Rettung oder Verzweiflungstat? Rochade bei den Sozialdemokraten vor den Wahlen

Bohuslav Sobotka (Foto: ČTK)

Anstatt einem sind es nun drei: Die tschechischen Sozialdemokraten haben vor den Wahlen eine Rochade an der Spitze durchgeführt. Premier Sobotka ist demnach nicht mehr Spitzenkandidat und legt auch den Parteivorsitz nieder. Stattdessen rücken Außenminister Lubomír Zaorálek und Innenminister Milan Chovanec nach vorne. Dies soll den Negativtrend stoppen bei den Umfragewerten. In einer der letzten Umfragen ist die Partei auf den vierten Platz abgerutscht mit nur noch zehn Prozent der Stimmen. Nun fragen sich viele, ob die neue Dreierspitze funktionieren kann – und ob es eine kluge Entscheidung war.

Bohuslav Sobotka  (Foto: ČTK)
Die vergangenen Monate waren für die tschechischen Sozialdemokraten eine schwierige Zeit. Im vergangenen Herbst wurden die Regionalwahlen verloren. Dann konnte Parteichef und Premier Bohuslav Sobotka nur knapp ein Auseinanderfallen der Regierungskoalition verhindern. Aber die Umfragewerte für die derzeit stärkste Partei im Parlament sind dennoch weiter eingebrochen. Deswegen stand Sobotka zuletzt immer mehr in der Kritik. Nach einer langen Krisensitzung der Sozialdemokraten trat der Premier am Mittwoch vor die Medien:

„Als Parteivorsitzender trage ich die Verantwortung für die Gesamtlage, in der sich die Sozialdemokraten vier Monate vor den Wahlen befinden. Darauf muss ich nun auch reagieren. Zum morgigen Tag lege ich mein Amt als Parteivorsitzender nieder.“

Lubomír Zaorálek  (Foto: ČTK)
Zugleich ist Bohuslav Sobotka auch nicht mehr Spitzenkandidat seiner Partei für die Wahlen. Um die Wählergunst wird stattdessen Außenminister Lubomír Zaorálek werben.

„Ich bin bereit, die Rolle des Spitzenkandidaten anzunehmen. Und ich werde alles unternehmen, um der sozialdemokratischen Partei ein möglichst gutes Ergebnis bei den Wahlen im Herbst zu bescheren“, so der 60-jährige Politiker.

Doch die tschechischen Sozialdemokraten haben keine Lösung gewählt wie ihre deutschen Genossen vor einigen Monaten. Denn Zaorálek übernimmt nicht auch den Parteivorsitz – der geht hingegen kommissarisch an den bisherigen Vize über: Innenminister Milan Chovanec. Die Entscheidung ist verwirrend. Viele Beobachter haben sich am Mittwoch gefragt, wer denn nun der Chef sein wird in dem Triumvirat. Dazu Chovanec:

Milan Chovanec  (Foto: ČTK)
„Lubomír Zaorálek halte ich für die beste Wahl als Spitzenkandidat. Aber er kann den Kampf nicht allein gewinnen, dazu braucht er eine wiedervereinte sozialdemokratische Partei. Und ich hoffe fest, dass mit dem heutigen Tag alle internen Streitigkeiten enden und wir uns nur noch auf einen Wahlerfolg konzentrieren werden.“

Chovanec also der Parteiorganisator und Zaorálek das Gesicht. Ist das nun die Rettung oder eine Verzweiflungstat? Die Fachöffentlichkeit bewertet dies unterschiedlich. Petr Holub ist Kommentator des Nachrichtenportals Echo 24. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks zog er einen Vergleich zur ÖVP in Österreich, die Mitte Mai Außenminister Sebastian Kurz zum Spitzenkandidaten gemacht hat:

Petr Holub  (Foto: Khalil Baalbaki,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Bisher scheint dieser Schachzug der ÖVP aufzugehen. Sie haben aber auch jemanden Starkes an der Spitze, der sowohl Parteivorsitzender als auch Kanzlerkandidat ist. Bei den tschechischen Sozialdemokraten wird es sehr daran liegen, wie sie den Wahlkampf inszenieren. Wenn an der Spitze jemand ist, der energisch auftritt und ein erkennbares Projekt vertritt, dann könnte das klappen. Dazu benötigt es aber noch viel Arbeit. Wenn die Sozialdemokraten aber wirklich mit einem Triumvirat in die Wahlen gehen, dann denke ich, ist der Kampf schon im Vorfeld verloren.“

Für eine klar falsche Entscheidung hält dies der politische Analytiker Jan Herzmann:

„Derzeit haben in den Umfragen jene Parteien die Oberhand, an deren Spitze eine klare Führungsperson steht. Das gilt aber nicht nur für Tschechien, sondern das hat sich auch bei den Wahlen in Frankreich gezeigt. Die tschechischen Sozialdemokraten haben aber keine solche Persönlichkeit. Sie brauchen sogar drei Männer, um den Wahlkampf zu bestreiten – und das ist nicht gut.“

Bisher heißt es, dass eine dauerhafte Lösung erst bei einem Parteitag nach den Wahlen gefunden werden soll.