Richter werden wegen Streit um Gage zu gewöhnlichen Arbeitnehmern

Der tschechische Präsident Václav Klaus hat am Freitag ein Urteil des Verfassungsgerichts in Brno / Brünn scharf kritisiert. Die Verfassungshüter hatten einstimmig beschlossen, dass ab dem ersten Oktober die Richtergehälter wieder in normaler Höhe ausgezahlt werden müssen. Damit hat das Gericht die vierprozentige Gehaltskürzung bei Richtern gekippt, die seit Anfang des Jahres galt.

Václav Klaus
Nach Meinung des Präsidenten habe das Verfassungsgericht mit diesem Urteil die tschechischen Bürger in zwei Klassen gespalten – in die Kaste der Richter und in die Kategorie der Anderen. Er könne sich zudem nicht vorstellen, wie sich dieses Urteil verteidigen lasse, sagte Klaus.

In der Urteilsbegründung des Verfassungsgerichtes hieß es unter anderem, dass wiederholte Gehaltskürzungen zu einem sozialen Abstieg der Richter in der Gesellschaft führten; damit sinke auch das notwendige Prestige dieses Amtes. Daher müsse das Richtergehalt eine feste Größe sein, so die Verfassungsrichter. Ob die finanziellen Ausfälle kompensiert werden müssen, wollte das Gericht nicht kommentieren. Dafür kommentieren die tschechischen Tageszeitungen das Urteil in ihren Ausgaben vom Montag.

In der Mladá fronta Dnes schreibt Kolumnist Karel Steigerwald zunächst, dass sich das Verfassungsgericht in einer schwierigen Situation befinde – es müsse nämlich die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass zwischen der Senkung der Richtergehälter und ihrer Unabhängigkeit ein kausaler Zusammenhang bestehe. Man müsse aber kein Jurist sein, um zu begreifen, dass zwischen der Höhe des Gehalts und der Unanhängigkeit der Richter eigentlich kein Zusammenhang bestehen darf, schreibt Steigerwald und setzt fort:

„Stellen Sie sich zum Beispiel einen Arzt vor, der sagt: ´Wenn man mir das Gehalt kürzt, dann sterben auf dem OP-Tisch mehr Patienten´. Solch einen Arzt würden die Leute wohl als eine widerliche Hyäne bezeichnen.“

Auch ein Polizist könnte behaupten – und leider tun das auch einige –, dass sie für weniger Geld auch weniger Verbrecher jagen würden, bemerkt Steigerwald und kritisiert deshalb auch das Verfassungsgericht:

Jiří Weigl
„Die Verfassungsrichter sollten selbst soviel Verstand besitzen zu verstehen, dass ihr Urteil, die Senkung der Richtergehälter als verfassungswidrig zu geißeln, in der Öffentlichkeit auf keinen fruchtbaren Boden fällt. Insbesondere nicht in der gegenwärtigen Situation, in der alle zum Sparen angehalten werden. Die Bevölkerung wird daher glauben, dass es hier nicht um Unabhängigkeit geht, sondern vielmehr um Geldgier.“

In seinen weiteren Ausführungen verweist der Autor darauf, dass sich Tschechien derzeit im ruhigen Fahrwasser einer gewöhnlichen Demokratie befinde, in der aber gerade die Richter leider keine allzu rühmliche Rolle spielen. Unabhängigkeit und gegenseitiger Respekt seien den meisten von ihnen vielmehr fremd.

Jiří Příbáň
„Dabei sind die Richter beziehungsweise sie sollten diejenigen sein, die der Freiheit der Gesellschaft und der Sicherheit der Bürger eine feste Form und ein klares Gesicht geben. Wenn sie sich aber in Personen verwandeln, die sich um einen (insgesamt geringen) Teil ihrer Gage streiten, dann fällt auch ihr Ansehen in den Keller und verwandelt die Richter in ganz gewöhnliche Arbeitnehmer“,

resümiert Kolumnist Karel Steigerwald in seinem Kommentar.

In der Tagszeitung Lidové noviny setzt sich der Chef der Präsidialkanzlei, Jiří Weigl, mit einem Kommentar auseinander, der in der gleichen Zeitung vier Tage zuvor von dem Rechtsanwalt Jiří Příbáň veröffentlicht wurde. Příbáň hatte die extensiven Aktivitäten des Verfassungsgerichtes mit Deutschland und dem dortigen Bundesverfassungsgericht verglichen. Ein Gericht, das sich vor allem an dem geistigen Überbau der Verfassung, also den grundsätzlichen Werten des Grundgesetzes orientiere. Diese deutsche Doktrin aber habe klare und logische Wurzeln, die darauf beruhen würden, dass das Nachkriegsdeutschland der westlichen Besatzungszone auch vorrangig vom Willen der westlichen Siegermächte bestimmt wurde, schreibt Weigl. Diese Doktrin und die sehr starke Position des Bundesverfassungsgerichtes seien daher bei den Westmächten ein wichtiger Bestandteil der Maßnahme gewesen, die Souveränität der Menschen in Deutschland zu begrenzen, meint Weigl. Die vom tschechischen Verfassungsgericht geführten Aktivitäten aber kritisiert der Autor mit den Worten:

„Diese Bemühungen öffnen einen gefährlichen Raum für die Verletzung der Gleichgewichte im Staat und führen so zu einer unkontrollierbaren extensiven Macht des Verfassungsgerichtes.“