Rückblick auf den Radio-Prag-Wettbewerb
Der Hörerwettbewerb von Radio Prag ist zu Ende gegangen und die Gewinner sind bekannt. In der heutigen Ausgabe vom Hörerforum machen wir Sie nun mit den besten Beiträgen bekannt, die an uns eingesendet wurden.
Und nun zu unserem Wettbewerb. Die Aufgabe war ja gewesen, dass unsere Hörer über die Lieder, die wir in unseren Sendungen gespielt haben, den Namen einer Prager Theaterbühne und ihrer Protagonisten finden. Die erste Antwort überhaupt, die wir bekommen haben, hatte Werner Hoffmann aus Güstrow geschrieben. Sie war leider falsch, Doch Herr Hoffmann hat dies bald auch festgestellt, ließ sich nicht entmutigen und hat uns rechtzeitig eine richtige Antwort geschickt. Mit dieser Antwort kam er unter die fünf Finalisten. Werner Hoffmann hat seine Suche nach den Spuren des Befreiten Theaters folgendermaßen beschrieben:
„Zugegeben, ich mag schwere Rätsel. So freute ich mich natürlich, dass Radio Prag wieder einen Hörerwettbewerb ankündigte. Doch der hatte es diesmal in sich. Da ein Theater und zwei seiner Protagonisten gesucht wurden, ging ich frisch ans Werk. Ich stöberte in meinen Unterlagen, in der hiesigen Bibliothek und im Internet. Mein Motto: So schnell gebe ich nicht auf. Ich landete sogar bei Spejbl und Hurvínek, aber die konnten es ja nicht sein. Ich spielte ebenfalls mit dem Semafor-Theater. Dort wirkte das Duo Jiří Suchý und Jiří Šlitr. Aber Irrtum, sie waren es nicht, sie wurden nicht im Hörerwettbewerb gesucht. Dann gab es einen Hinweis im jüngsten Hörerforum und ich wurde fündig. Der Weg führte in das Befreite Theater, Osvobozené divadlo, nach Prag und seine beiden Schauspieler Jan Werich und Jiří Voskovec. Ich war glücklich, ans Ziel gekommen zu sein. Ich muss ehrlich gestehen, das Theater und seine Künstler waren mir bisher so gut wie unbekannt. Die Suche nach der Lösung brachte mir aber ein Stück Theatergeschichte aus Ihrem Land näher. Dafür danke ich Ihnen.“
Soweit Werner Hoffman. Auch ein weiterer Herr Hoffmann, nämlich Jörg-Clemens Hoffmann aus Alsbach-Hähnlein, hat richtig geantwortet. Seinem Text, der ihm zum Gewinn eines Preises verhalf, hat er sogar einige schöne Bilder beigefügt - wie Fotos der beiden Schauspieler, aber auch Aufnahmen von den Umschlägen ihrer Liederbücher.
Der dritte Finalist ist Fritz Andorf aus Meckenheim. Ihm hätten die fünf Hinweise im „Hörerforum“ am 17. Mai ei der Suche nach dem berühmten Prager Theater und seinen beiden Hauptdarstellern weitergeholfen, gesteht er. Über das Theater hat er unter anderem geschrieben:
„Charakteristisch für die Aufführungen war die von Voskovec und Werich eingeführte „Forbin“ (Vorbühne), bei der es zu improvisierten Dialogen mit dem Publikum über aktuelle politische und kulturelle Ereignisse kam. Aufgrund der Reaktionen der Zuschauer verlief jeder Abend anders.“
Eine umfangreiche Antwort in deutscher Sprache kam sogar aus der Ukraine, und zwar von Wladimir Walentinowitsch Andrianow. Auch bei ihm möchten wir uns herzlich bedanken.
Wir haben bisher über vier Finalisten unseres Wettbewerbs gesprochen. Nun aber eine Fanfare beziehungsweise ein Applaus für den absoluten Sieger nicht nur im Rahmen der deutschsprachigen Redaktion, sondern aller Sprachredaktionen von Radio Prag! Den Hauptpreis gewonnen hat Ralf Urbanczyk aus Eisleben. Er hat sehr interessante Überlegungen über das Befreite Theater und dessen Bedeutung formuliert. Und da uns sein Beitrag wirklich sehr gefallen hat, wollen wir diesen nun in vollem Umfang vorlesen:
„Viel länger, als es die kurze Antwort vermuten lässt, habe ich gebraucht, um sie zu finden. Am Ende war es der Begriff Revue, welcher immer wieder in Ihren Hinweisen zum Wettbewerb fiel, der mich zum Ziel führte. Doch warum war es für mich so schwer, die richtige Antwort zu finden? Da ist zunächst die Zeit, in welcher das Theater und die beiden Schauspieler Jan Werich und Jiří Voskovec wirkten. Gegründet im Jahr 1926, ab 1927 mit diesen beiden Schauspielern und geschlossen im Jahr 1938, liegt diese Periode schon so lange zurück, dass wohl kaum ein Hörer von Radio Prag sich noch aktiv daran erinnern kann, erst recht, als nach der endgültigen Emigration von Jiří Voskovec aus der sich inzwischen gewandelten Tschechoslowakei eine Neugründung des Theaters undenkbar wurde. Immerhin war das Befreite Theater in seiner Zeit ein Zentrum der avantgardistischen Kunst, aus dem nicht nur viele tschechische Schauspieler hervorgingen, sondern welches mit seinen neuen Ausdrucksformen die tschechische Theaterkunst im Ausland bekannt machte. Für Menschen in der Tschechischen Republik dürfte dieses Theater wegen seiner Bedeutung in den zwanziger und dreißiger Jahren gut bekannt sein, doch im Ausland ist es heute wahrscheinlich nur den wahren Kennern der tschechischen Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts bekannt.
Alles was ich jetzt über das Befreite Theater und seine Vertreter weiß, habe ich mir in den letzten Wochen angelesen. Es hat mir viel Spaß gemacht, mehr über diesen Teil der tschechischen Theatertraditionen zu lernen. Die in ihren Sendungen vorgestellten Lieder zeugen von der Kunst und Kreativität der beiden Schauspieler und des Theaters. Auch wenn sie schon um die 80 Jahre alt sind, können sie auch heute noch die Zuhörer begeistern.
Doch was mich besonders beeindruckt hat, waren verschiedene Videos von Jan Werich und Jiří Voskovec, die im Internet kursieren. Besonders Proti větru (Gegen den Wind) aus dem Jahr 1938, also vom Vorabend des Zweiten Weltkrieges und der Besetzung der Tschechoslowakei durch Deutschland, machte großen Eindruck auf mich. Es ist ein ungewöhnliches Zeugnis dieser Zeit, wie beide Schauspieler inmitten von Kindern aus der Tschechoslowakei und Deutschlands und gemeinsam mit ihnen für Frieden und Solidarität zwischen den Völkern singen.
Und genau dies wird mir jetzt über das Befreite Theater besonders in Erinnerung bleiben: Die intelligente aber doch außerordentlich scharfe Kritik an kriminellen Gesellschaftssystemen und gleichzeitige Propagierung von Alternativen. Und das alles verpackt in einer Form, die nicht etwa langweilig, sondern sehr unterhaltend ist. Ich bin neugierig geworden auf viele weitere Stücke dieses Theaters, wie ´Der Henker und der Narr´, ´Caesar´ oder ´Esel und Schatten´, welche sich mit den Problemen jener Zeit, vor allem mit dem Faschismus in Deutschland, auseinandersetzen.“
Herr Urbanczyk, Hut ab und einen herzlichen Glückwunsch zum Sieg im Wettbewerb. Und damit sind wir am Ende unserer Sendung angelangt. Schreiben Sie uns weiter Ihre Briefe, Anmerkungen und Kommentare zu unseren Sendungen, und zwar per Post an Radio Prag, deutschsprachige Redaktion, Vinohradská 12, 120 99, Praha 2, Tschechische Republik, oder per E-Mail an: [email protected]. Wir melden uns in zwei Wochen wieder mit dem Hörerforum, bis dahin machen Sie es gut!