Schlechtes Mathe-Abitur: Bildungsminister fordert Reformen

Foto: Filip Jandourek, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Am Freitag vergangener Woche wurden die Ergebnisse des Zentralabiturs bekannt. Vor allem in Mathematik waren die Ergebnisse schlechter als im vergangenen Jahr, fast ein Viertel der Schüler fiel durch. Bildungsminister Marcel Chládek hält das für bedenklich und nutzte die Gelegenheit, seine Pläne zum Umbau des Bildungssystems vorzustellen. Er fordert verpflichtende Eignungstests für Schüler beim Wechsel auf die Mittelschule. Außerdem ist er der Meinung, dass nicht jeder das Abitur haben müsse.

Marcel Chládek  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)
In diesem Jahr wurden die Ergebnisse des staatlichen Zentralabiturs am 15. Mai veröffentlicht. Der sozialdemokratische Bildungsminister Marcel Chládek gab sie persönlich bekannt:

„Das Gesamtergebnis ist leider schlechter ausgefallen als im vergangenen Jahr. In einigen Fächern sind die Noten nur leicht schlechter geworden, aber in Mathematik ist das Ergebnis alarmierend.“

Im vergangenen Jahr waren bei den Abiturprüfungen noch 20 Prozent der Schüler in Mathe gescheitert, in diesem Jahr waren es bereits fast 24 Prozent. Chládek bereitet dies Sorgen:

„Nicht nur, dass sich weniger Schüler zum Abitur in Mathematik entschieden haben, sie haben auch noch schlechter abgeschlossen. Laut unserer Analyse fehlten grundlegende Kenntnisse zur Lösung der Aufgaben, also Fähigkeiten, die sich auf dem Niveau der Grundschule bewegen. Gleichzeitig fehlten - und das ist das Kernproblem - grundlegende, triviale logische Abwägungen der Aufgaben.“

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Amtsvorgänger von Chládek war Petr Fiala. Der Hochschulprofessor ist derzeit Chef der Demokratischen Bürgerpartei (ODS). In der Bewertung der Abiturergebnisse stimmt er aber dem Sozialdemokraten Chládek zu:

„Dass wir schon lange Zeit Probleme mit der Mathematik haben, ist bekannt. Wir haben auch damals schon erste Schritte unternommen. Änderungen in der Bildung bedeuten aber leider immer, dass die Ergebnisse lange auf sich warten lassen. Eine positive Nachricht gibt es dennoch: Wenn wir die internationalen Vergleichstests von Schülern der vierten Klasse betrachten, dann erkennen wir gerade im Bereich der Mathematik leichte Verbesserungen. Aber wir müssen weiter daran arbeiten.“

Ondřej Šteffl  (Foto: Eva Dvořáková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Das Zentralabitur wird in Tschechien von der staatlichen Agentur Cermat durchgeführt. Ondřej Šteffl ist Direktor der Nichtregierungsorganisation Scio. Sie bewertet die Leistungen von Grund- und Mittelschülern und steht dem Zentralabitur kritisch gegenüber. Šteffl vermutet hinter dem schlechten Abschneiden der Schüler gestiegene Anforderungen in den Prüfungen:

„Ich erkläre mir die Ergebnisse damit, dass Cermat jedes Jahr die Tests schwerer macht. Es ist schlicht nicht möglich, dass sich Schüler von 20 Prozent Durchfallquote im vergangenen Jahr auf 24 Prozent in diesem Jahr verschlechtern. Diese Zahl ist doch wahnsinnig, wir stellen völlig unsinnige Anforderungen an die Abiturienten. Wir müssen an die Schüler denken, die nicht auf ein Elitegymnasium gehen. Wenn eine zukünftige Friseurin Abitur in Mathematik macht, können wir nicht solche Unsinnigkeiten verlangen.“

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In Tschechien ist das Schulsystem anders aufgebaut als in Deutschland. Vergleichbar sind die Gymnasien, an denen eine humanistische Gesamtbildung erfolgt. Es gibt aber daneben zahlreiche Mittelschulen, die eine fachliche Ausrichtung haben, zum Beispiel für Gastronomie, Elektrotechnik oder Chemie. Aber all diese Schulen enden ebenfalls mit dem Abitur. Bildungsminister Chládek relativierte die Ergebnisse der Mathematikprüfung aber einen Tag nach der Bekanntgabe bereits wieder, denn man müsse die Noten in Relation zu einer weiteren Größe betrachten:

„Wenn wir die geringe Zahl der Schülerinnen und Schüler nehmen, die sich überhaupt für ein Abitur in Mathematik entschieden haben, ist die Verschlechterung gar nicht so groß. Aber es stimmt, dass wir uns dem Problem widmen müssen. Falls wir die Mathematikprüfung ab dem Jahr 2020 zur Pflicht machen wollen, dann sollten die Lehrpläne schon vorher in der Grundschule ausgetauscht werden. Für eine grundlegende Änderung aber müssen wir schon an der Universität beginnen und die Ausbildung der Lehrer verbessern, nicht nur in Mathematik, sondern auch in weiteren Fächern.“

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In den Fächern Tschechisch und Erste Fremdsprache haben sich die Ergebnisse im Vergleich zum Vorjahr nur wenig verschlechtert. Daher sticht der Einbruch bei den Matheleistungen besonders hervor. Bildungsminister Chládek vermutet, dass die tschechischen Schüler Angst vor Mathematik haben und sich deswegen überhaupt nur wenige für eine Prüfung in dem Fach entscheiden.

Das bedeutet jedoch ein Problem für den Arbeitsmarkt, denn vor allem die technischen Branchen in der Industrie brauchen Nachwuchs mit mathematischen Fähigkeiten. Das Ministerium plant deswegen, Mathematik ab dem Jahr 2020 als Abiturfach verpflichtend vorzuschreiben. Chládek ist aber generell kritisch eingestellt zum derzeitigen tschechischen Schulsystem:

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„Ich glaube nicht, dass jeder in der Tschechischen Republik das Abitur haben muss. Daher habe ich den Vorschlag gemacht, dass man auf der Berufsschule kein Abitur mehr machen sollte. Nach der Ausbildung würden die Schüler dann in die Praxis gehen und später eine Meisterprüfung ablegen. Wenn also jemand Handwerker oder Techniker sein möchte, dann würde die Meisterprüfung reichen, wenn jemand Händler sein möchte, dann eine Handelskammerprüfung. Heute ist dafür das Abitur vorgeschrieben.“

Dieses geplante System erinnert ein wenig an die deutsche duale Ausbildung. Daneben möchte Chládek aber auch verpflichtende Aufnahmeprüfungen für Mittelschulen einführen. Derzeit würden zu viele Kinder an diesen Schulen angenommen, die eigentlich gar nicht die Anforderungen erfüllten. Der Grund dafür liege auch in der Finanzierung der Schulen, so der Minister:

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Wenn wir aber Aufnahmeprüfungen einführen wollen, müssen wir noch einen Schritt weitergehen und die Finanzierung des Schulwesens ändern. Derzeit erhalten die Schulen ihr Budget anhand der Schülerzahl. Logischerweise nehmen sie deswegen die größtmögliche Zahl von Schülern an, dies ist für sie finanziell von Vorteil. Dieses System ist aber sehr schlecht ausgedacht und für das Land sehr teuer. Denn so bezahlen wir aus den Abgaben aller Steuerzahler vier Jahre lang einer ganzen Reihe von Schülern eine Ausbildung, die diese dann nicht abschließen. Das Geld wird dadurch verschwendet, und gleichzeitig ist das gegenüber den Schülern und ihren Familien sehr unseriös.“

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Ondřej Šteffl von der Nichtregierungsorganisation Scio ist jedoch der Meinung, es reiche, das Zentralabitur abzuschaffen.

„Was der Staat machen sollte, ist ein Mittelschul-Minimum festzulegen - nicht mehr und nicht weniger. Die Gymnasien können dann ein Schulabitur festlegen, aber das Mittelschulminimum muss für alle gleich sein - und sollte vor allem in Mathematik niedriger ausfallen. In Tschechisch ist das Niveau insgesamt in Ordnung, hier haben 98 Prozent der Schüler bestanden.“

In eine konkrete Form hat der Bildungsminister seine Reformideen noch nicht gegossen. Bis also eine Gesetzesnovelle und ein Aktionsplan vorliegen, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Selbst wenn das System also umgebaut werden sollte, werden die Ergebnisse Jahre auf sich warten lassen.