„Sicherheitsrisiko“ beim Datenschutz: Regierung will Geburtsnummern abschaffen
Der Mensch als Nummer – eine Horrorvorstellung. Schon 1920 zum Beispiel beschreibt der Russe Jewgeni Samjatin in seinem utopischen Romanklassiker „Wir“ einen Staat der Nummern. Doch die Realität scheint die Utopie längst eingeholt zu haben. Was sind wir heute ohne Personalausweisnummer, ohne Konto-Nummer, ohne Telefonnummer oder ohne PIN-Nummern? In der Tschechoslowakei aber ist man schon nach dem Krieg noch weiter gegangen und hat eine einzige Nummer für jeden Bürger eingeführt – die so genannte Geburtsnummer, rodné číslo. Jetzt aber soll dieser Nummern letztes Stündlein schlagen, das plant die neue Regierung.
„Damals war das genial. Schon in den 40er und 50er Jahren wurde damit ein Kontrollmechanismus geplant, obwohl es noch keine Computer gab oder eine massenweise Datenverarbeitung.“
Was den Techniker begeistert, ist aus der Sicht des Datenschutzes indes bedenklich. Früher musste selbst der Besucher eines Studentenwohnheims beim Pförtner seine Nummer hinterlassen, heute steht sie beispielsweise weiterhin im Gewerberegister, auch Banken verlangen nach ihr. Dabei lässt sich aus der zehnstelligen Zahl sowohl Geschlecht, als auch Alter der jeweiligen Person herauslesen. Eine Kombination, die im Computerzeitalter gefährlich ist:
„Die Nummer ist nicht geschützt, sie ist breit öffentlich zugänglich und ermöglicht, über die Bürger solche Informationen zusammenzutragen, die die Staatsverwaltung eigentlich geheim halten sollte. Die Möglichkeiten zum Missbrauch sind also groß“, so Josef Prokeš vom tschechischen Datenschutzamt.Ähnlich sieht dies auch die neue Mitte-Rechts-Regierung, Vize-Finanzminister Zdeněk Zajíček nannte die Geburtsnummer kürzlich „ein Sicherheitsrisiko“. Bereits in zwei Jahren soll laut dem Koalitionsvertrag ihre Nutzung eingeschränkt werden. Doch dient sie bisher auch zum Beispiel als Sozialversicherungsnummer. Deswegen beantragen selbst Ausländer, die in Tschechien arbeiten, beim Innenministerium eine 'rodné číslo'. Ersetzen will die Regierung diese durch Identifikationsnummern, die aber nicht mehr so leicht persönlich zuzuordnen sind. Datenschützer Prokeš:
„Diese Identifikationsnummern sollten keine weiteren persönlichen Angaben zur Person enthalten, sondern nur eine Art Code sein. Für noch wichtiger aber halte ich, dass für jede Funktion eine eigene Nummer eingeführt wird. Das heißt, man kann sie nicht einfach ohne spezielle Befugnis miteinander abgleichen.“
Das hieße, dass der tschechische Bürger beim Gewerbeamt zum Beispiel eine andere Nummer erhält als bei der Sozialversicherung. Der Nummerntausch indes soll rund 30 Jahre dauern. Fragt sich: Was unternimmt der tschechische Staat bis dahin gegen den möglichen Datenmissbrauch?