„Seit ich an der Macht bin, bin ich mir selber verdächtig“ – die Václav-Havel-Ausstellung

Václav Havel

Die Ausstellung „Václav Havel – ein tschechischer Mythus“ bezieht diese Woche ein neues Quartier. Ab Freitag ist sie nun dauerhaft in der Galerie Montmartre in der Prager Altstadt zu besichtigen. Der neue Standort ermöglicht aber den Besuchern nicht nur, die Person und das Wirken von Václav Havel kennen zu lernen, sondern will auch ein Ort der Auseinandersetzung mit der tschechischen Zeitgeschichte sein.

Café Montmartre
Früher einmal trug die Řetězová auch den Namen Kettengasse. Im Haus Nummer sieben, im Café Montmartre, gaben sich Künstler und Literaten des multikulturellen Prag die Türklinke in die Hand. Hier ist nun der neue Ort der Havel-Ausstellung. Er symbolisiert kulturelle Offenheit, und das ist durchaus gewollt:

„In Havels Weltsicht sind der Nationalismus und jegliche Isolation einer Nation von den anderen Nationen etwas äußerst Negatives. Er hat immer die Bedeutung von Prag als einer Stadt betont, wo verschiedene Kulturen zusammen gelebt haben, nämlich die tschechische, die deutsche und die jüdische“,

so Direktor Martin C. Putna. Die Ausstellung „Václav Havel – ein tschechischer Mythos“ schafft eine bestimmte Vorstellung von dem Schriftsteller, Bürgerrechtler und Altpräsidenten. Geht es dabei mehr um eine Mythisierung oder um Entmythisierung Havels?

„Es geht um beides. Es ist gerade dieses Wortspiel, diese Doppelbedeutung, die ich vor Augen hatte, als ich diesen Titel wählte. Václav Havel stellt nämlich einen Mythos im positiven Sinne dar, aber auch im ironischen Sinn. Man kann sich am Ende des Titels auch ein Fragezeichen vorstellen“,

Martin C. Putna  (Foto: Autorin)
so Martin C. Putna. Und was ist das Tschechische an diesem Mythos?

„Diese Ambivalenz. Die Sicherheit und Unsicherheit, die Ernsthaftigkeit und der Humor, das ist so typisch tschechisch - oder vielleicht mitteleuropäisch.“

Der Besucher der Ausstellung wird also damit konfrontiert, dass die Wahrheit mehr als eine Seite hat. Man kann sie eigentlich nicht vermitteln, sondern jeder muss ihr selbst auf die Spur kommen. Von diesem Grundsatz lassen sich die Gestalter der Ausstellung auch bei ihren pädagogischen Projekten leiten. Schulklassen, die sie besuchen, stellen zuerst Fragen zu Václav Havel und zur tschechischen Geschichte und gehen danach daran, diese anhand der vorhandenen Dokumente selber zu beantworten.

Die Ausstellung „Václav Havel – ein tschechischer Mythos“ ist Teil der so genannten „Václav-Havel-Bibliothek“. Diese ist nach dem Beispiel der US-amerikanischen Präsidentenbibliotheken organisiert. Sie ist nicht nur eine Sammlung von Büchern und Dokumenten, sondern erfüllt die Rolle eines wissenschaftlichen und kulturellen Zentrums. Forscher finden hier Dokumente zur Zeitgeschichte aus dem Kontext des Lebens und Wirkens von Václav Havel vor. Wissenschaftliche Konferenzen und Workshops werden veranstaltet und Publikationen über Havel herausgegeben.