hamburg, Deutsches Theater Berlin, Münchner Kammer-spiele und Züricher Schauspielhaus. Also wirklich Creme de la Creme. Und dann war es natürlich ein Schock, weil plötzlich hat man verstanden, dass da neben uns eine große Theaterkultur existiert. Und seit der Zeit beginnt das Interesse des Publikums, dass wir dann immer wieder irgendwohin leiten wollten, zum Beispiel als wir mit den neuesten Jungstars kamen Ostermayer und so, die also plötzlich auch hier begeisterten. Und da kamen wir eben mit dem 12stündigen Epos "Schlachten" und da kamen wir im vorvorigen Jahr mit 6 Regionalbühnen sozusagen. Plötzlich kamen nicht die Großen, aber die Vorstellungen blieben groß und großartig und man sah, diese Kultur ist nicht nur zentral in den Hauptstädten vorhanden, sondern überall in Deutschland. Und deswegen glaube ich, dass wir jedes Jahr eine Chance haben, immer etwas Neues zu bringen."
Ein besonderer Höhepunkt in diesem Jahr wird sicher "Rosmersholm" vom Wiener Burgtheater sein. Diese Inszenierung gewann im letzten Jahr den "Nestroy", den Ersten Wiener Theaterpreis, in mehreren Rubriken - unter anderem für die beste deutschsprachige Aufführung und die beste Regie. Der Schriftsteller und Mitorganisator des Festivals Pavel Kohout erläutert das Besondere dieser Inszenierung mit einer schönen Analogie:
"Ich habe bei der Pressekonferenz gesagt, weil es mir damals einfiel, dass...ich habe die Vorstellung zweimal gesehen in Wien im Burgtheater und ich sagte, es kommt mir so vor als zeichnete Picasso auf alte Tage noch einmal ein realistisches Pferd. Mit allem Können, dass er also gewonnen hat, mit aller Vereinfachung, die er gelernt hat, noch einmal ein Pferd. Weil die Vorstellung ist eigentlich eine der einfachsten, die ich je gesehen habe und trotzdem ist sie grandios."
Ein Deutschsprachiges Theaterfestival in Prag ist von besonderer Bedeutung in einer Zeit, in der sich die tschechisch-deutschen oder auch tschechisch-österreichischen Beziehungen nicht immer reibungslos gestalten. Pavel Kohout, der auch maßgeblich an der Erklärung zur tschechisch-deutschen Versöhnung im Jahr 1997 mitwirkte, sieht die Lage entspannt und den Einfluß eines solchen Festivals äußerst positiv:
"Ich nehme an, die Beziehungen sind künstlich angespannt und wiederspiegeln zum Glück nicht die effektive Lage der Situation, weil ich glaube, dass die Beziehungen zwischen den Gesellschaften der deutschen und der österreichischen und der tschechischen eigentlich historisch gesehen, nie so gut waren wie jetzt. Wir führen keine Kriege, wir diskutieren, wir beschimpfen uns ab und zu. Wir haben viele Sachen, die uns entfernen aber auch sehr viele, mehr, die uns also näher bringen. Und ich glaube das Festival gehört zu den tausend und eine Aktivität, die das retten, was die Politik vernichtet ab und zu."
Sollten Sie das Festival besuchen wollen, empfiehlt es sich baldmöglichst Karten zu reservieren. Es wird auch in diesem Jahr wieder mit ausverkauften Häusern gerechnet.
Der Kartenvorverkauf erfolgt im Verkaufsnetz von Ticketstream und in allen Zweigstellen der Reisebüros Fischer und Autoturist. Telefonisch bestellen können Sie unter 224 263 049.
Weitere Informationen zum Festival finden Sie unter: www.theater.cz.