Resolution des Europaparlaments über Temelin sorgt für Zündstoff

AKW Temelin

Im Rahmen der regelmäßigen Einschätzung der Kandidatenländer über den aktuellen Stand ihren Vorbereitungen auf den angestrebten EU-Beitritt hat das Europäische Parlament am Mittwoch eine Resolution über die Tschechische Republik verabschiedet, die auch die Möglichkeit der Stilllegung des südböhmischen Atomkraftwerks Temelin in Betracht zieht. In der Resolution wird u.a. festgehalten, dass man im Falle von Temelin weiterhin mit der sog. Null-Variante rechnen müsse, d.h. mit der Betriebsstilllegung für den Fall fortschreitender Unzulänglichkeiten, die sich aus der Konstruktion der Anlage ergeben. Zudem wird der Europäischen Kommission als Exekutive nahe gelegt, eine internationale Temelin-Konferenz einzuberufen. Diese Resolution hat natürlich die unterschiedlichsten Reaktionen ausgelöst, die Lothar Martin zusammengefasst hat.

Neben den bereits genannten Punkten wird der Europäischen Kommission nahegelegt, zu überprüfen, ob man die für Temelin aufgewendeten Investitionen nicht als sog. "hängengebliebene Ausgaben" abschreiben könne. Ein versteckter Hinweis also, dass man Tschechien bei einer Stilllegung des umstrittenen Meilers auch finanziell in gewisser Weise entgegen kommen würde. Deshalb frohlockte die deutsche Europaabgeordnete der Grünen, Elisabeth Schrödter, nach der Beschlussfassung auch mit den Worten: "Wir haben der tschechischen Regierung den roten Teppich ausgerollt. Jetzt fehlt nur noch ein letzter Schritt."

Doch die überwiegende Mehrzahl der tschechischen Politiker sieht das völlig anders und reagierte ablehnend bzw. zurückhaltend auf die vom Europaparlament verabschiedete Resolution. Abgeordneten- und ODS-Chef Václav Klaus verwies in einer schriftlichen Erklärung darauf, dass in den Ländern der Europäischen Union Dutzende wesentlich ältere Atomkraftwerke in Betrieb seien, wegen der man aber keine internationale Konferenz einzuberufen gedenke. "Die Resolution des Europäischen Parlaments über Temelin kann ich nicht annehmen. In ihr fehlen sachlich, seriöse Argumente darüber, warum man sich mit dem Gedanken zur Stilllegung von Temelin befassen sollte," sagte Klaus. Ähnlich reagierte der sozialdemokratische Vizepremier Vladimír Spidla, der äußerte, dass das Europaparlament Tschechien hinsichtlich des AKW´s Temelin zu nichts verpflichten könne, da auf der Ebene der Europäischen Union keine Vorschriften über die Sicherheit von Kernkraftanlagen existieren und daher jeder Staat, der solche Anlagen betreibt, dies auf der Rechtsgrundlage der eigenen Vorschriften tut. Der ODS-Abgeordnete Jiri Payne sprach sogar davon, dass es absurd sei, wenn eine einzige Kernkraftanlage derart diskriminierend bewertet werde.

Der Meinung der tschechischen Politiker pflichtet in gewisser Weise auch der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, der deutsche CDU-Politiker Elmar Brok bei. Brok erklärte, man könne die Kandidatenländer nicht dazu zwingen, dass sie Bedingungen erfüllen, die selbst von den EU-Mitgliedsländern nicht erfüllt würden. Außerdem könne er sich nicht vorstellen, dass jemand bereit und fähig wäre, die der Tschechischen Republik bei einer Stilllegung von Temelin in den Sand gesetzten Investitionen zu kompensieren, geschweige denn den entgangenen Gewinn.

"Die Resolution zeigt, dass die Abgeordneten des Europaparlaments den tatsächlichen Zustand unserer Anlage nicht kennen," gab nicht zuletzt Jiri Hanzlicek, der Berater von Wirtschaftsminister Miroslav Gregr, von sich. Die Realität aber sieht so aus, dass der erste Reaktorblock des AKW´s in den nächsten Tagen erneut abgeschaltet werden muss, um Überprüfungen an den Sicherheits- und Steuersystemen vorzunehmen, wie die tschechische Tageszeitung "Pravo" in ihrer Donnerstag-Ausgabe unter Berufung auf den Direktor von Temelin, Frantisek Hezoucky, bekannt gab. Und solange die Mängel an der Anlage nicht derart abgestellt werden können, dass sie einen störungsfreien Betrieb gewährleisten, werden die Betreiber von Temelin auch nicht das mehrheitliche Vertrauen der europäischen Bürger und ihrer Abgeordneten im Europaparlament erlangen können.