Schnapsbrennen auf Hochtouren bis April 2010
Die diesjährige Obsternte in Tschechien hat eine Rekordhöhe im laufenden Jahrzehnt erreicht. Das freut außer den Obstzüchtern auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der zahlreichen Kleinbrennereien. Diese laufen schon seit Sommer auf Hochtouren, denn ein Teil der Obsternte wird traditionsgemäß verflüssigt. Genau gesagt, er wird zu Schnaps gebrannt.
Die Wartezeiten für die Privatkunden, die ihre hausgemachte Maische in eine Brennerei bringen wollen, belaufen sich derzeit bis auf drei Monate. Daran soll sich dank der überreichen Obstbescherung bis April kommenden Jahres in den Kleinbrennereien nichts ändern.
Früher hatte ausschließlich der Staat die Schnapsproduktion unter seiner Obhut. Nach der Wende wurden aber viele kleinere Brennereibetriebe privatisiert, einige sind auch neu entstanden. Gegenwärtig gibt es in Tschechien etwa 550 private Kleinbrennereien, die während der Brennsaison zwischen 1. Juli und 30. April reifes Obst verarbeiten. Ihre Palette ist sehr breit. Ein Obstler lässt sich aus jeder Fruchtart machen, behaupten die erfahrenen Brennspezialisten. Für viele gilt das Metier als Hobby. Die einheimischen Obstlerbrenner, in der Fachsprache Destillateure genannt, bekommen seit 16 Jahren eine Fachunterstützung von der Union der Destillateure. Deren Mitbegründerin Helena Uhrová, die auch als Dozentin an der chemisch-technologischen Fakultät der Prager Karlsuniversität arbeitet, erläutert gegenüber Radio Prag die Tätigkeit der Institution:
„Die Union der Destillateure wurde 1993 gegründet. Zum Ziel hat sie sich in erster Linie gestellt, die Brennereibesitzer zu unterstützen. Die zweitwichtigste Aufgabe der Union war die Verbesserung der Qualität von Obstdestillaten. Obwohl diese nur für den persönlichen Konsum bestimmt sind und nicht auf den Markt gebracht werden dürfen, könnte die Gesundheit der Konsumenten hinsichtlich des großen Umfangs der Obstlerproduktion gefährdet werden. Auch wenn es sich um ihr eigenes Produkt handelt.“
Seit den 1990er Jahren sei ein zahlenmäßiger Anstieg der Brennereien verzeichnet worden, sagt Helena Uhrová:
„Das Primat hält traditionsgemäß Mähren. Dort befindet sich das Gros aller Obstbrennereien hierzulande, 75 Prozent. Zwar sind nicht alle erst nach 1990 entstanden, die Mehrheit aber schon. Im Vergleich zu Mähren gibt es in Böhmen nur 113 kleine Brennereien, knappe 24 Prozent also.“
Die Union der Destillateure verfügt nicht über Instrumente, den Kleinproduzenten von Obstdestillaten irgendwelche Richtlinien zu auferlegen. Diese sind schon längst vom Landwirtschaftsministerium festgelegt worden. Die Union spielt eher „nur“ eine beratende Rolle, wie auch Helena Uhrová bestätigt.
„Wir können die Kleinproduzenten nur in einer Weise beeinflussen, und zwar durch die Ausbildung derer, die das Obstbrennen betreiben, und auch derjenigen, die die Maische zubereiten. Auch hierbei existiert ein historisch bedingter Unterschied zwischen Böhmen und Mähren. Die eigenhändig hausgemachte Maische gilt in Mähren als Ehrensache. In Böhmen hingegen bringen die meisten Interessenten ihr Obst in die Brennerei. Alles andere liegt an dem Destillateur. Dem Kunden übergibt er den fertigen Obstler. Dabei hat also der Kunde wenig Einfluss auf die Qualität des Endproduktes.“
Es ist also sehr wichtig, dass die Destillateure ihr Metier beherrschen. Darum ist auch die Union der Destillateure bemüht. Speziell in Mähren kümmert sie sich sowohl um Fachleute in den Brennereien als auch um die Produzenten der Obstmaische.
Die Union der Destillateure kann zumindest das Interesse der Beteiligten am Fachwissen beeinflussen. Sie veranstaltet unter anderem Fachseminare für diejenigen, die mit der Obstbrennerei beschäftigt sind. Die Teilnahme an einem solchen Seminar ist natürlich auf ihrer Freiwilligkeit begründet. Nun, wie hoch ist das Interesse?
„Ich muss sagen, dass sich in letzter Zeit zunehmend auch jüngere Jahrgänge dieser Arbeit widmen, und bei ihnen verzeichnen wir auch ein höheres Interesse, ihre Kenntnisse zu erweitern. Die alte Generation der Obstbrenner richtete sich danach, wie es der Vater oder Großvater gemacht hat, und behauptet, so sei es auch am besten gewesen. Die jüngere Generation der Obstbrenner nimmt hingegen die neuesten Trends wahr, die auch die gesundheitlichen Kriterien berücksichtigen.“
Radio Prag hat auch direkt vor Ort, in einer der zahlreichen Kleinbrennereien, nachgefragt, wie die Geschäfte laufen. Josef Šmerák ist Geschäftsführer der Obstbrennerei „Zapo“ im südmährischen Hrušky unweit von der österreichischen Grenze. Ihre Tore öffneten sich für die Produktion des diesjährigen Obstlers am 13. Juli. Sommerobst wie Kirschen und Sauerkirschen folgten Aprikosen und im Herbst Zwetschgen. Der außerordentlich guten Ernte entspricht auch das hohe Interesse der Kunden. Josef Šmerák bestätigt das:
„Wir werden länger zu tun haben als in den vergangenen Jahren. Meiner Meinung nach werden wir bis April nächsten Jahres brennen.“In Bezug auf das vorherige Interview mit Helena Uhrová fragten wir Herrn Šmerák, ob seine Firma ihre Mitarbeiter zu den Fachseminaren der Union der Destillateure entsendet.
„Sie wissen wahrscheinlich nicht genau, was für eine Firma wir sind. Wir sind nur zwei, mein Kollege und ich, und wir sind Besitzer einer winzig kleinen Brennerei. Heutzutage sind praktisch alle kleinen Brennereien in privaten Händen. Das erwähnte Seminar haben wir natürlich absolviert.“
In Südmähren mangelt es den Brennereien sicher nicht an Kunden, oder?
„Das sagen Sie zwar schön, aber die Brennereien sind nicht alle gleich. Uns geht es gut. Dass dem so ist, sehen wir daran, dass zu uns nach Hrušky auch Kunden aus anderen Gemeinden kommen, in denen es eine Brennerei gibt. Das ist ein Erfolg.“
Welcher Schnaps produziert wird, richtet sich nach der Vorliebe des jeweiligen Obstzüchters oder nach dem Ernteumfang der jeweiligen Obstart. Josef Šmerák hat auch seine Prioritäten:
„Ich persönlich zähle zu den besten Obstdestillaten den Sliwowitz. Wenn es gute Zwetschgen gibt, dann muss daraus auch ein gutes Schnäpschen gemacht werden. Und dann auch Birn- und Aprikosenschnaps. Beides kommt eigentlich bei jedem Schnapsliebhaber sehr gut an.“
Der Brennereibesitzer fügt aber noch hinzu:
„Hier bei uns, in unserem Dorf und in der Umgebung, wird der Wein bevorzugt. Man sagt, dass der Sliwowitz ein gutes Medikament ist. Ich halte es damit nicht so, aber mein Kollege schon. Er trinkt täglich ein kleines Gläschen Sliwowitz. Ich trinke lieber guten Wein. Meine Familie beschäftigt sich auch mit Weinzucht und Weinproduktion. Die Brandproduktion ist nur eine Ergänzung.“
In Südmähren werden Obstdestillate also nicht nur gerne produziert, sondern auch gerne konsumiert. An erster Stelle eindeutig der erwähnte Sliwowitz, der angeblich die Wirkung eines Medikaments hat, gefolgt von Birnen- und Aprikosenschnaps. In der südmährischen Region gilt allerdings nach Šmeráks Meinung der Wein als Favorit Nummer eins.