Sisis Frühstücksservice und vieles mehr: Ausstellung in Hohenberg zeigt böhmisches Porzellan

Wer an Porzellan denkt, dem kommt die Manufaktur in Meißen in den Sinn, also das klassische blau-weiße Zwiebelmuster, oder zartes Knochenporzellan aus China. Kaum einer denkt wohl an edles Geschirr aus Böhmen. Doch auch hierzulande entstanden einst atemberaubende Service, und einige von ihnen werden derzeit im Porzellanikon in Hohenberg an der Eger in Oberfranken ausgestellt. Die Kulisse bildet dabei das Bäderdreieck im 19. Jahrhundert.

Foto: © Porzellanikon

Luxus, Wellness, Porzellan – Ein Tag im böhmischen Kurbad“: Unter diesem Motto steht die Ausstellung, die derzeit in Hohenberg an der Eger zu sehen ist. Wie kommt es, dass böhmisches Porzellan dort gezeigt wird? Thomas Miltschus ist Kurator der Schau. Im Interview für Radio Prag International verrät er:

„Das liegt zum einen daran, dass ich mich schon seit vielen Jahren mit diesem Thema beschäftige. Außerdem haben wir eine ganz besondere Veranstaltung zum Anlass genommen, nun das böhmische Porzellan in den Fokus zu rücken: die Bayerisch-Böhmischen Freundschaftswochen, die jetzt in Selb eröffnet werden. Die Ausstellung ist unser Beitrag dazu.“

Der offizielle Startschuss für die Freundschaftswochen fällt am 19. Mai. Medieninformationen zufolge wird dann auch Tschechiens Staatspräsident Petr Pavel unter den Gästen sein.

Porzellan aus Böhmen war bei der High Society gefragt

Thomas Miltschus | Foto: Andreas Giessler,  © Porzellanikon

Die Porzellanschau in Hohenberg ist bereits seit Anfang April zu sehen. Weit über 400 Einzelobjekte werden in der Ausstellung gezeigt, und allesamt stammen sie aus dem Böhmen des 19. Jahrhunderts. Vor allem bis in die 1870er und 1880er Jahre hinein habe das böhmische Porzellan durch seine Qualität und den künstlerischen Anspruch viele Fans gehabt, so Miltschus. Die High Society aus ganz Europa liebte damals die Produkte aus der Region. Doch danach habe das Interesse nachgelassen, sagt der Kurator:

„In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging man in den neuen Fabriken in ganz Europa dazu über, mehr auf Masse statt auf Klasse zu setzen. Die böhmische Porzellanerzeugung war da keine Ausnahme. Es sollten hohe Absätze erzielt werden, das Künstlerische rückte in den Hintergrund. Die Produkte aus Böhmen hatten dadurch ihren Ruf weg als billige, einfache und beliebige Ware.“

Foto: Andreas Giessler,  © Porzellanikon

Die Qualität des Porzellans aus der Zeit davor dürfe man aber nicht vergessen, betont Miltschus:

„Es war mir ein persönliches Anliegen, mit der Ausstellung in Hohenberg zu zeigen, dass man in Böhmen absolut in der Lage war, hochwertiges Porzellan herzustellen. Das konnte mit den Erzeugnissen der Manufakturen in Meißen, Wien oder der KPM in Berlin wirklich mithalten. Und in den entsprechenden Kreisen, die es sich leisten konnten, waren die böhmischen Waren sehr gefragt.“

Ein Kutscher aus Karlsbad führt die Besucher

Auch wenn Thomas Miltschus für böhmisches Porzellan brennt – bei potentiellen Besuchern könnte das Thema unter Umständen zunächst angestaubt wirken, meint der Kurator. Deshalb hat man sich für die Ausstellung eine ganz besondere Form ausgedacht.

„Wir wollten das Porzellan so präsentieren, dass es mit den Persönlichkeiten, die es gekauft haben, in Verbindung gesetzt wird. Und das waren die Gutbetuchten, das Großbürgertum.“

Karlovy Vary / Karlsbad, Františkovy Lázně / Franzensbad und Mariánské Lázně / Marienbad bilden den Rahmen für die Schau. Diese Orte waren, wie Miltschus sagt, die „gesellschaftlichen Hotspots“ der Zeit. Und nicht nur das: In unmittelbarer Nähe des Bäderdreiecks waren auch die Porzellanmanufakturen angesiedelt. In der Ausstellung werden die Interessenten mitgenommen durch einen Tag in einem böhmischen Kurbad.

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„Der Besucher oder die Besucherin durchläuft das komplette Programm: vom Aufstehen 5 Uhr morgens bis zum Schlafengehen um 22 Uhr. Dabei erfährt man, wie das Kurleben im 19. Jahrhundert aufgebaut war, und sieht gleichzeitig sehr viel böhmisches Porzellan. Man lernt, dass dies ein absolutes Spitzenprodukt von wunderbarer Qualität war.“

Foto: Andreas Giessler,  © Porzellanikon

Durch die Ausstellung geführt werden die Besucher durch Wenzel Wolfert.

„Er war eine historische Persönlichkeit im 19. Jahrhundert. Wolfert arbeitete als Postkutscher in Karlsbad und fuhrt dort auch die Kurgäste.“

Aus den erhaltenen Aufzeichnungen des Kutschers geht hervor, welche Gäste Wolfert einst fuhr. Darunter befand sich auch niemand geringeres als der österreichische Kaiser. Laut Miltschus waren aber auch weitere Prominente zu Gast in den Kurbädern:

„Bei dem Rundgang durch die Ausstellung begegnet man deshalb der einen oder anderen berühmten Persönlichkeit – zum Beispiel Johann Wolfgang von Goethe und vor allem der Kaiserin Sisi, denn auch sie weilte zur Kur in Karlsbad.“

Foto: Andreas Giessler,  © Porzellanikon

Und nicht nur das, die wohl berühmteste Kaiserin der Donaumonarchie war auch ein Fan der böhmischen Porzellankunst.

„Sie hat ein Tafelservice besessen, das sie von Kaiser Franz Joseph geschenkt bekommen hat. Vor allem hat Sisi dieses im privaten Gebrauch als Frühstücksservice verwendet. Wir haben es als Leihgabe aus Wien bekommen und zeigen es in der Ausstellung. Aber auch ihr Badethermometer ist in der Ausstellung zu sehen. Sisi hat es bei ihrer Kur 1892 benutzt. Auf dem Thermometer steht auch, bei welcher Temperatur sie gebadet hat.“

Intensive Zusammenarbeit mit tschechischen Partnern

Da das Porzellanikon selbst nur wenig böhmisches Porzellan im Archiv hat, wurden für die Ausstellung zahlreiche Leihgaben besorgt, unter anderem von Organisationen in Loket / Elbogen, Karlsbad, Wien und Sankt Pölten. Die meisten der Exponate stammen aber vom Kunstgewerbemuseum in Prag und dem Westböhmischen Museum in Plzeň / Pilsen. Gemeinsam mit diesen Museen hat das Porzellanikon die Ausstellung konzipiert. Außerdem haben sich die Einrichtungen auf eine Fortsetzung der Ausstellung in Tschechien in den Jahren 2024 und 2025 geeinigt. Dabei werden dann besondere Aspekte in den Vordergrund gerückt:

„In Prag wird der Fokus auf dem Porzellan im 20. Jahrhundert liegen. In Pilsen konzentriert sich die Ausstellung auf die Figurenproduktion und Figurengestaltung.“

Foto: Andreas Giessler,  © Porzellanikon

Den Auftakt zu dieser Kooperation bildet nun die Ausstellung „Luxus, Wellness, Porzellan – Ein Tag im böhmischen Kurbad“. Die Besucher sollen dabei nicht nur durch die Methode des Storytelling in den Bann des Themas gezogen werden. Thomas Miltschus:

„Es gibt viele Mitmachstationen, an denen man kreativ sein oder etwas Zusätzliches lernen kann. So haben die Besucher die Möglichkeit, Sprudelbecher, aus denen man das Heilwasser in den Kurbädern getrunken hat, selbst zu bemalen – und das Brunnenwasser auch zu verkosten. Zudem können Postkarten aus der Ausstellung verschickt werden. Und in einem Fotostudio kann man sich verkleiden und vor entsprechender Kulisse ablichten.“

Vier-Gänge-Menü und Kostümführung

Foto: Andreas Giessler,  © Porzellanikon

Abgerundet wird das Angebot zudem durch ein umfassendes Begleitprogramm. So findet am Freitag und Samstag ein sogenannter „Golden Evening“ statt. Dabei wird eine Führung durch Kurator Miltschus angeboten und an thematisch dekorierten Tischen anschließend ein Vier-Gänge-Menü serviert – alles im Stil eines Kurbadbesuches. Gleich am Sonntag gibt es mit einem Sisi-Thementag zudem ein Angebot, das sich vor allem an Familien mit Kindern richtet. Und bis die Ausstellung im Oktober endet, seien noch zahlreiche weitere Aktionen geplant, so Thomas Miltschus:

„An einem Nachmittag wird eine Kurärztin in einem Vortrag einen Vergleich anstellen zwischen dem Kurleben damals und heute. Außerdem werden die tschechischen Kollegen an einem Abend das böhmische Porzellan noch einmal neu beleuchten.“

Zudem ließen sich Kinderprogramme oder Führungen für Schulklassen buchen, berichtet der Kurator und betont, dass diese Angebote nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Tschechisch verfügbar seien. Im Übrigen ist die gesamte Ausstellung zweisprachig. Damit sollen laut Thomas Miltschus ebenso Besucher aus dem Nachbarland in den Grenzort Hohenberg gelockt werden.

Zu sehen ist die Ausstellung „Luxus, Wellness, Porzellan – Ein Tag im böhmischen Kurbad“ im Porzellanikon in Hohenberg an der Eger noch bis zum 15. Oktober. Die Schau kann dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr besucht werden. Der Eintritt beträgt 3 Euro. Sämtliche Informationen zur Ausstellung und dem umfassenden Begleitprogramm finden sich auf der Website des Porzellanikons unter: www.porzellanikon.org/ausstellungen/sonderausstellungen/luxus-wellness-porzellan-ein-tag-im-boehmischen-kurbad.

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