Rauchen in Tschechien, oder: Wo endet die Bushaltestelle?
Für viele Raucher ist es einer der klassischen guten Vorsätze zum Jahreswechsel, die Glimmstengel jetzt aber wirklich ein für allemal zur Seite zu legen. Tschechische Ausstiegswillige haben dabei in diesem Jahr moralische Unterstützung erhalten, denn seit dem ersten Januar gilt das neue so genannte Anti-Raucher-Gesetz, das den Tabakkonsum in der Öffentlichkeit beschränken soll. Ob es sein Ziel erreicht oder nicht doch eher das Gegenteil bewirkt, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Grund genug für Thomas Kirschner, im folgenden Forum Gesellschaft einmal genauer nachzufragen.
"Wir haben vor rund einem Jahr eine repräsentative Umfrage zum Rauchen am Arbeitsplatz gemacht. Was uns dabei sehr überrascht hat, ist dass auch eine Mehrheit der Raucher für strengere Regelungen gegenüber dem Rauchen war. Sie haben angegeben, dass das für sie eine Motivation wäre, das Rauchen ganz aufzugeben oder wenigstens zu reduzieren."
Nach langem Anlauf unternimmt nun auch Tschechien erste Schritte zu einer Begrenzung des Tabakkonsums in der Öffentlichkeit. Allzu zaghafte allerdings, meinen die Kritiker. Denn in tschechischen Gaststätten darf auch weiterhin geraucht werden, nur eine ausreichende Belüftung ist vorgeschrieben. Grundsätzlich verboten ist das Rauchen dagegen seit Jahresbeginn in Sportstadien und öffentlichen Gebäuden, und außerdem an Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel. Gerade der letzte Punkt hat für das größte Aufsehen gesorgt und bei einigen Zeitgenossen die dunkleren Seiten des Charakters zum Klingen gebracht: Denn bereits in den ersten Morgenstunden des Neujahrstages sind bei der Polizei zahlreichen Anzeigen eingegangen, betätigt der Stellvertretende Leiter der Prager Stadtpolizei Ludvik Klema:"Dieses Gesetz bedeutet für die Polizei eine Belastung, vor allem durch die Vielzahl der Fälle. Aber wir sehen das in einer größeren Perspektive und glauben, dass in einigen Monaten die Regelungen so bekannt sein werden, dass die Polizisten nicht mehr hundertfach am Tag einschreiten müssen, sondern nur noch in Einzelfällen, was dann nicht mehr so sehr aufhalten wird wie heute."
Bis zu 1000 Kronen, rund 30 Euro, kann seit Jahresbeginn das Rauchen am falschen Ort kosten. Die Polizei geht aber derzeit sehr zurückhaltend vor, Strafen wurden zunächst noch nicht erteilt. Das hat auch mit einem Umstand zu tun, der in den tschechischen Medien zurzeit in einer leicht skurrilen Debatte diskutiert wird. Nirgendwo ist nämlich definiert, wo etwa eine Bushaltestelle auf dem Bürgersteig und damit auch das Rauchverbot an derselben exakt anfängt und endet. Insgesamt aber stößt das Gesetz auf Einsicht, stellt Polizei-Vizechef Klema fest:"Positiv hat uns überrascht, dass es in den ersten Tagen, die dieses Gesetz gilt, zu keinen ernstlichen Problemen gekommen ist. Es gab keine Handgreiflichkeiten und keine Streitereien - wenn ein Polizist einen Raucher auf das Verbot aufmerksam gemacht hat, dann hat der in der Regel die Zigarette bereitwillig ausgedrückt. Natürlich gibt es jeden Tag dutzende Fälle, wo jemand an der Haltestelle unter Leuten raucht, was eigentlich schon die Rücksicht und nicht erst das Gesetz verbieten sollte. In geschlossenen Räumen, Schulen, Krankenhäusern haben wir hier in Prag dagegen noch nicht einen einzigen Übertritt verzeichnet. Das Gesetz ist also im Ganzen ohne große Probleme in Kraft getreten."
Die entscheidende Frage ist allerdings: Was bewirkt das Anti-Raucher-Gesetz? Wenig, meinen die Kritiker. In den meisten öffentlichen Gebäuden, in Schulen und Krankenhäusern war das Rauchen ohnehin bereits verboten. Und für Gaststätten wurde das bisherige generelle Rauchverbot zur Essenszeit sogar aufgehoben. Die neue Regelung: Geraucht werden darf dort, wo eine ausreichende Belüftung vorhanden ist. Für Katerina Langrova von der tschechischen Anti-Tabak-Koalition ein klarer Rückschritt:"Das ist eine vage Formulierung, die für die Praxis praktisch nichts taugt. Denn wie will man kontrollieren, ob der Schadstoffgehalt die erlaubte Schwelle überschritten hat und ob ein Raum nun genügend belüftet ist oder nicht?"
Die Tabakindustrie hat bereits vor einiger Zeit Vorschläge gemacht, wie Nichtraucherbereiche in Gaststätten abgetrennt werden könnten. Wirksam wäre aber einzig ein mittlerer Wirbelsturm, meint Katerina Langrova:
"Eine Studie hat gezeigt, dass die Empfehlungen alle nutzlos sind, etwa die Abtrennung eines Nichtraucherteils durch eine Blumenwand. Und damit eine Belüftung wirksam ist, müsste der Luftstrom mit etwa 120 Stundenkilometern abgesaugt werden - das lässt sich in einem Restaurant schwer vorstellen."
Was die Verbreitung des Tabakkonsums angeht, nimmt Tschechien keine Sonderstellung ein, weiß Langrova:
"Im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern liegen wir irgendwo im Mittelfeld. In Tschechien raucht etwa jeder Dritte. In den letzten Jahren gab es zwar einen leichten Rückgang, aber der schlägt nicht sehr ins Gewicht. Was alarmierend ist, ist die zunehmende Verbreitung des Rauchens unter Kindern und Jugendlichen - das ist ein gesamteuropäischer Trend. In Tschechien raucht mehr als die Hälfte der 15-Jährigen!"
Und mehr als die Hälfte der 15-Jährigen geben auch an, dass sie keine Probleme haben, an Zigaretten zu gelangen. Das Problem bestätigt auch eine Prager Grundschullehrerin:"Wir können für die Schüler noch so viele Aufklärungskampagnen über die Sucht nach Drogen und Nikotin führen, es bringt nichts, wenn sie dann in das erstbeste Geschäft gehen, und man ihnen dort Zigaretten verkauft. Daher hoffe ich, dass die Verkäufer von Zigaretten an Minderjährige endlich härter bestraft werden. Unsere Schüler sagen uns nämlich immer ganz offen, in welchem Geschäft sie die Zigaretten gekauft haben."
Gerade die steigende Zahl junger Raucher beunruhigt die Experten, denn neun von zehn späteren Rauchern haben vor dem 18. Geburtstag die Zigaretten für sich entdeckt. Daher steht auch eine Besonderheit des tschechischen Tabakmarktes, die man in Deutschland nicht kennt, ganz oben auf der Streichliste der Jugendschützer: die "Kusovky", wörtlich etwa "Stücklinge", Einzelzigaretten also, die in Trafiken früher direkt aus der Schachtel verkauft wurden. Heute sind sie adrett in Folie geschweißt - das ideale Einstiegsangebot für wenige Kronen.
Besser als alle Gesetze und Verbote aber wirken die Mechanismen des Marktes meint Katerina Langrova von der tschechischen Anti-Tabak-Koalition:
"Eine Preiserhöhung bei Zigaretten ist eine der effektivsten Möglichkeiten, um die Zahl der Raucher zu senken. Sie wirkt auf Menschen, die bereits rauchen genauso wie auf Jugendliche, für die die Zigaretten dann schwerer zu erreichen sind."
Um etwa ein Drittel werden die Tabakpreise in Tschechien bis zu Beginn des kommenden Jahres steigen - auch das eine Anpassung an die EU-Normen.