Reaktioen auf den jüngsten Streit innerhalb der Regierungskoalition und den Parteitag der tschechischen Grünen

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Der politische Herbst wurde in Tschechien durch scharfe innenpolitische Auseinandersetzungen eingeläutet. In deren Zentrum ist wieder einmal die Drei-Parteien-Koalition aus Sozialdemokraten, Christdemokraten und liberaler Freiheitsunion, wo die alten Gräben zwischen Sozial- und Christdemokraten aus dem Frühjahr, das heißt aus der Zeit der Regierungskrise, wieder aufgerissen sind.

Den Anlass für das aktuelle Zerwürfnis gaben Fälle, in denen die Sozialdemokraten einige wichtige Vorlagen und Entscheidungen im Parlament zusammen mit den Kommunisten verabschiedet haben. Vor allem die Christdemokraten fühlten sich durch dieses Vorgehen brüskiert und forderten von Premier Paroubek, dass er den Koalitionsvertrag, der nach wie vor gilt, einhalten solle.

Der Regierungschef, der lange als ein eher jovialer Politiker galt, mit dem Hang sich mit allen einigen zu wollen und zu können, reagierte jedoch gereizt und meinte, die Christdemokraten könnten gerne die Koalition verlassen.

Premier Jiri Paroubek  (Foto: CTK)
Dass es sich bei diesen sozialdemokratisch-kommunistischen Allianzen auf parlamentarischer Ebene nicht um Zufälle handelte, zeigten in den letzten Tagen auch die Aussagen führender Sozialdemokraten. So meinte etwa Premier Paroubek, der seine Partei im nächsten Jahr als Spitzenkandidat in die Wahlen führen wird, erst kürzlich in einem Interview, dass die Kooperationen seiner Partei mit den Kommunisten weitaus legitimer wäre als zum Beispiel eine Zusammenarbeit mit den konservativen Bürgerdemokraten.

Dazu fanden wir einen Kommentar von Martin Komarek, der in der Tageszeitung Mlada fronta Dnes erschienen ist:

"Herr Paroubek hat bei seiner Jagd auf Erfolge als erster ein großes Tabu verletzt. Er hat die Kommunisten zur Tafel gebeten, wodurch die Koalition der Sozialdemokraten mit den beiden kleineren Mitte-Rechts-Parteien sofort faktisch zu bestehen aufhörte. Paroubek will das Ende der Koalition jedoch seinem kleineren Koalitionspartner in die Schuhe schieben. Es ist ein Spiel, aus dem ersichtlich ist, dass es in der tschechischen Politik künftig zwei Blöcke geben wird. Schon bei den nächsten Wahlen werden sich Sozialdemokraten und Kommunisten auf der einen, und Bürgerdemokraten und Christdemokraten auf der anderen Seite gegenüberstehen. Die Befürchtungen, dass eine stalinistische Partei, die offen Hass und Neid predigt, Bestandteil der Regierung werden könnte, sind nun sehr real."

Foto: CTK
Zum gleichen Thema, das heißt zur Annäherung zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten, fanden wir auch einen Meinungsartikel in der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny. Dessen Autorin Lenka Zlamalova schrieb unter anderem:

"Man sollte nicht die Augen vor dem Umstand verschließen, dass eine Regierung, die sich auf die Kommunisten stützt, eine große Gefahr für das Land darstellt. Vieles lässt sich schon aus den gemeinsamen Abstimmungen beider Parteien ablesen, in dem die Sozialisten zusammen mit den Kommunisten den totalen Einfluss des Staates im Gesundheitswesen forcieren, ebenso häufiger kommen nun auch Initiativen vor, die Enteignung von Grund und Boden vorsehen und das als im Einklang mit dem öffentlichen Interesse darstellen. Die Wahlen werden aber nicht von den überzeugten linken und rechten Wählern entschieden, sondern von denjenigen, die unentschlossen sind. Paroubek hat mit seinem Entgegenkommen den Kommunisten gegenüber sicherlich viele Wähler verschreckt. Somit ist jetzt die Rechte am Zug, die diesen Wählern eine akzeptable und verständliche Alternative vorstellen sollte."

Eine weitere interessante Entwicklung im Zusammenhang mit dem Wirken Paroubeks ist sicherlich, dass sich der Regierungschef neuerdings auch mit den heimischen Medien anlegt. So meinte Paroubek unlängst auf einer Parteikonferenz, dass mehr als 80 Prozent der tschechischen Medien ihm und seinen Sozialdemokraten gegenüber feindlich eingestellt sein würden. Gleichzeitig präsentierte der Premier auch einen Lösungsvorschlag, wie dem künftig entgegen getreten werden könnte, nämlich mit Hilfe eines neues Mediengesetzes, dass den Schutz von Politikern gegenüber angeblich unwahren Meldungen der Medien verbessern sollte. Solche Vorschläge gab es übrigens in der Vergangenheit immer wieder, zuletzt im Frühjahr diesen Jahres während der Affäre rund um den damaligen Regierungschef Stanislav Gross.

Stanislav Gross  (Foto: CTK)
Paroubek nannte auf der besagten Parteisitzung auch die Namen von zwei konkreten Journalisten, die seiner Meinung nach besonders kein gutes Haar an den Sozialdemokraten lassen würden: Karel Steigerwald von der Mlada fronta Dnes und Pavel Masa von der Lidove noviny. Beide Autoren werden auch von uns in unserer Mediensendung des Öfteren zitiert.

Der Kommentator Pavel Masa sieht jedoch die jüngsten medialen Entgleisungen in einem breiteren Kontext, wie er im Gespräch mit Radio Prag ausführt:

"Falls wir auf das gesamte bisherige Wirken Jiri Paroubeks in der Politik zurückblicken sollten, dann lässt sich feststellen, dass er stets ein Politiker war, der zwar nie eine herausragenden politische Vision hatte, aber der immer für seinen pragmatischen Stil bekannt war. Er schafft es sich immer sehr schnell der gegebenen Situation anzupassen, er greift neue Trends und Entwicklungen in der Gesellschaft auf und passt dem sofort auch seine Politik an. Der zweite Grund aber ist, dass er bereits jetzt frühzeitig den Wahlkampf eröffnet hat, denn er möchte verhindern, dass von den übrigen Parteien an die Wand gedrückt wird. Deshalb versucht er auch die Themen vorzugeben, damit die anderen darauf reagieren müssen. Es fragt sich aber, ob er den Wahlkampf nicht viel zu früh eröffnet hat, denn immerhin ist der reguläre Wahltermin für Juni nächsten Jahres geplant. Aus diesem Grund bin ich überzeugt, dass Paroubek sogar Interesse an vorgezogenen Neuwahlen haben könnte, weil ist es fraglich, ob er so einen langen Atem hat und dieses Tempo halten kann."

Themenwechsel im heutigen Medienspiegel. Von den tschechischen Kommentatoren weitgehend unreflektiert, fand vergangenes Wochenende im ostböhmischen Pardubice/Pardubitz der Parteitag der tschechischen Grünen statt. Der Ökopartei werden - je nach Umfrage - gegenwärtig wohl als einziger außerparlamentarischer Partei gute Chancen zugerechnet mittelfristig den Sprung über die 5-Prozent-Hürde und den Einzug ins Parlament zu schaffen.

Martin Bursik - Grünen  (Foto: CTK)
Vielleicht ist es für die tschechischen Grünen nicht untypisch, dass kurz nach der Wahl der neuen Führung einige Vertreter des unterlegenen Flügels die Gründung einer neuen politischen Bewegung mit der Bezeichnung "Bewegung der Grünen" bekannt gaben.

Zu den Chancen der Umweltpartei mit einer neuen Führung den politischen Durchbruch zu schaffen, hören Sie abschließend noch einmal die Einschätzung von Pavel Masa von der Tageszeitung Lidove noviny:

"Ich meine, dass ein neues Gesicht an der Parteispitze schon eine positive Wirkung auf die Wähler haben könnte, weil der klassische tschechische Wähler schon einer gemäßigten Haltung den Vorzug gibt. Bei der vorangehenden Parteileitung handelte es sich um Persönlichkeiten, die von so manchen Anhängern der Partei des Sektierertums bezichtigt wurden, auf die aber genauso auch die Kritik von Präsident Klaus über die angebliche Gefährlichkeit von nichtstaatlichen Organisationen gemünzt werden konnte, die von der Öffentlichkeit größtenteils unterstützt wurden. Der neue Chef der Grünen, Martin Bursik ist dagegen ein relativ erfahrener Politiker, der weiß, wo die Hauptkonkurrenten der Grünen liegen. Das sind vor allem die klassischen Parteien, die versuchen weite Teile des ökologischen Programms zu übernehmen. Das gilt teilweise für die Sozialdemokraten, in letzter Zeit aber auch für die Christdemokraten von der KDU-CSL."