„Rusalka ist ein Hammerwerk“ - Opernregisseur Schweigkofler inszeniert in Prag

Manfred Schweigkofler (Foto: Hana Smejkalová, Archiv des Nationaltheaters)

In diesem Jahr wäre der Komponist Giuseppe Verdi 200 Jahre alt geworden. Das Prager Nationaltheater führt anlässlich dieses Jubiläums eine Neuinszenierung von Verdis Oper „Don Carlos“ auf. Die Regie hat Manfred Schweigkofler übernommen. Ein Gespräch mit dem Opernregisseur über diese Inszenierung und seine Vorlieben in der Musik.

Probe zu „Don Carlos“  (Foto: Hana Smejkalová,  Archiv des Nationaltheaters)
Herr Schweigkofler, Sie inszenieren jetzt in Prag Verdis Oper „Don Carlos“. Was fasziniert Sie an diesem Musikstück?

„Ich denke, dass der ´Don Carlos´ im Schaffen Verdis einzigartig ist. Ihm ist damit gelungen, eine Universaloper zu schaffen, weil hier so viele Stränge zusammenlaufen. Deshalb ist der ´Don Carlos´ überhaupt eines der komplexesten Werke der Weltliteratur. Es geht um große Politik, um Politik und Religion, es geht um ein Terrorsystem, einen absoluten Staat. Aber das ist nur die Folie. In diesem Terrorsystem, in dieser Diktatur, die eine politische und eine geistliche Diktatur ist, gibt es viele Einzelschicksale, viele Verhaltensmuster, die man aufgreifen kann. Und eben die Vernetzung der persönlichen Situation mit der politischen ist einer der Hauptstränge. Des Weiteren geht es um Freiheit: Es ist das große Epos der Freiheit. Es geht auch um Freundschaft: Don Carlos und Rodrigo sind ein Symbol für eine große Freundschaft. Dann haben wir diesen komplexen Charakter von Elisabeth, die eine Frau ist, die ihr Frausein aufgegeben hat, um eine Funktion zu spielen. Das ist ein anderes großes Thema: Wie gehen wir mit der öffentlichen Funktion um, die wir bekleiden, und wie bringen wir die öffentliche Funktion mit unserem Privaten ins Einklang. Wir haben hier einen erfolgreichen König Philipp, der aber als Ehemann, als Vater, als Liebhaber komplett scheitert - das heißt in seinem Herzen ist das genaue Gegenteil von diesem strahlenden König, den wir öffentlich sehen. Da ist er ein armer Mann, der alleine ist und krampfhaft einen Freund sucht. Diesen Freund glaubt er in Rodrigo zu finden. Man weiß also nie – und das ist eine große Farbe in dieser Oper –, wem man definitiv vertrauen kann. Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was man sagt, und dem, was man meint. Diese ganzen komplexen Dinge machen ´Don Carlos´ wirklich zu einem einzigartigen Kunstwerk. Und dann natürlich diese wunderbare Musik, die Verdi daruntergelegt hat. Ich denke, in kaum einer anderen Oper hat er es zu einer solchen Meisterschaft gebracht, wenn es darum geht, die Gefühle mit der richtigen Musik zu unterlegen.“

Manfred Schweigkofler  (Foto: Hana Smejkalová,  Archiv des Nationaltheaters)
Sie sind nicht nur Regisseur, sondern Sie waren auch Schauspieler und eine Zeit lang auch Sänger in einer Rockband. Wie verlief Ihr Weg zur Opernregie? Ist es für Sie ein großer Unterschied, die Regie eines Theaterstücks oder einer Oper zu führen?

„Das ist ein ganz großer Unterschied, weil in der Oper die Musik den Rhythmus des Abends vorgibt. Das heißt: Ich bin in meiner Gestaltung nicht frei, ich muss dem Komponisten und dem Dirigenten folgen. Zusammen mit dem Dirigenten versuche ich, einen Rhythmus für den Abend zu kreieren. Und deshalb bin ich als Regisseur bei der Oper ein Diener der Musik. Ich muss alles, was ich mache, auf die Musik hinauflegen, weil ich sonst an meiner Aufgabe vorbeigehe. Beim Theater bin ich viel freier. Bei der Oper muss ich der Musik folgen.“

Probe zu „Don Carlos“  (Foto: Hana Smejkalová,  Archiv des Nationaltheaters)
Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Künstlern aus? Die Besetzung ist ja teilweise international…

„Ich komme mit ihnen sehr gut aus. Es ist eine große Ernsthaftigkeit da, die Künstler haben Lust, diesen ´Don Carlos´ zu machen, weil es natürlich für jeden Sänger eine tolle Herausforderung ist, diese Oper bewältigen zu können. Es sind wunderbarste Rollen da geschrieben: Philipp, Rodrigo, Eboli, Elisabeth sind alles Traumrollen. Für jeden Sänger ist es eine große Ehre, seine Rolle gut zu machen. Ich habe bei den meisten Sängern das Gefühl, dass sie wirklich brennen, um diese Rolle zu machen.“

Antonín Dvořák
Sie haben auch schon Antonín Dvořáks „Rusalka“ inszeniert – in Neapel. Haben Sie eine besondere Beziehung zur tschechischen Musik?

„’Rusalka’ ist für mich eines der großen Werke der Opernliteratur. ´Rusalka´ ist eines der schönsten Werke, die der menschliche Geist kreativ geschaffen hat. Die Musik von Dvořák ist einfach wunderschön. Natürlich ist die ‚Rusalka’ – jetzt spreche ich als Regisseur – auch eine spannende tiefenpsychologische Geschichte. Sie ist nicht nur ein einfaches Märchen, wenn man zum Beispiel die Figur der Rusalka betrachtet. Ihre Entwicklung ist wunderbar gezeichnet: Erst ist sie ein junges Mädchen, das sich zum ersten Mal verliebt, und durch viele Enttäuschungen hindurch wird sie definitiv eine Frau, die dann am Ende nach vielen schlimmen Ereignissen noch zur Liebe und zur Vergebung fähig ist. Und musikalisch ist die Oper natürlich ein Hammerwerk, das ist ganz, ganz schön.“

Bedřich Smetana
Gibt es auch andere tschechische Opern, die Sie stark ansprechen und die Sie gern inszenieren würden?

„Ich habe bei der Arbeit an ´Rusalka´ gemerkt, dass ich vielleicht ein Faible für Dvořák habe, dass mir seine Musik sehr gut gefällt. Wenn wir von tschechischen Komponisten sprechen, dann müssen wir auch Erich Wolfgang Korngold hinzunehmen. Ich mag seinen Stil sehr, erklären kann ich das aber nicht. Ich würde gerne auch Smetanas ´Libussa´ machen, weil mich die Geschichte total inspiriert. Als ich oben auf dem Vyšehrad war und hinuntergeschaut habe, da dachte ich, man könne aus der ´Libussa´ eine schöne Geschichte entwickeln. Zudem ziehen mich Janáčeks Opern sehr an: ´Die Sache Makropulos´ oder ´Das schlaue Füchslein´. Es gibt schon eine ganze Reihe von Werken, die mich reizen würden.“

Konkrete Pläne oder Angebote haben Sie in dieser Hinsicht noch nicht?

„Im Moment gibt es keine konkreten Planungen. Es gibt zwei Ideen, über die ich im Gespräch bin, aber da ist noch nicht spruchreif.“

Beobachten Sie bei den Vorstellungen die Reaktionen des Publikums?

„Ja, das Publikum ist für mich wichtiger als andere Dinge. Denn schlussendlich arbeiten wir ja für das Publikum. Deshalb interessiert es mich zunächst einmal, wenn ich an einem Ort arbeite, schon vorher ins Theater zu gehen, weil ich das Publikum kennenlernen möchte. Ich möchte wissen, was das für Menschen sind, wie sie sich kleiden und worüber sie in der Pause reden. Ich muss ja meine Kunden – sage ich jetzt mal – irgendwie kennenlernen. Deshalb interessiert es mich natürlich schon bei der Premiere, ob ich auch imstande gewesen bin, dem Publikum etwas zu geben. Danach ist es schön, wenn man eine Kritik bekommt, die gut ist. Danach ist es schön, wenn man die Intendanz zufriedengestellt hat, aber schließlich ist unsere Arbeit dann gelungen, wenn wir eine Form von Kommunikation mit dem Publikum gefunden haben. Das muss nicht immer der absolute Beifallsturm sein. Man kann auch ein Publikum treffen, man kann es schockieren, man kann es zum Weinen oder zum Nachdenken anregen. Man muss den Besuchern aber für das Wertvollste, das sie uns geben – das ist nicht Geld, sondern die Zeit, die sie im Theater verbringen – etwas zurückgeben. Mit dieser Zeit muss man als Künstler respektvoll umgehen.“

Die Premiere der Neuinszenierung von Verdis „Don Carlos“ findet am 28. März in der Prager Staatsoper statt.