Schlesisches Landesmuseum in der Geschichte der Zeit (2): Krieg und politische Umwälzungen
In den 1930er Jahren bereitete sich das altehrwürdige Schlesische Landesmuseum in Opava / Troppau auf sein 125-jähriges Gründungsjubiläum vor. Obwohl man auf eine tolle Entwicklung zurückblicken konnte, zeichnete sich eine schwere Zukunft ab. Denn der Zweite Weltkrieg stand vor der Tür, gefolgt von der kommunistischen Machtübernahme 1948. Vor einiger Zeit haben wir bei uns bereits über die Anfänge des Landesmuseums und seine Blütezeit berichtet. Im zweiten Teil unseres geschichtlichen Überblicks geht es um die Folgen der großen Verwerfungen im 20. Jahrhundert.
Der schlesische Teil der Tschechoslowakei war einst dreisprachig – tschechisch, deutsch und polnisch. Nach der Staatsgründung im Jahr 1918 blieben die nationalistischen Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen bestehen. Bis in die frühen 1930er Jahre gingen diese allerdings noch nicht in Gewalt über. Großteils zeigte sich einfach eine Rivalität der Eliten in den Bereichen Wissenschaft und Kultur. Das sollte sich allerdings bald ändern. Denn die politische Lage in Europa führte zunehmend auch hierzulande zu einer gesellschaftlichen Polarisierung. Hitlers Machtergreifung in Deutschland erwies sich im tschechischen Schlesien als Startschuss für Aktivitäten bestimmter Bevölkerungsteile. Ondřej Kovář ist Historiker am Troppauer Landesmuseum:
„Eine erste Welle von Reaktionen auf das Geschehen in Deutschland erfasste schon gleich 1933 nicht nur die deutschsprachigen, sondern auch die ‚deutsch‘ denkenden Bewohner. Dies war ein Spezifikum unserer Region, in der es Enklaven gab, in denen die Menschen zwar Tschechisch sprachen, zugleich aber ein Faible für die deutsche Kultur hatten. Das betraf besonders die sogenannten Moravci im Hultschiner Ländchen. 1933 kam es zu Demonstrationen und Unruhen, in einigen Fällen wurden auch deutsche Fahnen gehisst. In den Jahren 1937 und 1938 muss man bereits von größeren Spannungen und gewalttätigen Attacken sprechen.“
Im Oktober 1938 besetzte die deutsche Wehrmacht die Sudetengebiete in der Tschechoslowakei. Schon bald darauf brannten dort die Synagogen. Auch jene in Troppau wurde während der sogenannten „Reichskristallnacht“ vom 10. auf den 11. November 1938 in Brand gesetzt. Die Tageszeitung „Deutsche Post für das Sudetenland“ berichtete darüber mit einer Genugtuung, die aus heutiger Sicht unerträglich klingt, wobei sie auf die vielen Schaulustigen hinwies:
„Es war ein schaurig-schöner Anblick, die hell auflodernden Flammen an den vier Ecktürmen und der großen Mittelkuppel des Tempels zu sehen, die schließlich alle mit mächtigem Gepolter einstürzten. Von der Synagoge stehen lediglich noch die Außenmauern. Die Reste der abgebrannten Synagoge, die in einem typisch jüdisch verschmokten orientalischen Stil das Stadtbild verschandelte, werden nun wohl abgetragen, und an der Stelle dürfte bald ein repräsentatives und der Stadt würdiges Gebäude aufgerichtet werden.“
Gerettete Kunstgegenstände
Troppau wurde noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zum Sitz eines der Verwaltungskreise im „Reichsgau Sudeten“. Das Hultschiner Ländchen war damit ein Teil des Deutschen Reiches. Die bis dahin eigenständig funktionierenden Museen in Troppau – also nicht nur das Landesmuseum, sondern auch das Gymnasialmuseum, Landwirtschaftliche Museum, Museum der Legionäre und eine ganze Reihe von halbprivaten oder vereinseigenen Museen – wurden 1939 von den Deutschen zu einer zentralen Institution vereint. Dies war das sogenannte Reichsgaumuseum. Kovář schildert die weitere Entwicklung:
„Nach dem Krieg galt Troppau als die am stärksten beschädigte Stadt auf tschechischem Gebiet. Sie wurde zunächst 1940 bei den Luftangriffen der Alliierten auf Industrieobjekte in Oberschlesien mehrmals beschädigt. Als dann die Front im Frühjahr 1945 näher rückte, bombardierten die Sowjets Troppau drei Wochen lang nonstop. Als bedeutender Stützpunkt der deutschen Verteidigung war die Stadt massiv befestigt. Die sogenannte ‚Operation Ostrava-Opava‘, in der von März bis Anfang Mai 1945 insgesamt mehr als 400.000 Soldaten auf beiden Seiten um jeden Meter Gelände kämpften, war die größte Schlacht auf tschechischem Boden im Zweiten Weltkrieg. Auch das Gebäude des Schlesischen Landesmuseums blieb von den schweren Kämpfen nicht verschont. Die deutschen Machthaber hatten sich zuvor bemüht, einen Teil der Sammlungen vor der näherkommenden Front in Sicherheit zu bringen. Etliche Artefakte verschwanden dabei oder wurden stark beschädigt. Als sich nach dem Krieg die Lage einigermaßen konsolidiert hatte, leiteten die ersten Museumsmitarbeiter umfassende Rettungsaktionen auf einem breiten Gebiet der Region ein. In den von Deutschen verlassenen Schlössern und anderen Gebäuden suchten sie nach wertvollen Musikinstrumenten, Büchern oder Kunstgegenständen.“
Das Landesmuseum musste wegen seiner Beschädigung restauriert werden. In dieser Zeit war man bemüht, den geschrumpften Fundus wieder aufzustocken. Die Ausstellungen waren zwischenzeitlich im Gebäude der heutigen Bibliothek untergebracht.
Bald nach Kriegsende kam es in der Tschechoslowakei zum politischen Umsturz. Im Februar 1948 übernahm die kommunistische Partei das Ruder im Land. Ihre Alleinherrschaft in den nachfolgenden 40 Jahren hemmte in vielen Bereichen die Entwicklung eher, als sie zu befördern. 1949 wurde das Schlesische Landesmuseums in eine Dachorganisation für alle Museen der Stadt verwandelt. Damit übernahm man praktisch das Modell des Reichsgaumuseums aus nationalsozialistischen Zeiten.
„Erst zehn Jahre nach dem Krieg, also 1955, konnte das historische Museumsgebäude seine Tore für die erste ständige Exposition und gelegentliche Ausstellungen wieder öffnen. Die Staatsführung arbeitete intensiv daran, einheitliche Richtlinien für alle Museen im Land einzuführen. Damit sollte das in der Vorkriegszeit bestehende System, als die Museen verschiedene Betreiber hatten, abgeschafft werden. Im Lauf der 1950er und 1960er Jahre etablierte sich das Troppauer Museum als methodisches Zentrum mit Zuständigkeit für den Kreis Nordmähren. Seine Mitarbeiter veranstalteten Schulungen für die Kollegen aus den kleineren Museen der Region“, so Historiker Kovář.
Streichung des Wortes „schlesisch“
Damit konnte das Museum seine besondere Stellung in Nordmähren festigen. Zugleich aber durfte es ab 1949 nicht mehr Landesmuseum heißen und ebenso wenig das Attribut „schlesisch“ verwenden. Die vorherige Verwaltungsgliederung in Länder wurde aufgehoben, stattdessen gab es jetzt Bezirke und Kreise. Binnen weniger Jahre gelang es der KPTsch, viele ihrer politisch-ideologischen Ziele durchzusetzen. Darunter auch im Schulwesen und in der Kultur. Der damals für diesen Bereich zuständige Minister Zdeněk Nejedlý traf folgenschwere Entscheidungen. Im Hinblick auf das Troppauer Museum schreibt ihm der Geschichtswissenschaftler aber auch einen Verdienst zu:
„Zdeněk Nejedlý war bestimmt ein sonderbarerer Mann. Doch 1949 machte er sich um die Transformation unseres Museums in eine staatliche Institution verdient. Die kommunistische Zentralisierung des gesamten Museumswesens war bekanntlich auch mit negativen Eingriffen verbunden. Es gab Säuberungen beim Personal, alle freiwilligen und informellen Zusammenschlüsse von Museen wurden aufgelöst. Zugleich wurde aber auch die Professionalisierung der Museumsarbeit angeregt. Und die Mitarbeiter erhielten den Status von Staatsbeamten. In den 1950er und 1960er Jahren wurde in unserem Museum dann damit begonnen, auch Fachkonferenzen abzuhalten.“
Auf diese Weise wurden Kolář zufolge nach und nach die Museen miteinander vernetzt. Die Interpretation von Forschungsergebnissen und die Art der Präsentation mussten sich jedoch streng an die ideologischen Richtlinien des Regimes halten. Im Besonderen dürfte dies für jene Themen gegolten haben, die sich auf den neu geschaffenen Kreis Ostrava / Ostrau und den späteren Kreis Nordmähren bezogen. Denn in der Gegend, die bis heute von der Montanindustrie geprägt ist, erfreute sich die kommunistische Partei besonders starker Unterstützung.
Ab 1949 verlagerte das Troppauer Museum sein Augenmerk auf die Region und ihre Geschichte. Dazu gehörten die Bereiche Naturforschung, Ethnografie, Kunstgeschichte und Zweiter Weltkrieg. Dabei musste konsequent auf die Bezeichnungen „schlesisch“ beziehungsweise „Schlesien“ verzichtet werden. Jegliche Reminiszenzen an diese Landschaft als Teil der böhmischen und tschechischen Geschichte sollten aus den Köpfen der Menschen verdrängt werden. Innerhalb weniger Jahrzehnte sei dies weitgehend gelungen, befindet Ondřej Kovář. Und seiner Ansicht nach ergeben sich daraus bis heute Probleme:
„Sagt man bei uns ‚Schlesien‘, verstehen die meisten darunter den tschechischen Teil Schlesiens und das Kohlerevier von Ostrau und Karviná. In Deutschland hingegen denkt man dabei vor allem an Oberschlesien im heutigen Polen.“