Schauspielerin und Dissidentin Chramostová ist tot
Vlasta Chramostová galt nicht nur als hervorragende Schauspielerin, sondern auch als tapfere Dissidentin. Am Sonntag ist sie im Alter von 92 Jahren gestorben.
Vlasta Chramostová stammte aus Brno / Brünn, doch der Karriere wegen ging sie nach Prag. Dort gehörte sie in den 1950er und 1960er Jahren zum Ensemble des heutigen Prager Theaters „Auf den Weinbergen“. Zu ihren Paraderollen gehörte beispielsweise Schillers Maria Stuart. Chramostová hat auch in zahlreichen Filmen mitgespielt. Die größte Aufmerksamkeit erhielt sie im Jahr 1968 für ihre Rolle im düsteren Streifen „Der Leichenverbrenner“ von Regisseur Juraj Herz. Aber nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in der Tschechoslowakei musste sie ihre Schauspielkarriere beenden. Vlasta Chramostová erinnerte sich vor sechs Jahren in einem Rundfunkinterview an diese Zeit.
„Ich habe nach 1968 im Theater gekündigt. Damals ging es um viel mehr als nur um meine Karriere. Ich begriff, dass die damalige Zeit eine Tragödie für das ganze Volk bedeutete. Jan Palach reagierte wenig später mit seiner Selbstverbrennung darauf, wie viele Menschen bereits ein paar Monate nach der Okkupation kein Rückgrat mehr hatten. Als die Säuberungen an den Hochschulen begannen, als mehrere Zeitschriften verboten wurden, da bin ich gegangen.“Chramostová spielte anschließend im Prager Theater „Hinter dem Tor“ (Divadlo Za branou), dieses wurde jedoch bald vom kommunistischen Regime geschlossen. Die Schauspielerin gehörte anschließend zu den ersten Unterzeichnern der Charta 77, auf der sich die gleichnamige Bürgerrechtsbewegung berief.
Zusammen mit ihrem Mann, dem Kameramann Stanislav Milota, gründete sie das sogenannte „Wohnzimmertheater“. In ihrer eigenen Wohnung wurden Bearbeitungen von klassischen Stücken sowie Vorstellungen aufgeführt, die aus Texten von damals verbotenen Schriftstellern zusammengestellt wurden. Die Besucher waren Freunde. An den privaten Produktionen beteiligten sich der Dramatiker Pavel Kohout, der Schauspieler Pavel Landovský sowie der Liedermacher Vlasta Třešňák. Zu den Gästen gehörte auch Václav Havel.Chramostová kehrte erst nach der Wende von 1989 wieder auf die Theaterbühne zurück. Sie spielte im Prager Nationaltheater und bekam einige Filmrollen. Václav Havel besetzte sie 2011 als Großmutter in seinem Streifen „Der Abgang“. Eigentlich habe sie drei Leben gelebt, hat die Schauspielerin einmal behauptet.
„Ich hatte das junge Schauspielerleben, dann folgten 20 Jahre Dissidentenleben. Ab November 1989 habe ich die Jahre der Rückkehr erlebt. Ich hatte die Frechheit und den Mut, wieder auf der Bühne zu stehen.“Vlasta Chramostovás Kolleginnen und Kollegen finden nur lobende Worte für die Schauspielerin. Eva Salzmannová vom Prager Nationaltheater dazu:
„An Vlasta war faszinierend, dass sie trotz aller Schicksalsschläge mit einer unglaublichen Kraft und sogar Sinn für Humor all dem entgegengewirkt hat. Dabei spreche ich nicht nur von der politischen Unterdrückung, sondern auch von ihren persönlichen Tragödien.“
Pavel Rychetský ist der Vorsitzende des tschechischen Verfassungsgerichts. Er kannte Chramostová seit den Dissidentenjahren:
„Sie war einfach eine großartige Persönlichkeit. Sie hat keinen Moment damit gezögert, ihre glänzende Schauspielerkarriere zu opfern, um ihre moralische Haltung zu bewahren.“
Die Öffentlichkeit kann am 14. Oktober von Vlasta Chramostová Abschied nehmen – und zwar im Prager Nationaltheater.