Senator Czernin: Unseren Landsleuten im Ausland schulden wir die Briefwahl

Blick von der Marienstatue auf die Innenstadt

Vor 27 Jahren, am 7. Mai 1994, wurde im Garten des Prämonstratenserstifts Strahov eine Marienstatue aufgestellt. Gestiftet war sie von den im Exil lebenden Tschechen. Seitdem wird regelmäßig bei einem Treffen vor der Marienstatue an die Bedeutung der Tschechen im Ausland erinnert. Diesen Freitag haben sich die Vertreter einiger Ministerien, des Senats, des Prämonstratenserstifts und weiterer Institutionen erneut im Garten des Klosters getroffen. Zu den Teilnehmern des Treffens gehörte auch der Senator Tomáš Czernin (Top 09), der die Senatskommission für die im Ausland lebenden Tschechen leitet. Im Folgenden ein Gespräch mit dem Senator.

Tomáš Czernin | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Herr Czernin, Sie haben schon einige Mal an den Treffen vor der Marienstatue teilgenommen. Worin besteht die symbolische Bedeutung dieses Sakraldenkmals?

„Wie vorhin der Abt gesagt hat, ist die Mutter Gottes ein Symbol der Verbindung: Sie verbindet die Tschechen, die in Tschechien leben, mit ihren Landsleuten im Ausland. Sie verbindet die Erde mit dem Himmel. Die Statue ist ein Geschenk der Exiltschechen. Sie führten noch zu kommunistischen Zeiten – in den 1950er Jahren – eine Spendensammlung durch. Ihr Wunsch war, dass die Plastik, wenn das Land wieder frei wird, auf dem Altstädter Ring aufgestellt wird. Sie wollten die Mutter Gottes ursprünglich an jener Stelle installieren, an der sich die 1918 zerstörte Mariensäule befunden hat. Mittlerweile steht eine Kopie der Mariensäule auf dem Altstädter Ring. Die Statue der Jungfrau Maria aus dem Exil hat ihren Platz hier in Strahov mit einem schönen Blick auf die Stadt Prag gefunden. Das hat, denke ich, eine tiefe Symbolik.“

Marienstatue,  die aus dem Exil nach Prag gebracht wurde | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Als die Statue aus dem Exil nach Prag gebracht wurde, gab es damals hier eine große Feier. Sie sind oft in Kontakt mit den Auslandstschechen. In wieweit wissen sie davon, dass hier diese Skulptur aus dem Exil steht?

„Ich befürchte ein wenig, dass die im Ausland lebenden Tschechen mehr über diese Skulptur wissen als die hiesigen Einwohner. Trotzdem ist es ein Ort der Begegnung geworden. Es kommen unsere Landsleute hierher, um dafür zu danken, dass sich die Situation in unserem Land geändert hat und dass die Exiltschechen, die während der kommunistischen Zeit flüchten mussten, wieder nach Hause reisen dürfen.“

Diesmal haben die Vertreter gleich einiger Ministerien teilgenommen, die mit den Auslandstschechen zusammenarbeiten – also nicht nur des Außenministeriums, das die Begegnungen initiiert…

Treffen vor der Marienstatue im Garten des Prämonstratenserstifts Strahov | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Es waren Vertreter des Außenministeriums sowie des Bildungsministeriums da. Diese kümmern sich um die tschechischen Schulen im Ausland. Es freut mich, dass den Kindern tschechischer Bürger Unterricht auf Tschechisch, Heimatkunde und Weiteres angeboten wird. Dadurch haben sie zu jeder Zeit die Möglichkeit, zurück nach Tschechien zu kommen und ihre Bildung problemlos fortzusetzen. Zudem waren auch Vertreter des Innenministeriums heute da, die sich um die Ausstellung von Dokumenten und die Teilnahme an Wahlen kümmern.“

Sie setzen sich schon längere Zeit für die Einführung einer Briefwahl ein, die die Gesetze bisher nicht ermöglichen. Wie sieht es damit aus?

Senat des Parlaments der Tschechischen Republik | Foto: Senat des Parlaments der Tschechischen Republik

„Wir haben vorige Woche im Senat über das neue Wahlgesetz abgestimmt. Ich habe bereut, dass es nicht möglich war, die Briefwahl einzufügen. Das Wahlgesetz mussten wir ändern, weil dies vom Verfassungsgericht angeordnet wurde. Geändert wurde die Umlegung der Stimmen auf die Mandate, die zuvor ungerecht war, weil die großen Parteien einen Vorteil gegenüber den kleineren hatten. Dieses Gesetz muss von beiden Parlamentskammern verabschiedet werden. Aber im Abgeordnetenhaus war kein Wille vorhanden, auch die Briefwahl miteinzubeziehen. Die Mehrheit der Senatorinnen und Senatoren unterstützt jedoch diese Möglichkeit, und wir halten es für unsere Aufgabe, die Briefwahl gleich nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Oktober erneut vorzuschlagen – also dann, wenn das Unterhaus eine andere Zusammensetzung haben wird. Denn dies ist eine große Schuld gegenüber unseren Bürgern im Ausland. Tschechien gehört zu den letzten fünf Ländern in der EU, in denen es keine Möglichkeit der Briefwahl gibt.“

Briefwahl | Illustrationsfoto: Tim Reckmann,  Flickr,  CC BY 2.0

Steht hinter dem Widerstand der Abgeordneten gegen die Briefwahl die Angst einiger Parteien vor Stimmenverlusten?

„Das ist ziemlich eindeutig. Im Moment sind im Abgeordnetenhaus einige Parteien, die nicht so viele Stimmen aus dem Ausland erwarten können. Die Argumente, mit denen sie ihre Ablehnung begründen, dass diese Art der Wahl nicht ausreichend vorbereitet worden sei und zu Problemen führen würde, sind nur eine Ausrede. Es ist fast komisch, dass das derzeitige Kabinett die Briefwahl eigentlich im Juni 2018 in ihrem Regierungsprogramm verankert hat. Das Gesetz wurde vorgelegt, aber die Koalition hat es nicht geschafft, es zur Verhandlung zu bringen.“

Quelle:  Tschechische Zentren

Hoffentlich klappt es nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus mit der Briefwahl…

„Das hoffe ich auch.“