Regierungskrise: Ausweg Neuwahlen?
Das abgelaufene Wochenende hat im Zusammenhang mit der Regierungskrise in Tschechien eine kurze Verschnaufpause gebracht. Die Wortgefechte sind etwas leiser geworden, von einer Beruhigung der Lage kann deshalb aber keine Rede sein. Der entscheidende Showdown steht offenbar noch bevor. Gerald Schubert berichtet:
In den letzten Tagen fiel in der Auseinandersetzung immer öfter das Wort "Neuwahlen". Auch Präsident Václav Klaus hat vorgezogene Parlamentswahlen als natürlichsten Weg aus der Krise bezeichnet. Warum dieser Weg aber rein rechnerisch gar nicht so leicht zu gehen ist, das erklärt Miroslav Kalousek, der Parteichef der aufbegehrenden Christdemokraten:
"Für vorgezogene Neuwahlen sind im Abgeordnetenhaus 120 Stimmen erforderlich. Wenn aber sowohl die Sozialdemokraten als auch die Kommunisten nein sagen, dann gibt es diese 120 Stimmen eben einfach nicht. Wir ziehen daher eine Fortführung der gegenwärtigen Regierungskoalition bis zum Ende der Legislaturperiode vor - allerdings mit einem anderen Premierminister. Sollte es aber den Sozialdemokraten nicht gelingen, dieses Problem in ihrer Partei zu lösen, dann würde ich verstehen, wenn sie über vorzeitige Neuwahlen nachzudenken beginnen."Die Worte Kalouseks lassen sich freilich nicht nur als Analyse verstehen, sondern durchaus auch als Forderung an die sozialdemokratischen Koalitionspartner: Entweder ihr opfert euren Premier, oder ihr werdet über Neuwahlen nachdenken müssen - es sei denn, ihr bildet eine Minderheitsregierung mit Duldung der Kommunisten.
Dass letztere Variante inhaltlich kaum im Interesse der Christdemokraten sein kann, ist nur die eine Seite der Medaille. Wenn wir diese umdrehen, dann finden wir auf der anderen Seite ein vereinfachtes Abbild der politischen Konstellation in Tschechien. Es sieht ungefähr so aus: Die konservative Oppositionspartei, also die Demokratische Bürgerpartei (ODS), liegt in allen Umfragen weit vorn. Dem ebenfalls konservativen Christdemokraten Kalousek wird nachgesagt, dass er sich in einer Regierung mit der ODS weitaus wohler fühlen würde, als in der gegenwärtigen sozialliberalen Koalition von Gross. Und spätestens im Juni 2006 gibt es ohnehin Wahlen. Kalousek kann warten. Er muss aber nicht.