Radio Wave: Jugendsender des Tschechischen Rundfunks ein halbes Jahr auf Sendung
Über viele Jahre wurde sein Start vorbereitet, seit einem halben Jahr kann es empfangen werden: Die Rede ist von Radio Wave, dem vierten Programm des Tschechischen Rundfunks, dass speziell auf junge Hörer ausgerichtet ist. Die ersten Mediendaten deuten darauf hin, dass der Zuspruch beim Publikum weitaus größer zu sein scheint, als die Senderverantwortlichen ursprünglich erwartet hatten.
Der öffentlich-rechtliche Tschechische Rundfunk - Cesky rozhlas - ist mit seinen sieben Programmen unbestritten die größte Medienanstalt des Landes, die versucht, ihrem Auftrag gerecht zu werden und beim Publikum ein breites Spektrum abzudecken. Was jedoch dem Rundfunk lange fehlte, war ein spezielles Programm, das sich ausschließlich auf junge Hörer konzentrieren, sich aber gleichzeitig auch von den herkömmlichen kommerziellen Stationen unterscheiden würde. Eigentlich überlegte man schon vor zehn Jahren einen solchen Sender aus der Taufe zu heben, doch das Projekt wurde immer wieder vertagt.
Seit Anfang des Jahres wurde jedoch diese Lücke im Programmangebot des Rundfunks geschlossen. Am 13. Januar 2006 ging mit Radio Wave erstmals ein Programm für junge Hörer auf Sendung. Möglich wurde das nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit der beginnenden Digitalisierung des Rundfunks in Tschechien, die bereits konkrete Gestalt angenommen hat. Somit soll Radio Wave, gemäß den Vorstellungen der Verantwortlichen bei Cesky rozhlas, eines von jenen Spartenprogrammen sein, die mit dem Übergang zum Digitalfunk das größte Rundfunkunternehmen des Landes auf dem heimischen Markt positionieren und seine Vorreiterrolle unterstreichen soll.
Lässt sich nun, nach einem halben Jahr, bereits eine Bilanz ziehen? Wie konnte sich der Sender während dieser kurzen Zeit auf dem tschechischen Radiomarkt positionieren? Darüber unterhielten wir uns mit dem Chefredakteur von Radio Wave, Ladislav Kylar.
"Wir haben gerade die ersten Daten der Umfrage Radio-Projekt vor uns, wo die Einschaltquote verschiedener Sender festgehalten wurde. Radio Wave wurde zwar offiziell nicht eingegliedert, aber soviel ich weiß, sind die ersten Ergebnisse dreimal besser, als ich erwartet habe. Meine Schätzungen gingen bis zum Jahresende von ungefähr 15.000 Hörern pro Woche aus, was schon ein Erfolg gewesen wäre. Nun haben wir innerhalb der vergangenen sechs Monate wöchentlich zwischen 20.000 und 40.000 Hörern. Für mich persönlich war das schon eine Überraschung, dass wir so einen Erfolg hatten. Gerade in der Anfangszeit läuft ja Vieles nicht so, wie es laufen sollte, und es gibt immer noch sehr viel Arbeit, die gemacht werden muss."
Bei der Zielgruppe von Radio Wave, das heißt bei den jungen Hörern in der Altersgruppe zwischen 15 und 25 Jahren, kann man annehmen, dass sie mit ihrer eventuellen Kritik am Sender nicht hinterm Berg halten werden. Wie haben die Hörer von Radio Wave auf die neue Station reagiert? Haben sie versucht, durch Vorschläge das Programm und die Gestaltung der Sendungen zu beeinflussen? Dazu sagt Ladislav Kylar:
"Na ja, das ist wie bei jedem jungen Sender am Anfang. Manche Dinge gefallen mehr oder weniger, man muss auch auf das Programmformat achten. Gerade mit diesem Sender wurden ganz große Erwartungen verknüpft. Ich hatte so ein Gefühl, als ob die ganze Branche drauf gewartet hätte, bis wir wie ein Erlöser kommen und den ganzen Radiomarkt in Böhmen und Mähren retten. Das ist aber nicht möglich. Was die Hörer angeht, so glaube ich, dass wir jenen Teil der Hörer, die wir ansprechen wollten, bereits erreicht haben. Die Hörer melden sich ab und zu, schicken eine SMS, eine E-Mail, manche Gruppen schicken auch eigene Tracks und wollen, dass wir diese senden. Das alles passiert noch nicht so oft, wie wir erwarten würden, aber die Tendenz scheint mir zu steigen. Natürlich - jetzt haben wir ein großes Loch vor uns, denn es kommen die Ferien, und gerade junge Leute wollen wegfahren. Das müssen wir überbrücken und ab Herbst wieder abfangen."
Bislang kann Radio Wave flächendeckend nur über das Internet empfangen werden. In Prag und Teilen Mittelböhmens ist auch der Empfang über eine UKW-Frequenz möglich. Völlig unterdimensioniert sind jedoch bislang die digitalen Empfangsmöglichkeiten, die sich praktisch neben Prag nur auf die beiden Großstädte Brno / Brünn und Ostrava / Ostrau beschränken. Ist es nicht ein Handicap, dass man nicht gänzlich auf UKW ausstrahlt? Gerade in der Anfangsphase, wo sich dieses Projekt bei den Hörern erst etablieren muss, wäre vielleicht eine größere Breitenwirkung von Vorteil. Dazu sagt der Chefredakteur von Radio Wave, Ladislav Kylar:
"Erstens muss ich sagen, dass ich das nicht als Handicap sehe, dass wir nur auf einer UKW-Frequenz ausstrahlen, obwohl in Prag und Umgebung der Markt besonders dicht ist. Wir haben einen ziemlich starken 50-kW-Sender, womit man Gebiete erreichen kann, mit denen wir gar nicht gerechnet hatten. Diese Station sollte ursprünglich ein Vorreiter der Digitalisierung werden. Wir haben auch schon Rückmeldungen aus anderen Städten, wo der digitale Rundfunk bereits zu empfangen ist, in Brünn und Ostrava. Ob man diese Hörer als den künftigen Kern unserer Hörerschaft bezeichnen kann, muss sich noch zeigen, weil es sich um eine kleine Gruppe handelt. Ansonsten werden wir in anderen Landesteilen über das Internet gehört. Ich würde sagen, wenn diese drei Sachen, also digitaler Rundfunk, Internet und UKW, einander ergänzen, dann wird sich daraus ein starkes Medium herausbilden."
Erfahrungen aus Westeuropa haben gezeigt, dass spezielle Jugendsender auch kommerziell - was sicher nicht ganz unwichtig ist - ein Erfolg werden können. Versuchen sich also auch die Verantwortlichen vom tschechischen Radio Wave bei den Kollegen im Ausland zu inspirieren? Konnten sich etwa während der relativ kurzen Zeit auch schon mögliche Kooperationen mit vergleichbaren Sendern entwickeln? Das war unsere abschließende Frage an den Chefredakteur von Radio Wave, Ladislav Kylar:
"Na ja, schon bei der Entstehung dieses Programms gab es natürlich die Idee, dass man sich von anderen Jugendsendern inspirieren lassen soll. Das haben wir auch gemacht. Ich persönlich bin von einigen deutschen Sendern, aber auch vom britischen Programm BBC Radio One, was als Ikone der Szene gilt, inspiriert worden. Momentan haben wir mit deutschen oder anderen vergleichbaren Sendern keine Kooperation. Ich bin schon dafür, dass es so etwas gibt, aber bei uns muss sich der ganze Betrieb erst stabilisieren. Wir haben aber momentan eine ziemlich gute Zusammenarbeit mit dem slowakischen Radio FM. Das ist auch ein Jugendsender, der vom Format her ziemlich ähnlich ist, und da gibt es schon einen Programmaustausch. Wir senden deren Charts, und es ist geplant, dass auch sie irgendwelche Sachen von uns übernehmen. Wir sind fast täglich in Kontakt und versuchen etwas aufzubauen. Mal schauen, was passiert."