Rache-Geschichte: Ötzi-Film von Regisseur Randau

Film „Der Mann aus dem Eis“ (Foto: Archiv SMART Communication)

Es ist wohl der älteste ungelöste Mordfall der europäischen Geschichte. Noch immer ist nicht geklärt, warum die Tiroler Gletschermumie „Ötzi“ vor 5000 Jahren ums Leben gekommen ist. Der deutsche Regisseur Felix Randau beleuchtet nun in seinem Film „Der Mann aus dem Eis“ die möglichen Hintergründe von „Ötzis“ Tod. Randau hat seinen Streifen in diesen Tagen beim Festival deutschsprachiger Filme in Prag vorgestellt. Nach der Filmvorführung entstand das folgende Interview mit dem Regisseur.

Film „Der Mann aus dem Eis“  (Foto: Archiv SMART Communication)
Herr Randau, was hat Sie an Ötzi, einem Helden ohne Geschichte, fasziniert?

„Ich bin vor etwa vier Jahren über den Flohmarkt in Berlin gelaufen und habe da zufällig eine alte Ausgabe des Magazins ‚Stern‘ gesehen. Auf der Titelseite war eine Zeichnung. Sie stellte einen Mann dar, der durch Schneesturm stolpert. Die Überschrift lautete ,Das Geheimnis von Ötzi‘. Ich habe das Magazin gekauft und habe plötzlich gemerkt, dass ein großes Geheimnis hinter dieser Figur steht. Wir alle kennen Ötzi, aber wissen nicht, wie er zu Tode kam, in welcher Umgebung er gelebt hat, was für ein Mensch er war. Und das war wie ein Geschenk für mich, damit hat es angefangen.“

Felix Randau  (Foto: Archiv SMART Communication)
Was ist alles über Ötzi bekannt?

„Man kennt mehrere medizinische Details: dass er Zahnschmerzen haben musste, was er gegessen hat und Ähnliches. Zudem weiß man, dass er ermordet wurde, denn er wurde hinterrücks erschossen, und dass er schnell gestorben ist. Man weiß, dass er einen höher gestellten Rang in seiner Gemeinschaft gehabt haben muss, aber sonst weiß man nicht viel.“

Hat Ihnen als Drehbuchautor und Regisseur die Figur von Ötzi mehr Raum geboten als eine der historischen Persönlichkeiten, deren Schicksal vielleicht schon verfilmt wurde?

„Ja. Denn es gibt nur ein paar Fakten, und den Rest kann man sich im besten Sinne dazu erfinden. Bei historischen Figuren, die 500 Jahre tot sind, gibt es viele Zeugnisse schriftlicher Art. Da ist das Korsett für den Erzähler viel enger. Dass es das nicht gab, war für die Arbeit an dem Film schön.“

Hatten Sie sich zuvor mit der Jungsteinzeit beschäftigt – also mit der Epoche, in der die Handlung spielt?

Film „Der Mann aus dem Eis“  (Foto: Archiv SMART Communication)

Film „Der Mann aus dem Eis“  (Foto: Archiv SMART Communication)
„Eigentlich nicht. Ich habe natürlich viel recherchiert und bin mit der Haltung herangegangen, dass es damals Menschen sein mussten wie du und ich. Sie mussten die gleichen Gefühle gehabt haben: Liebe, Hass, Wut und Neid haben sie garantiert auch gekannt. Das war für mich der erste Ansatz. Ich glaube nicht, dass die Leute damals schlechter gelebt haben als wir.“

Im Film geht es um eine Rache-Geschichte. Derartiges hat sich seit Ötzis Zeiten schon Millionenfach abgespielt und ist auch weiter aktuell…

„Ich glaube, es gibt immer Zyklen, die ablaufen. Wir leben jetzt gerade in einer Zeit, in der es in unseren Breitegraden wenigstens relativ friedlich läuft. Aber es wird nicht für immer so bleiben. Wir denken immer, dass wir die Speerspitze des Fortschritts sind. Aber dann gibt es wieder Rückschläge. Ich bin davon überzeugt, dass der Mensch nie aus der Vergangenheit lernt.“

Film „Der Mann aus dem Eis“  (Foto: Archiv SMART Communication)
Sehr stark sind die Momente im Filme, in denen die Personen ihre Emotionen zum Ausdruck bringen. Sie sprechen nicht viel, und wenn, dann in rätischer Sprache. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, diese Sprache für den Film zu rekonstruieren?

„Das Drehbuch enthielt ganz normale Dialogsätze. Ich wollte aber nicht, dass sie Deutsch, Italienisch oder Englisch erklingen, weil damals anders gesprochen wurde. Deswegen haben wir von einem Linguisten eine Sprache erfinden oder rekonstruieren lassen. Die haben die Schauspieler wie ein Text normal gelernt.“

Haben die Schauspielerinnen und Schauspieler vor dem Dreh das Leben in der Jungsteinzeit geübt?

Film „Der Mann aus dem Eis“  (Foto: Archiv SMART Communication)
„Ja. Bevor wir angefangen haben zu drehen, hatten wir etwa zehn Tage für eine Einführung. Es sind Spezialisten gekommen, die uns gezeigt haben, wie man damals genäht hat, wie man Bogen geschossen hat, wie man Feuer ohne Streichhölzer macht. Es war eine Art Trainingscamp. Das hat allen sehr geholfen. Sie fühlten sich darauf vorbereit, in die Jungsteinzeit hineingeschoben zu werden. Das ging so weit, dass einige sogar in den Hütten schlafen wollten, aber aus versicherungstechnischen Gründen war das nicht möglich.“

Eine Stärke des Films ist die Natur, in der gefilmt wurde. Haben Sie lange nach der richtigen Gegend in den Alpen gesucht? Zum Teil wurde ja auch dort gedreht, wo Ötzi gefunden wurde…

Film „Der Mann aus dem Eis“  (Foto: Archiv SMART Communication)
„Die Suche nach den Drehorten hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen, weil die ganzen Alpen total besiedelt sind. Es gibt kaum Ecken, an denen keine Hütte steht, wo keine Straße führt. Wobei, eigentlich gibt es die schon, aber man muss sie finden. Das war ein wichtiger Teil des Drehprozesses.“

Werden Sie sich auch weiterhin in ihren Filmen mit historischen Themen befassen?

„Mein nächster Film, den ich drehen werde, ist auch ein historischer Film. Aber der spielt zwischen 1940 und 1943. Ich bin eigentlich kein Fan von historischen Filmen, das war eher eine Ausnahme. Wirklich interessieren mich am Kino die großen Fragen, wenn ich das so ,großkotzig‘ sagen darf. Mich interessieren keine typischen Fernsehfilmthemen. Ich würde sagen, aus den zehn Geboten kann man eigentlich zehn tolle Filme machen. Dort sollte man nach Themen suchen.“