Regierungsbeauftragter Hnilička will wieder „Sport für alle“ fördern

Milan Hnilička (Foto: Papuass CC BY-SA 3.0

Der tschechische Sport hinkt der Entwicklung in der Welt hinterher. Sichtbarer Ausdruck dieser These sind zwei Faktoren: Die Zahl der Medaillen, die bei internationalen Meisterschaften gewonnen werden, ist spürbar geringer geworden. Und: Die Fettleibigkeit von Kindern, die anstatt sich zu bewegen lieber vor ihrem Handy oder Laptop sitzen, hat zugenommen. Einer, der das ändern will, ist der Regierungsbeauftragte für Sport, Milan Hnilička.

Milan Hnilička  (Foto: Papuass CC BY-SA 3.0
Milan Hnilička ist ein ehemaliger Eishockeytorwart, der in seiner aktiven Zeit auch noch bessere Zeiten des tschechischen Pucksports erlebt hat. Mit der Nationalmannschaft wurde er dreimal Weltmeister und war Mitglied der legendären Auswahl, die 1998 den sensationellen Olympiasieg in Nagano perfekt machte. Auch nach seiner erfolgreichen Profikarriere, die insgesamt 21 Jahre dauerte, blieb er seinem Sport treu: er wurde Sportmanager, zunächst auf Clubebene und später im Nachwuchsbereich auch auf Verbandsebene. Seit dem vergangenen Jahr ist der mittlerweile 45-Jährige aber ebenso politisch aktiv. Bei den Parlamentswahlen im Oktober 2017 wurde der Parteilose als Kandidat der Ano-Partei von Premier Andrej Babiš ins Abgeordnetenhaus gewählt. Und seit dem 1. März dieses Jahres hat Hnilička auch eine ganz konkrete Aufgabe: Er ist der Regierungsbeauftrage für Sport.

Was es mit dieser Funktion auf sich hat, erklärte Hnilička neulich in den nationalen Medien. Seine hauptsächliche Aufgabe sei es, bis zum Jahresbeginn 2020 eine staatliche Agentur für Sport zu schaffen. Dazu sagte der Ex-Torwart im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen:

„Es handelt sich um ein zentrales Verwaltungsorgan mit eigenem Haushalt. Bis dato unterliegt jeglicher Sport dem Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport und wird in seiner Entfaltung ziemlich begrenzt. Die Agentur als selbständige Institution hingegen würde sich sehr konkret mit der Entwicklung des Sports befassen und für dessen transparente Finanzierung sorgen.“

Dass eine solche Agentur aber überhaupt entstehen kann, dazu muss zuvor ein entsprechender Entwurf im Abgeordnetenhaus behandelt werden. Hierfür seien er und seine Helfer jedoch schon längst aktiv geworden, schildert Hnilička:

„Eine der ersten Aufgaben war es, eine Gesetzesnovelle über die Förderung des Sports auszuarbeiten, was von meiner Seite geschehen ist. Den Entwurf haben wir im Team erarbeitet, und das in einer relativ kurzen Zeit. Von daher hoffen wir, dass der Entwurf schon im Herbst im Abgeordnetenhaus behandelt wird. Und sollte er die Zustimmung der Abgeordneten erhalten, ist es durchaus möglich, dass die Agentur für Sport schon im nächsten Jahr entsteht.“

Milan Hnilička: „Wenn wir uns heute die erfolgreichsten Nationen bei den Olympischen Spielen anschauen, dann sind dies zumeist Länder, in denen allgemein viel Sport getrieben wird – angefangen von den Kindern bis hin zu den Senioren. Und genau ein solches Milieu wollen wir auch schaffen.“

Milan Hnilicka  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Einer aus dem Arbeitsteam von Milan Hnilička ist Fitnesstrainer David Huf, der es in seiner aktiven Zeit bis zum Welt- und Europameister im Aerobic gebracht hatte. Und Huf weiß nur zu gut, dass er für seine Erfolge auch gute Voraussetzungen hatte:

„Ich bin derselbe Jahrgang wie Milan und kann sagen: Als wir beide noch Aktive waren, wurde der Sport noch sehr gut finanziert. Auch wenn der damalige Staat viele andere Probleme zu meistern hatte, so gehörte der Sport zu seinen vorrangigen Feldern. Mittlerweile aber hat sich vieles verschoben, auch was die Prioritäten bei der Finanzierung verschiedenster Bereiche anbelangt. Und leider ist der Sport dabei einer der Verlierer.“

Milan Hnilička bestätigt, dass die finanzielle Unterstützung des Sports in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten merklich nachgelassen hat:

„Wenn wir uns heute nur einmal die erfolgreichsten Nationen bei den Olympischen Spielen anschauen, dann sind dies in der Regel Länder, in denen allgemein viel Sport getrieben wird – angefangen von den Kindern bis hin zu den Senioren. Und genau ein solches Milieu wollen wir auch schaffen, indem wir der Bevölkerung von Jung bis Alt einen breiteren Zugang zum Sport und den damit verbundenen Sportstätten ermöglichen. Dabei dürfen finanzielle oder andere Gesichtspunkte keine Hürden darstellen.“

Um dies zu gewährleisten, müssten nun aber auch Schritt für Schritt die notwendigen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, erläutert Hnilička:

„Wir müssen zunächst eine entsprechende Infrastruktur aufbauen. Dann müssen wir uns ebenso qualifiziertes Personal engagieren, insbesondere bei den Trainern und Ausbildern. Denn dieser Gruppe muss es gelingen, Kinder für jede Form der Bewegung zu begeistern und sie dann auch fachgerecht zu betreuen. Das geht sicher nicht von heute auf morgen, doch die Weltspitze ist uns diesbezüglich schon ein ganzes Stück enteilt. Es muss uns gelingen, so viele Kinder wie möglich für den Sport zu gewinnen. Und erst dann, wenn sie bei der sportlichen Betätigung ihr Talent zeigen, sollten die besten von ihnen in den Vereinen und der jeweiligen Sportart speziell trainiert werden.“

Doch es gibt noch einen zweiten und buchstäblich gewichtigen Grund, weshalb Kinder wieder mehr und mehr zu sportlicher Betätigung animiert werden sollten, ergänzt der Regierungsbeauftragte:

Illustration Foto: Andi_Graf Pixabay/CC0
„Eine europäische Studie hält uns klar vor Augen, dass unsere Kinder immer dicker werden. Dies ist vor allem das Resultat unseres mittlerweile vollelektronischen Alltags. Gerade Kinder und Jugendliche wenden sich sehr intensiv ihren Handys und Tabletts zu. Ich mache mir keine Illusion darüber, dass es schwierig werden wird, sie wieder ein ganzes Stück davon abzubringen. Doch wenn es uns gelingen sollte, dürfte dies auch den Staatshaushalt entlasten, und zwar auf dem Sektor des Gesundheitswesens.“

Hnilička: „Eine europäische Studie hält uns klar vor Augen, dass unsere Kinder immer dicker werden. Gerade sie wenden sich sehr intensiv ihren Handys und Tabletts zu. Ich mache mir keine Illusion darüber, dass es schwierig werden wird, sie wieder ein ganzes Stück davon abzubringen.“

Mit diesen Argumenten hofft Milan Hnilička nun, dass er sein Vorhaben zur Schaffung der Agentur für Sport schon alsbald umsetzen kann. Eine erste Reaktion von Seiten der Regierung fiel gemischt aus, als er dem Kabinett seine Pläne am vergangenen Mittwoch vorlegte. Entscheidend aber wird sein, wie seine Kollegen im Abgeordnetenhaus darüber denken. Womöglich muss er dann in seinem Gesetzentwurf noch partiell nachbessern und so auch auf einige Einwände von Seiten der Kabinettsmitglieder reagieren.


Kaderka enttäuscht: Davis Cup beschreitet Weg ins Ungewisse

In der vergangenen Woche ist auf internationaler Ebene indes eine folgenschwere sportpolitische Entscheidung gefällt worden, und zwar im Tennis. Im US-amerikanischen Orlando wurde auf der Generalversammlung des Tennis-Weltverbandes ITF entschieden, dass der populärste Mannschaftswettbewerb der Sportart, der Davis Cup der Herren, ab kommendem Jahr nach einem anderen Modus ausgetragen wird. Und zwar nicht mehr in vier Runden im K.o.-System mit jeweiligen Heim- oder Auswärtspartien der 16 Teilnehmer in der Weltgruppe, sondern in einer Finalwoche, die stetig im November mit 18 Teams an einem neutralen Ort ausgespielt werden soll. Das heißt, nahezu alle Staaten werden ihre Tennisnationalmannschaften der Herren nicht mehr live im eigenen Land zu sehen bekommen, sondern nur noch in gestraffter Form via TV, sofern sich die jeweilige Nation für das Finalturnier qualifiziert hat.

Ivo Kaderka  (Foto: Šárka Ševčíková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Die Reform des Davis Cups ist eine Idee des Präsidenten des Weltverbands, des US-Amerikaners David Haggerty. Er wollte den Wettbewerb aus seiner Sicht attraktiver machen, indem er die Austragung des Wettbewerbs auf ein Wochenende im Februar, an dem eine Qualifikation ausgespielt wird, und eine Woche im November komprimiert. Dazu werden alle Duelle nur noch auf zwei Gewinnsätze gespielt, und beim Finalturnier pro Begegnung nur noch zwei Einzel und ein Doppel ausgetragen. Mit dieser Verknappung will Haggerty auch die internationalen Superstars der Szene für den Wettbewerb zurückgewinnen. Denn Djoković, Federer, Nadal & Co. haben dem Davis Cup nicht selten einen Korb gegeben, weil sie von den Strapazen der Welttour zu sehr ermüdet seien. Zudem verspricht Haggerty viel Geld, weil die Investmentfirma Kosmos um den spanischen Fußballer Gerard Piqué für 25 Jahre drei Milliarden Dollar garantiert hat.

Andererseits wurde damit auch die 118 Jahre währende Tradition des Davis Cups mit einem Schlag ad acta gelegt. So sieht es jedenfalls der Präsident des tschechischen Tennisverbandes, Ivo Kaderka, der von den Veränderungen sehr enttäuscht ist:

„Wir sind ein Land mit einer stolzen Tradition und Erfolgsbilanz im Tennis. Und wir lieben den Davis Cup, bei dem wir unser Nationalteam auch oft und gern zu Hause spielen sehen wollen. Diese Hoffnung ist nun aber zerstört, denn für 25 Jahre beschreitet der Davis Cup einen Weg ins Ungewisse. In dieser Zeit wird die Tschechische Republik jedoch nicht die entsprechende Kapazität haben, um solch ein Finalturnier ausrichten zu können. Dies wird nur ein paar Auserwählten vorbehalten sein.“

Tschechien gehört mit anderen großen europäischen Tennisverbänden wie Großbritannien oder Deutschland sowie dem zweiterfolgreichsten Land des Wettbewerbs, Australien, zu den Gegnern der Reform. Doch ihre Stimmen reichten nicht. Unter dem Eindruck des zu erwartenden Geldsegens stimmten 71,4 Prozent der Delegierten für die sportliche Neuausrichtung des Davis Cups. Eine Entscheidung, die auch bei den beiden früheren Davis-Cup-Siegern Boris Becker und Michael Stich auf großes Unverständnis stößt. Der 49-jährige Stich fand bei seiner gegenüber dpa geäußerten Kritik sehr drastische Worte:

„Es ist traurig, dass eine Gruppe von Funktionären die Tradition des Davis Cups beerdigt. Den Davis Cup wird es in der Form, wie wir sie kennen, nun nie wieder geben, und 118 Jahre werden der Geldgier von Personen geopfert, die keinen Respekt vor Historie und Traditionen haben“.

Ähnlich sieht es Tschechiens Verbandspräsident Kaderka. Er prophezeit bereits, dass demnächst auch der Teamwettbewerb der Damen, der Fed Cup, eine ähnliche Zäsur erfahren wird. Daher sollten sich alle Tennisfans in Tschechien bewusst sein, dass das diesjährige Fed-Cup-Finale zwischen Tschechien und den USA im November in Prag aller Voraussicht nach für lange Zeit das letzte große Highlight sein wird, dass sie in heimischen Gefilden erleben können.

Autor: Lothar Martin
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