Rechtsanwältin und Buchautorin, die Inspirationen außerhalb der Gerichtssäle sucht
Der eine macht dies, der andere wiederum etwas anderes, und alle zusammen können vieles schaffen - etwa so wird in einem hierzulande sehr bekannten Song aus dem zweiteiligen Filmklassiker Des Kaisers Bäcker/ Des Bäckers Kaiser gesungen. Und dies trifft auch im realen Leben zu. Jeder von uns macht doch etwas, sprich hat einen Beruf. Es gibt aber auch viele Menschen, die außer ihrem Beruf noch ein Hobby haben, dem sie sich mit Leib und Seele widmen. Zum Beispiel Ärzte, die liebend gerne musizieren, oder Musiker, die sich intensiv für ein wissenschaftliches Fach interessieren, oder aber Rechtsanwälte, die sich der schönen Literatur verschrieben haben. Den letzteren gehört auch Frau Dr. Marta Ehlova an, die Ihnen jetzt Jitka Mladkova in unserer Sendereihe Heute am Mikrophon vorstellen will:
Was kann die erste Frage erste Frage sein an jemand, der von Beruf Rechtsanwalt, in diesem Fall also Rechtsanwältin ist und sich diesem Beruf Jahrzehnte lang auch mit Hingabe widmet, und gleichzeitig ebenso gerne Bücher schreibt, die mit dem beruflichen Bereich nichts zu tun haben, zumindest bis jetzt nicht. Diese erste Frage an Marta Ehlova, die ich Ihnen eben durch ihre Hobbytätigkeit vorstellen will, konnte kaum anders lauten als diese schlicht formulierte: Wie kam es, dass Sie begonnen haben Bücher zu schreiben?
"Das weiß ich nicht, es kam irgendwie von selbst. Ich glaube, in jedem von uns schlummert etwas, das sich früher oder später in irgendeiner Weise manifestiert. In meinem Fall war es die literarische Tätigkeit, die mir unheimlich viel Spaß macht."
Um aus der Schlummerphase zu erwachen, braucht manches versteckte Talent eine Initialzündung. Diese gab es offensichtlich auch bei Frau Ehlova, bevor ihr erster Buchtitel "Zelena vratka s lampionem", zu Deutsch "Grünes Tor mit Lampion", im Jahr 2001 das Licht der Welt erblicken konnte. An seinen Werdegang erinnert sie sich wie folgt:
Eben diese Worte - Grünes Tor mit Lampion - rief sich Marta Ehlova später wieder ins Gedächtnis, diesmal bereits in Gedanken an einen künftigen Buchtitel. Daran kann sie sich noch ganz genau erinnern. Es geschah an einem Tag im Jahr 1990 mitten bei der Erledigung ihrer beruflichen Agenda. Da sie Rechtsanwältin ist, überrascht nicht, dass dies auf dem Weg von einem Gerichtsverfahren zum nächsten Termin im Büro passierte. Damals trug sie auch schon eine Geschichte im Kopf, als ihr der passende Buchtitel sozusagen durch den Kopf schoss: Grünes Tor mit Lampion. Nun, was war das für eine Geschichte, der die Autorin diesen Titel zudachte?
"Mich hat die Lebensgeschichte des Jan Palach angesprochen, der sich im Januar 1969 verbrannte. Wir studierten beide zur selben Zeit, er an der philosophischen und ich an der juristischen Fakultät der Karlsuniversität. Er war ein Jahr älter als ich und persönlich haben wir uns nicht gekannt. Seine Tat hat mich aber tief getroffen und von ihr ist auch die Handlung meines Buches abgeleitet. Sie ist weniger politisch als viel mehr die Geschichte eines jungen Paares, die sich vor dem Hintergrund dieses tragischen Ereignisses abspielt. Ich würde sagen, es geht um eine Charakterprobe zweier Menschen, die sich vor dem Hintergrund der Ereignisse in der damaligen Tschechoslowakei abspielt."
Ihre intensiv reflektierte Verbindung mit Jan Palach konnte Marta Ehlova faktisch zur selben Zeit noch auf indirekte Weise stärken, nämlich durch jemanden, der sich ebenso wie sie von der Tat des jungen Mannes tief beeindruckt fühlte. Und zwar durch den Maler und Hochschulpädagogen Jan Svolinsky, mit dem sie schon während ihres Jurastudiums befreundet war:
"Der Herr Professor hat mir im Jahr 1969 ein Bild gewidmet, zu dem ihn die Ereignisse um Jan Palach inspiriert haben. Es war ein Aquarell mit dem Porträt eines jungen Mannes mit einer Dornkrone, der ein bisschen auch an Jan Hus erinnerte. Dieses Portrait hatte ich die ganze Zeit zu Hause, aber nach 1989 habe ich mich entschlossen, es der Prager Philosophischen Fakultät zu schenken. Ich war überzeugt, dass es genau dorthin gehört."
Das war im Januar 1990, kurz nach der Samtenen Revolution. Die eigentliche Übergabe des Palach-Portraits von Jan Svolinsky fand im Arbeitszimmer des damaligen Dekans der Fakultät statt, zugegen waren auch zwei Studenten. Marta Ehlova zeigte ihnen das Bild und erzählte kurz über Jan Palach. Schließlich gehörten die jungen Herren schon einer anderen Generation an. Und wie waren ihre Reaktionen?
"Sie haben total verwundert auf mich geschaut. In gewisser Hinsicht habe ich sie schon verstanden, denn Anfang 1990 konnten sie über Palach nur wenig wissen. Das Thema galt ja Jahre lang als Tabu. Dieser Trend hat sich leider bis in die heutige Zeit fortgesetzt. Im Januar dieses Jahres jährte sich Palachs Todestag zum 37. Mal und im Fernsehen zeigte man den Kulturminister, der bei einer Trauerstunde an Palachs Grab fast allein stand."
Zehn Jahre lang feilte die Rechtsanwältin und angehende Schriftstellerin Marta Ehlova an ihrem ersten Roman mit dem Titel "Grünes Tor mit Lampion", der 2001 im Verlag Likaklub herausgegeben wurde. Bis zum nächsten Titel hat es dann nicht mehr so lange gedauert. 2002 erschien ihr zweites Buch - "Mein Freund Jan Svolinsky". Die Frage, was ihr die Begegnung mit diesem Künstler bedeutet, war bestimmt angebracht:
"Karel Svolinsky hat mir viel Lebenskraft gegeben. Außerdem hat er mir beigebracht, die Schönheit der Dinge und namentlich die der Natur wahrzunehmen. Er war ein großer Naturliebhaber. Allein an einem gewöhnlichen Steinchen oder an einem Stück Fichtenzweig und vielen anderen Dingen konnte er etwas Schönes finden, ebenso an einem Tier, sei es ein Eichhörnchen, eine Eule oder etwas anderes gewesen. Durch seine Begeisterung auch für scheinbare Kleinigkeiten und durch seine ganze Persönlichkeit hat er mein Leben bereichert."
2005 erscheint ein drittes Buch von Marta Ehlova - "Das Haus auf den Königlichen Weinbergen" mit Erinnerungen an die Kindheit der Autorin in einem Haus, wo sie insgesamt 56 Jahre verbracht hat. Mit dem Buch hat sie sich, ohne es vorher zu planen, von dem vertrauten Ort verabschiedet, denn bald nach seiner Erscheinung zog sie um. Also eine Art Danksagung an ein Haus, das ihr viel auf ihren Lebensweg mitgegeben hat.
"Unsere Familie zog 1949 in das Haus auf den Königlichen Weinbergen ein. Meine Kindheit fällt also in eine Zeit, an die man sich hierzulande allgemein nicht gerne erinnert. An meinem Leben, und nicht nur an ihm, lässt sich aber dokumentieren, dass das Leben auch in schweren Zeiten einfach irgendwie weiter läuft, sei es im Krieg oder unter anderen schlimmen Verhältnissen."
Mit tollen Eltern, zwei Schwestern, mit der über alles geliebten Großmutter Karla und nicht zuletzt auch mit tollen Nachbarn. Die ganze Hausgemeinschaft habe sich durch einen großen Zusammenhalt ausgezeichnet:
"Ich möchte vorausschicken, dass in unserem Haus Intellektuelle, Künstler, Arbeiter, ehemalige Gewerbetreibende, Juden, Kommunisten und andere lebten, und wir waren ein demokratisches Haus. Ich kann mich an keinen einzigen Ausdruck von Antisemitismus erinnern, oder daran, dass jemand mit einem anderen Hausbewohner wegen dessen politischer, religiöser oder einfach anderer Gesinnung nicht sprechen wollte. Wir haben uns gegenseitig sehr gemocht. Zum Beispiel hat unsere Hausgemeinschaft auch das Weihnachts- oder Osterfest in gewisser Weise gemeinsam gefeiert. Man hat sich zumindest gegenseitig beglückwünscht. Wir Kinder haben alle gemeinsam gespielt - im Haus oder auf der Straße, die heute voller Autos ist. Wir haben uns wirklich sehr sehr gern gehabt."
Und noch eine ganz konkrete Erinnerung aus dem Haus auf den Königlichen Weinbergen:"Ich kann mich daran erinnern, wie sich unsere Nachbarn im 1. Stock - das war eine Künstlerfamilie - einen neuen Fernsehapparat kauften, überhaupt den ersten in unserer Straße! Es war eine riesengroße Kiste mit einem ganz kleinen Bildschirm. Vor allem bei Direktübertragungen von Europa- und Weltmeisterschaften im Eishockey scharten sich im Wohnzimmer der Nachbarfamilie fast alle aus unserem Haus zusammen. Dabei kam unbedingt auch der Patriotismus verbal zum Ausdruck. Selbstverständlich haben alle, die Kinder inklusive, verschiedene Äußerungen ausgelassen, die in der damaligen Zeit als rechtswidrig galten und für die man zumindest alle Erwachsenen hätte einsperren können. Das kam meistens vor, wenn unsere Mannschaft gegen die Sowjets spielte. In diesen Momenten konnte man sehen und hören, wie die so sehr proklamierte Brüderschaft die Jacke voll bekam."
Es klingt wie ein Märchen aus alten Zeiten. Ja, die Zeiten ändern sich bekanntlich und mit ihnen auch die Menschen, nicht immer zum Besseren allerdings:
"Das stimmt, es kling tatsächlich wie ein Märchen. Dabei ist es aber wirklich so gewesen. Aber es stimmt auch, dass es heutzutage anders ist. Wir, mein Mann und ich, sind vor einem Jahr aus dem Haus ausgezogen und jetzt wohnen wir in einem sehr schönen modernen Häuserkomplex, zum Glück immer noch auf den Königlichen Weinbergen. Von mehr als 90 Prozent der Hausbewohner weiß ich nicht, wer sie sind. Und so habe ich mir gesagt, dass ich über dieses Haus, in dem alles sehr schön ist und, man kann sagen, ein europäisches Niveau hat, keinen einzigen Buchstaben schreiben könnte. In diesem Haus finde ich absolut keine Inspiration!"