Treffen mit Herma Kennel und ihrem Buch BergersDorf

Herma Kennel, Foto: http://www.herma-kennel.de

Im Kultursalon stellten wir am Sonntag das jüngste Buch der deutschen Schriftstellerin Herma Kennel, es trägt den Titel BergersDorf, vor. Nach einigen Kinderbüchern und einem Buch über den rumänischen Dissidenten Rado Filipescu hat sie diesmal nach einem historischen Thema gegriffen, zu dem sie die hierzulande geschlagenen Wurzeln ihrer Familie, genauer gesagt der Familie ihres Mannes, führten. Am vergangenen Wochenende hatte Frau Kennel dann eine Lesung bei einem tschechisch-deutschen Treffen in der mährischen Stadt Kromeriz/Kremsier. Dort hat Jitka Mladkova sie getroffen:

Herma Kennel: BergersDorf,  Prag: Vitalis,  2003
Ich biete Ihnen also eine Ergänzung unserer Sendung vom Sonntag. Es ist wirklich faszinierend dieser Autorin zuzuhören, wie sie sich mit der Geschichte der deutschen Familie ihres Mannes im erwähnten Dorf in der Nähe von Jihlava/Iglau auseinander setzte. Ihr Vorhaben war anfangs eigentlich anders:

"Ich wollte zunächst über den Mai 1945 schreiben, über die Geschichte des Bürgermeisters, seiner Familie, und habe bemerkt bei meinen Recherchen, dass jede Geschichte eine Vorgeschichte hat. Ich ging zurück im Datum, bis ich zum 15. März 1939 gelangt bin - dem Tag des Einmarsches - und habe auch die Geschichte, die davor lag, in Rückblenden geschildert. Ich habe mich also auf diesen Zeitraum festgelegt."

Als Herma Kennel sozusagen im Rückwärtsgang bis zu dem Zeitpunkt gelangte, wusste sie, wie sensibel das Thema ist - die Besetzung von Bergersdorf durch deutsche Truppen am 15. März 1939, die von der deutschen Bevölkerung nicht als solche wahrgenommen wurde.

"Ich war mir bewusst, dass es ein schwieriges Thema ist. Ich wollte die Freude über die - in Anführungsstrichen - "Befreiung" rüberbringen, die damals die Deutschen erfüllt hatte. Sie wussten nicht, auf sie sich einlassen würden, was sie erwarten würde. Sie waren ahnungslos Ich habe mich eigentlich der Wahrheit verpflichtet gefühlt und habe auch geschrieben, was mit im Grunde gegen den Strich gegangen ist. Am Anfang wusste ich auch noch nicht, wie ich sich das weiter entwickelt wird. Ich habe aber immer mehr erfahren und bin meinem Grundsatz treu geblieben, alles wahrhaftig aufzuschreiben."

Ja, der Wahrheit verpflichtet trotz der Tatsache der Familienbande. Der Bergersdorfer Bürgermeister war Großvater des Ehemannes von Herma Kennel. Wie stand der zu ihrer Entscheidung, dieses Buch zu schreiben?

"Mein Mann hat mich immer unterstützt bei allen meinen Projekten und meinen Vorhaben, ob es Kinderbücher waren oder beim Buch über den rumänischen Dissidenten Rado Filipescu. Er hat es immer befürwortet und mich sehr aufgemuntert zu schreiben. Auch bei diesem Buch BergersDorf hat er mich schreiben lassen und erst dann, nachdem ich längst fertig war, hat er es gelesen."

Frau Kennel freut sich über jede Möglichkeit, ihr Buch selbst bei einer Lesung vorzustellen und in der anschließenden Diskussion Fragen zu beantworten, auch kritische Fragen, wie sie mir sagte. Auf viel Kritik an ihrem Buch ist sie aber bisher eigentlich nicht gestoßen.

"Ich habe positive Reaktionen - zu meiner großen Überraschung - erfahren. Es gab nur eine kritische, aber das habe ich über einen bekannten erfahren. Es war ein ehemaliger SS-Mann aus diesem Dorf. Er meinte, ich hätte ihn noch mal besser vorher fragen sollen, bevor ich das alles von mir gebe."

Das Thema hat Frau Kennel dermaßen in seinen Bann gezogen, dass sie schon wieder an einem neuen Buch arbeitet:

"Die Geschichte des Protektorates hat mich weiter beschäftigt, als ich mein Buch abgeschlossen hatte. Ich schreibe jetzt die Geschichte einer Widerstandsgruppe im Kampf gegen die Nazi-Okkupanten im Jahr 1944/55."

Nachdem sie ihr Buch BergersDorf bei Radio Prag und im Bayrischen Fernsehen vorgestellt hat, wird Herma Kennel in absehbarer Zukunft auch in deutschen Schulen aus diesem Buch lesen.