Roman „Bergersdorf“ in tschechischer Ausgabe – Diskussion mit der Autorin in Prag

Herma Kennel (Foto: Archiv des Außenministeriums der Tschechischen Republik)

In der Nähe von Jihlava / Iglau liegt das Dorf Kamenná. Zu Zeiten des Nationalsozialismus war es unter dem Namen Bergersdorf und zugleich als „SS-Dorf“ bekannt. Nach ersten Jahren der Freude und des Triumphs über die Auszeichnung zum „SS-Dorf“ zerbrach der Ort jedoch später daran. Die Autorin Herma Kennel hat in ihrem Roman „Bergersdorf“ die traurige Geschichte des gleichnamigen Ortes niedergeschrieben. Dafür hat sie Gespräche mit Zeitzeugen geführt und in diversen Archiven recherchiert. Das Buch erschien im Jahre 2003 erstmals auf Deutsch. Ende März fand im Literaturhaus Prag eine Lesung mit der Autorin zu ihrem Buch statt. Dabei ging es hauptsächlich um die tschechische Ausgabe, die im Juni vergangenen Jahres erschienen ist.

Herma Kennel  (Foto: Archiv des Außenministeriums der Tschechischen Republik)

Der Vortragsraum im Prager Literaturhaus ist gut gefüllt. Zahlreiche Medienvertreter und Interessenten lauschen gebannt Herma Kennels Worten. Die Autorin liest passagenweise aus ihrem Buch „Bergersdorf“ vor.

Der Ort Bergersdorf ist vornehmlich von Deutschen bewohnt. Nach der Errichtung des Protektorats treten viele Deutsche in die SS ein, was die Reichsführung auf den Ort aufmerksam macht. Der Berliner SS-Obergruppenführer Gottlob Berger ernennt den Ort zum SS-Dorf, damit ist Bergersdorf ab dem März 1943 plötzlich bekannt. Für die Bewohner wird dies nach dem Krieg jedoch zum Verhängnis. Autorin Herma Kennel erläutert, warum nun auch eine tschechische Ausgabe des Buches vorliegt:

„Ich wollte, dass auch die tschechischen Leser die Möglichkeit haben, dieses Buch zu lesen. Ich habe mich schon die ganzen letzten Jahre bemüht, einen tschechischen Verlag zu finden. Aus dem Grund war ich sehr froh, dass der Verlag Paseka zugegriffen hat. Und dann ist es erfreulicherweise im vergangenen Jahr erschienen.“

In erster Linie ist das Buch allen Opfern politischer Gewalt in Böhmen und Mähren gewidmet ist. In ihrem Roman schildert die Autorin indirekt das deutsch-tschechische Zusammenleben in Bergersdorf. Die Handlung beschränkt sich auf die Zeit zwischen dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht im März 1939 und dem Sommer 1945, als die Tschechen Vergeltung an den Deutschen nehmen. Zentrale Figur des Buches ist Bürgermeister Wenzel Hondl. Er ist auch der Großvater des Ehemanns der Autorin und wird wie fünf weitere Männer des Ortes bei der Vergeltungsaktion ermordet. Herma Kennel wollte die Geschichte des Ortes auch auf Tschechisch verständlich machen:

„Es ist wichtig, dass die Leser auch vom Alltag der Deutschen und von den Einzelheiten erfahren. Manche wussten und wissen noch nicht mal, dass in Bergersdorf zur damaligen Zeit Deutsche lebten. Das ist mir wichtig, das zu verdeutlichen. Ich denke, die Leser werden dadurch einen guten Einblick bekommen, wie die Deutschen zur damaligen Zeit gelebt haben, dass es ihre Nachbarn waren und wie sie, teilweise sehr unfreiwillig, in das System des Nationalsozialismus hineingeschlittert sind.“

Auf die Frage, wie das Buch nach dem Erscheinen angenommen wurde, teilte die Autorin mit, das es überwiegend positiv aufgenommen wurde. Aus Deutschland habe sie aber vereinzelt Kritik gehört, so habe ihr jemand vorgeworfen, die Deutschen seien zu schlecht und die Tschechen zu gut weggekommen. Sie habe aber betont, dass es sich um einen Tatsachenroman handele, und alle Schilderungen würden auf authentischen Ereignissen beruhen, so Herma Kennel.